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Herzliche Grüße,

Norbert Schreiber

Strahlendes Eis in der Arktis - ein Thriller

Man bringt als Journalist in der Kommentierung oder bei Berichterstattung im Allgemeinen über Ereignisse und Sachverhalte ungern Persönliches mit ein. Denn es geht ja in der Regel - vor allem in früheren Zeiten - um eine gewisse Distanz in der Berichterstattung, die leider heutzutage weitgehend verloren gegangen ist. 


Doch in diesem speziellen Fall will ich eine Ausnahme machen und eine persönliche Ebene hier mit einbringen, weil ich mit Kollegen beim Hessischen Rundfunk 2004 darüber berichtet habe, dass ein Ex-Air Force-Pilot in den Vereinigten Staaten eine Atombombe am Meeresboden gefunden hat.

 

1958, als zwei US-Flugzeuge drohten zusammenzustoßen, in der Nähe des kleinen Städtchens Savannah, im US-Bundesstaat Georgia, war sie in der Not abgeworfen worden. Bei einem missglückten Landeanflug war der Crew erlaubt worden, die Bombe im Meer zu entsorgen. So dümpelt auch heute noch das Objekt am Meeresboden. Welche Gefahr nach der Korrosion von ihm ausgeht, wir wissen es nicht.

 

Einem Bericht zufolge vermissen allein die Vereinigten Staaten elf Nuklearwaffen. Greenpeace schätzt, dass am Meeresboden etwa 50 Bomben dümpeln. Damals wusste die Öffentlichkeit nicht, dass das Strategic Air Commando in Europa mit aktivierbaren Atomwaffen an Bord auf europäischem Territorium bestückt waren. Und diese Mutmaßungen veranlassten mich damals, weiter zu recherchieren, welche atomaren Restbestände auf dem Land oder auf dem Meeresboden weiterhin lagern. Ich konnte dann in der Folge berichten, in Zusammenarbeit mit der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, dass um die 100 atomare Sprengkörper als lagernder Atommüll ein nachhaltiges Erbe des Kalten Krieges darstellen. Genug der langen Vorrede.

 

Ich erwähne dies hier, weil der Roman von Michael Lüders STRAHLENDES EIS als Thriller, bei C.H. Beck erschienen, einen solchen Fall herausgreift, um einen großen Spannungsbogen aufzuziehen um einen einzelnen Fall in Grönland. Es war im Januar 1968, da stürzte nämlich ein amerikanischer B-52 Bomber an der Nordwestküste Grönlands ab. An Bord waren vier Wasserstoffbomben, deren Verbleib nie restlos geklärt wurde. Diese historische wahre Begebenheit ist also der Ausgangspunkt für Michael Lüders neuen Triller, der ureigentlich auch als Nahostexperte publiziert und vor allem die scheiternde westliche Politik im Orient kritisiert. Inzwischen hat Lüders seinen dritten Thriller um die Hauptfigur Sophie Schelling herum publiziert.

 

Im Zuge des Klimawandels und des wachsenden Interesses an der Arktis, wegen der dort liegenden Rohstoffe, hat dieser Thriller durchaus aktuelle Hintergründe. Jahrzehnte nach diesem Ereignis wollen Arbeiter, die damals bei Aufräumarbeiten verstrahlt wurden, endlich die Hintergründe aufklären. Eine dubiose Firma ist auch beauftragt, im Untergrund der Erde aufzuräumen. Die Klimaerwärmung lässt das Eis in der Arktis dahinschmelzen. Lüders sammelt genug Action um die historischen Fakten herum, um die sachliche Ebene auch spannend zu machen: Abstürzende Hubschrauber, untergehende Schiffe, Geschäftemacher und Influencer, Präsidenten und böse Menschen und vieles mehr, um den rein sachlichen Hintergründen in der Fiktion Spannung zu verleihen.

 

An nicht wenigen Stellen lässt Lüders dennoch politisch Konkretes einfließen, etwa die wirtschaftspolitischen Hintergründe der Bankrotteure und Steuerhinterzieher, die für die Bankenkrise in Islands zuständig waren. Auch militante Umweltaktivisten kommen vor, Internationale Konferenzen, Rohstoffinteressen, das alles mischt Lüders zu einem spannenden Plot. Erdöl, Erdgas, Mineralien und seltene Erden wecken das Interesse der internationalen Politik. Auch die Interessen der lokalen Bevölkerung spielen in den Plot hinein.

 

Es geht um die Region Thule, wo die Atombombe nieder gingen. Dort stieg nämlich die Krebsrate an.  Aber den politischen Stellen ging es darum, möglichst die Wahrheit über die B-52 Bomber nicht ans Licht kommen zu lassen. Wer soll nun die Drecksarbeit vor Ort erledigen, und geht es wirklich ums Aufräumen unter Wasser am Meeresboden oder um die Exploration der Bodenschätze, die künftig ausgebeutet werden sollen?  Bekommen die Strahlenopfer am Ende doch ihr Recht? Wie wirkt sich die Gletscherschmelze auf die Aktionen aus? Rufen wir uns in Erinnerung, in jener Zeit ging es auch um Abschussrampen für Atomraketen, wenn ein atomarer Gegenschlag nötig wäre. So entstanden die Pläne für Atombasen östlich des US-Luftwaffenstützpunktes in Thule.

 

Es sollten 60 Atom-Abschussrampen entstehen.  Aber es blieb bei einem einzigen Camp mit dem Namen „Camp Century. Es gelingt Lüders in einer packenden Sprache sowohl die technischen wie die historischen Hintergründe aufzuzeigen, ohne dass der Thriller an Spannung verlieren würde. Es gelingt ihm auch, immer wieder die politischen Dimensionen mit einzuflechten, so dass man am Ende des Leseprozesses wieder mal sagen muss: Die Geschichte und die Realität schreibt die besten und spannendsten Geschichten. Und hat der Leser nicht auch wieder politische Déjà-vus angesichts neuer Kriegsszenarios. Und am Ende stellt sich dann doch auch wieder die politische Frage: Wem gehört eigentlich die Arktis? 

 

Michael Lüders Strahlendes Eis THRILLER C.H.Beck

 

 

Michael Lüders ist 1959 in Bremen geboren .

Studium der arabischen Literatur in Damaskus, der Islamwissenschaften, Politologie und Publizistik in Berlin. Promotion über das ägyptische Kino. Dokumentarfilme für SWR und WDR. Langjähriger Nahostkorrespondent der Wochenzeitung DIE ZEIT. Lebt als Politikberater, Publizist und Autor in Berlin. 

Maximilian Steinbeis: Die verwundbare Demokratie   Strategien gegen die populistische Übernahme

Vor einem Monat war das Bundesverfassungsgericht weder per E-Mail noch telefonisch zu erreichen. Bei Tiefbauarbeiten vor dem Gerichtsgebäude war ein Kabel beschädigt worden. Jetzt soll dieses BVerfG besser geschützt werden. Allerdings nicht nur gegen Bagger. Darauf haben sich die Ampel und die CDU verständigt. Wie verwundbar ist dieses angesehene Verfassungsorgan? Wie verwundbar ist unsere Demokratie?

 

Der auch international vielbeachtete Verfassungspublizist Maximilian Steinbeis hat „Strategien gegen die populistische Übernahme“ entwickelt und unter dem Titel „Die verwundbare Demokratie“ veröffentlicht. Er betreibt einen wissenschaftlichen Verfassungsblog, wo internationale Autorinnen und Autoren Fragen im Grenzbereich von Politik und Recht diskutieren. In seinem Buch behandelt er zunächst zwei Beispiele populistischer Machtübernahme in zwei Mitgliedländern der EU: In Polen und in Ungarn. In beiden Ländern ging es nach Wahlerfolgen populistischer Parteien ruckzuck mit dem Abbau der Rechtsstaatlichkeit – alles unter weitester Ausnutzung legaler Mittel. In Polen hat sich nach der Abwahl der Populisten gezeigt, wie schwer es ist, die autoritär geschaffenen Strukturen zurückzubauen und wieder rechtsstaatliche Maßstäbe gelten zu lassen. In Ungarn ist der Populist Orban noch am Ruder und die Wiederherstellung von EU-konformen Zuständen ist nicht absehbar.


Im zweiten Teil seines sich vor allem an Nichtjuristen wendenden spannenden Buches kommen eine Reihe von jungen Verfassungsjuristen zu Wort, die in dem von Steinbeis betriebenen Verfassungsblog seit Monaten an einem öffentlichen Thüringenprojekt mitgearbeitet haben, das die Übernahme des Landes durch die Höcke-AfD in den bevorstehenden Landtagswahlen an die Wand malt und zu verhindern sucht. In mehreren fiktionalen Szenarien skizzieren sie, wie die Populisten vorgehen könnten, welche Folgen das haben würde und wie wenig das Landes- oder auch das Bundesrecht gegen eine Gleichschaltung in der Hand hätten.

 

Einige Gefahren sind bisher kaum ins Bewusstsein der Menschen gedrungen, etwas die eigentlich vernünftige Zwei-Drittel-Mehrheit für wichtige Entscheidungen, wie die Wahl von Verfassungsrichtern. Es würde aber schon ein Wahlergebnis von etwas mehr als einem Drittel für die Populisten genügen, um die Wahl zu blockieren und die Mehrheit zu „Kompromissen“ zu erpressen. Wie wenig der Rechtsstaat gegen obstruktives Verwaltungshandeln unternehmen kann, ist erschreckend. Bisher hielt man es hierzulande für selbstverständlich, dass das von Gerichten festgestellte Recht auch von den Gebietskörperschaften und den Behörden angewandt und durchgesetzt wird. So funktioniert nun mal der Rechtsstaat. Aber wie zwingt – wer vor allem – einen widerspenstigen Landrat oder eine Ausländerbehörde zu rechtskonformem handeln. Steinbeis gibt ein krasses Beispiel frühen Ungehorsams, indem er auf das Kruzifiks-Urteil des BVerfG verweist. Das Gericht hatte die Vorschrift in der bayerischen Volksschulordhnung, dass in jedem Klassenzimmer ein Kreuz anzubringen sei, mit 5 von acht Stimmen für verfassungswidrig erklärt. Für den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber und CSU-Chef Waigl „war das ein gefundenes Fressen, um den Volkszorn gegen das Verfassungsgericht zu entfachen“. Die Kreuze hängen immer noch. Wie viel mehr Obstruktionspotential hätten populistische Strukturen, denen ja ein Großteil des „Volkszorns“ zufliegt. Steinbeis wirft in diesem Zusammenhang auch einen erhellenden Blick auf die USA.


Der Autor ist Verfassungsjurist, er ist Bayer und ein begeisterter Befürworter des Rechtsstaates und der bundesdeutschen Demokratie. Aber er weiß auch „die Verfassung wird uns nicht schützen können. Umgekehrt vielleicht schon.“ Er propagiert als Fazit das, was er „zivilen Verfassungsschutz“ nennt. Das sei nicht Repression, auch nicht Prävention, sondern Antizipation. Das verlangt, sich dem autoritären Populismus „entgegenzustemmen, wo immer er einem begegnet, Im Betrieb und am Frühstückstisch, im Lehrerzimmer und im Besprechungsraum, im Amt und im Gerichtssaal, an der Wahlurne und am Wahlkampfstand, und am Ende und ganz besonders auf der Straße. Das ist die Antwort auf die Frage, was um Gottes Willen wir denn jetzt tun können, damit wir nicht alle im Autoritarismus enden.“


Harald Loch 


Maximilian Steinbeis: Die verwundbare Demokratie   Strategien gegen die populistische Übernahme
Hanser, München 2024   304 Seiten   25 Euro

 

Die arabische Geschichte

Arabische Welt = Welt des Islam? Mitnichten, aber teilweise je nach Zeit und Ort! Der Professor für Arabistik und Islamwissenschaft an der LMU München, Andreas Kaplony hat 36 international renommierte Wissenschaftler versammelt, um eine Geschichte der arabischen Welt zusammenzusetzen. Entstanden ist ein Werk, das viereinhalbtausend Jahre überblickt, das, nach Epochen gegliedert, für jede Zeit einen Abriss der verschiedenen Regionen liefert, in denen sich die arabische Welt entwickelte. Jedes der 38 Kapitel enthält eine knappe Chronologie in Stichworten und sodann die Quellenlage. Die einzelnen Inhalte liefern Übersichten, interessante Detailinformationen und lesen sich trotz der unterschiedlichen Handschriften wie aus einem Guss. Hier einige Blicke auf das überaus inhaltsreiche Werk: Der erste Teil behandelt z.B. die Zeit von 2500 v. Chr. bis zur Hedschas von Mekka nach Medina. Schon in vorislamischer Zeit haben Araber im Jemen hohe zivilisatorische Leistungen vollbracht. Peter Stein, Semitistik-Professor in Jena, schreibt über einen schon 600 v.Chr. errichteten Damm für die Bewässerung, der noch bis 600 n.Chr., also nach 1200 Jahren seinen Dienst tat. Nach Mohammeds Tod 632 n.Chr. wuchs unter muslimischer Verwaltung das arabisch-islamische Imperium in Syrien, dem Irak und Ägypten zusammen. Isabel Toral, Professorin an der FU Berlin, verweist auf die Rolle der frühen Städte bei diesem Prozess im Irak bis zur Gründung von Bagdad im Jahr 762. Zunächst bedienten sich die Eroberer der vorgefundenen Verwaltungsstrukturen und ließen eine Mehrzahl von Religionen nebeneinander bestehen, wie Mathieu Tillier, Prof. für Islamistik an der Pariser Sorbonne für Ägypten nachweist. Auch in der weiteren Zukunft setzte die beschleunigte Expansion der arabischen Welt auf die Säulen einer funktionierenden Verwaltung, auf ein effektives Steuerwesen, zunehmend auf die Verbreitung der arabischen Sprache und auf das Militär. Erst allmählich wurde auch die muslimische Religion, oft noch nur für eine Minderheit, in den Dienst der Arabisierung genommen. Die Spaltung in schiitische und sunnitische Konfession nahm Konturen an. Die Ausbreitung des Islam erfolgte in Persien und in Zentralasien aber ohne den Export der arabischen Sprache. In dieser Phase des arabischen Mittelalters kam es immer wieder zu internen Machtkämpfen, die für die einzelnen Teile des wachsenden Imperiums und für die zunächst in Damaskus und später in Bagdad konzentrierte zentrale Macht beschrieben werden. In diese Zeit fiel auch die Ausdehnung des arabisch-muslimischen Imperiums auf den nordafrikanischen Maghreb und nach Spanien. Der Arabistik-Professor Francisco Vidal-Castro von der nordanatonischen Universidad de Jaén beschreibt diesen 800 Jahre existierenden arabisch-islamischen Staat in Westeuropa bis zum Fall von Granada im Jahr 1492 mit spannenden Details über die soziokulturelle Vielfalt und die Integration religiöser Minderheiten christlichen und jüdischen Glaubens. Nach Vidal-Castro gilt die letzte Phase von al-Andalus als Beginn der Neuzeit und Andalusien als „erster von der Renaissance geprägter Staat in Europa“.
Nachdem zunächst die iranische Großmacht besiegt war, wandte sie die arabische Welt verstärkt der Eroberung der byzantinischen Gebiete und vor allem Konstantinopels zu. Joe Glynias, Fellow in Harvard beschreibt die „Konkurrenz um das Erbe der Antike“ zwischen Byzanz und der arabischsprachigen Kultur und beklagt die noch ungenügende Forschungslage der wechselseitigen Einflüsse. Thomas Bauer, Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Münster schreibt über die Zeit zwischen 1038 und 1798 ein leidenschaftliches Plädoyer gegen einen „teleologischen Ansatz“ der Beurteilung der Geschichte der arabischen Welt, dessen Ursprung er in der Geschichtsphilosophie Hegels sieht. Als ob die westliche, vornehmlich protestantisch geprägte Zivilisation das Ziel aller Geschichte von Anfang an wäre. Aus dieser Perspektive könne man den großen kulturellen arabischen Leistungen vor der Moderne nicht gerecht werden. Er führt zahllose Beispiele für die eigene arabische Fortschrittsentwicklung an. Rainer Brunner schließlich, Directeur de Recherche in Paris, räumt mit der begrifflichen Unschärfe zwischen den arabischen und den muslimischen Welten auf: „Die Arabische Welt wird auch von Nicht-Arabern (z.B. Berbern und Kurden) bewohnt, und die Islamische Welt wurde und wird auch von Nicht-Arabern bewohnt. Demographisch ist von der Arabizität des Islam ohnehin nicht mehr viel übrig. Das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung ist Indonesien, gefolgt von Pakistan, Indien und Bangladesch…“ Sein Augenmerk gilt dem Wechselspiel von religiösen und säkularen Faktoren, das das ganze enorme und gar nicht zu überschätzende Werk bestimmt – es ist das Standardwerk, durch Bibliographien und Register tief erschlossen und voller Überraschungen.


Harald Loch


Andreas Kaplony (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt
C.H.Beck, München 2024   904 Seiten   68 EUR
 

 

Grün, grüner am Grünsten - ein Gartenratgeber

Das Klima wandelt sich und stellt unsere Natur, unsere Umwelt und somit auch unsere Gärten vor neue Herausforderungen. Ob im Garten hinterm Haus, in

der Schrebergartenparzelle oder auf Terrasse und Balkon: Es gibt viele Wege, das grüne Paradies klimafreundlich, naturnah und nachhaltig zu gestalten. Dieses Buch ist voller Know-how, Inspirationen und Praxistipps. (PRESTEL/PENGUIN)
 

Das Wetter

Seefahrergeschichten hatten hierzulande einmal gute Konjunktur – vor allem als der Kaiser die maritime Rüstung zum obersten Staatsziel erhob. Man weiß ja, wie das endete. Seitdem tauchen moderne Moby Dicks überwiegend als Übersetzungen auf. Dann sind es gewissermaßen anachronistische Bücher über die Abenteuer von Seglern auf Hoher See. Die immer noch große Schar der Liebhaber solcher an Odysseus erinnernde Literatur, bietet Captain Elliot Rappaport mit seinem Buch „Das Wetter lesen“ ein wunderbares Lesefutter. Der 1966 geborene Autor ist studierter Meteorologe und bildet derzeit als Professor für Seeverkehr an der Maine Maritime Academy Kadetten auf ihre berufliche Laufbahn auf See aus. Zuvor war er über zwei Jahrzehnte Professor für Nautik in Massachusetts, und bot für die Bachelor Studiengänge in Meereskunde an Bord von Segelschiffen an. Daraus und aus vielen anderen Quellen ist ein Buch entstanden, das einerseits den Abenteuerdurst eines einschlägigen Publikums glänzend bedient und andererseits seine wissenschaftliche Expertise über Wolken, Wind und Wetter vermittelt. Auf langen Segelfahrten nach Grönland, von Mexiko durch den halben Pazifik zu den Marquesas in Französisch-Polynesien oder rund um Neuseeland erlebt er gefährliche Momente durch die Gewalten in Luft und Wasser, gibt es immer wieder Aufregungen in der jeweiligen Crew, die eben teils aus Routiniers, teils aus Anfängern auf See besteht. Wenn er mit einer Brigantine wochenlang durch den Pazifik segelt, findet er Zeit genug, außer dem vielleicht zu spinnenden Seemannsgarn kluge Erläuterungen über die Zusammenhänge zwischen Wasser- und Lufttemperatur, der Erdrotation, der Wolkenbildung und den Niederschlägen nicht nur seinen Kadetten, sondern auch seinen Lesern zu vermitteln. Navigation per Observation des Sternenhimmels oder über GPS, die Benutzung von Radar, aber auch die unverzichtbare Funktion des Ausgucks, die Handhabung von Seekarten oder das Lesen des Wetters stehen dann im Mittelpunkt. Alles unterliegt dem Rhythmus der Wachen rund um die Uhr und ohne Rücksicht auf Sonn- und Feiertage. Das erzählt der Captain unterhaltsam und lehrreich, so dass ein hybrides Lesevergnügen mit spannenden Abenteuern und nautischem Basiswissen entsteht. Das geht nicht ohne den Fachjargon der Segler ab. Für die deutsche Übersetzung konnte der Verlag den gelernten Segelmacher Rudolf Mast gewinnen, der als Segellehrer gearbeitet hat bevor er in Berlin Theaterwissenschaft und Philosophie studierte, ein Glücksfall für diese Buch. Der Autor bezieht sich mit seinen Anekdoten und wahren Geschichten gelegentlich auch auf das, was er von befreundeten Kollegen erfährt, z.B. von Jeremy Law, dem Ersten Offizier auf dem Pazifik-Törn, der in seiner Zeit bei der Küstenwache auf der Bark Eagle gefahren ist, einem 1936 bei Blom & Voss gebauten Schwesterschiff der Gorch Fock. Sie sei „ein wahres Meisterstück der Schiffsbaukunst, in einem Teil der Welt gebaut, in dem die klassische Seefahrt mit Windkraft ihre Blüte erlebte.“ Nach dem Krieg übernahmen die USA fünf ehemalige Segelschulschiffe der deutschen Kriegsmarine. Das ist nur eine vielleicht hierzulande interessante Einzelheit, von denen das Buch zwischen vielen Meilen Segeltörn en passant erzählt. Alles ist interessant, alles ist von Wetter, Wolken und für Segelschiffe so wichtigem Wind durchweht – von den Wellen ganz zu schweigen, die den jungen Kadetten in den ersten Tagen jeder Reise den Magen umdrehten. Für Landratten oder auch Segler auf Wannsee und Alster ist das Buch genauso geeignet wie für Kreuzfahr-Passagiere. Es gab und es gibt eben noch eine aufregendere Art der Fortbewegung auf See.


Harald Loch


Elliot Rappaport: Das Wetter lesen   Wie Wolken, Wind und Wellen unser Leben bestimmen
Aus dem amerikanischen Englisch von Rudolf Mast
Mareverlag, Hamburg 2024   398 Seiten   28 Euro
 

 

Slowenische Bibliothek: CANKAR

Der Slowene Ivan Cankar war Lyriker, Dramatiker und vor allem Prosaschriftsteller. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend lebte er von 1896 bis 1909 in Wien, wo er einen großen Teil seiner Werke schrieb und in seiner slowenischen Heimat veröffentlichte. Seine Prosaarbeiten erschienen schon seit 1900 in der damaligen Tagespresse (Prag, Zagreb, Wien, Ljubljana), in Anthologien und in einigen ihm gewidmeten Publikationen in deutscher Übersetzung. Cankars Prosa reicht von kurzen Skizzen über Erzählungen und Satiren bis zu größeren Novellen und Romanen, von denen hier eine möglichst repräsentative Auswahl gezeigt werden soll. (WIESER/DRAVA)

 

Die Frau im Schatten eines Staatsgründers

Sie wollte einen Mann heiraten und bekam einen Staat. Paula Munweis wurde als junges Mädchen aus Minsk nach New York geschickt, träumte von einem Medizinstudium, war überzeugte Anarchistin. Doch dann traf sie ihren Ehemann, den Gründer des Staates Israel David Ben-Gurion. An ihrem Lebensabend zieht sie widerstrebend mit ihm in einen Kibbuz in der Wüste Negev. Mai 1966: Am kommenden Tag erwartet Ben-Gurion einen späten Freund, den vor Kurzem aus dem Amt geschiedenen Konrad Adenauer. Und wieder einmal ist es an Paula, diesen Besuch auszurichten und zu gestalten. Armut, Kriege, Mutterschaft und immer wieder Einsamkeit: Dieser Roman erzählt die Geschichte einer starken, mutigen Frau, der das Leben viele Kompromisse abverlangt und sie zur Frau des Staatsgründers eines Landes gemacht hat, an das sie nicht glaubte. Am Ende ihres Lebens bricht sie noch einmal auf, um sich selbst zu finden. (BLESSING)

 

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Lariass Reissner "Madame Weltrevolution"

Larissa Reissners „Deutschlandreise 1924“ zeigt ein faszinierendes, farbiges Kaleidoskop des Lebens vor hundert Jahren. Aufgewachsen in Berlin-Zehlendorf, war die Revolutionärin eine einzigartige Beobachterin.  Reissners fulminante Reportagen aus der Epoche der Weltrevolution, ediert und begleitet durch ein Vorwort von Steffen Kopetzky - eine Wiederentdeckung. (Rowohlt)

 

Mr. Suspense: Alfred Hitchcock

Es ist eine außergewöhnliche Verbindung: In 53 Jahren als verheiratetes Paar erschaffen Alfred Hitchcock und seine Frau Alma ein unvergleichliches Werk – 53 Filme, darunter zeitlose Klassiker wie Rebecca, Das Fenster zum Hof, Psycho oder Die Vögel. Doch Almas so erheblicher Anteil am Erfolg ihres weltberühmten Ehemanns wurde bislang kaum gewürdigt. In Los Angeles hat Autor Thilo Wydra sich nun auf die Spuren dieses Jahrhundertpaares begeben und in den Archiven der Oscar Academy Zugang zu unzähligen, teils unausgewerteten Quellen erhalten. Er besuchte in Kalifornien zwei der drei Enkelinnen von „Hitch“ und Alma, die bewegend und ganz unmittelbar von ihren Großeltern berichten. (HEYNE)

 

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Vor 3 Jahren erschienen: Kamala Harris

„Vorab möchte ich zwei Dinge erwähnen: Mein Name wird „Kamala“ ausgesprochen, mit der Betonung auf der ersten Silbe. Er bedeutet Lotusblüte, und diese ist in der indischen Kultur ein besonderes Symbol. Und ich möchte betonen, dass dies ein sehr persönliches Buch ist.“

 

So steht es in dem Vorwort des Buches „Der Wahrheit der verpflichtet“, umhüllt von dem Cover mit dem gewinnenden Foto der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten. Alle wissen: Sie ist die erste Frau, sie ist die erste Person mit afroamerikanischen und auch mit asiatischen Wurzeln in diesem zweithöchsten Amt der USA. Die beeindruckende Autobiographie ist vor ihrer Wahl im Team von Joe Biden abgeschlossen worden. Sie erzählt – menschlich und auch literarisch anspruchsvoll – vom erstaunlichen Werdegang der 1964 in Oakland, Kalifornien geborenen Kamala Harris. Ihre Mutter war Tamilin aus Indien und forschte an den Möglichkeiten der Heilung von Brustkrebs. Ihr Vater war Wirtschaftswissenschaftler und stammte aus einer afroamerikanischen Familie aus Jamaika.


Schon als Jugendliche kam sie mit der Bürgerrechtsbewegung in Kontakt. So war es nur konsequent, dass sie ihr Studium der Politik- und der Wirtschaftswissenschaft an der renommierten, Schwarzen Howard University in Washington D.C. aufnahm. (Das Adjektiv „Schwarz“ ist in dem Buch wie dieser Besprechung konsequent groß geschrieben. Das entspricht der Schreibweise der Schwarzen Community). An dieser von Schwarzen gegründeten und besuchten University hatte auch die Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison studiert und später unterrichtet. Nach ihrem Bachelor Abschluss ging Kamala Harris zurück nach Kalifornien, um dort Jura zu studieren.

 

Nach ihrem Abschluss wurde sie Anwältin und begann ihre Karriere in der Staatsanwaltschaft von San Franzisco. Ihr Buch vermittelt einen guten Eindruck von der ganz anderen Laufbahnorganisation der Staatsanwälte in den USA. Sie werden nach intensiven Wahlkämpfen vom Volk direkt gewählt und vertreten in ihrer Arbeit und in ihren Plädoyers „das Volk“. Harris begann als Assistentin, stellte sich dann auf mehreren Ebenen Wahlen und wurde schließlich die Generalstaatsanwältin für ganz Kalifornien.

 

In Ihrem Buch beschreibt sie, worum es ihr jeweils ging: Die Richtigen wirksam bestrafen, die Unschuldigen freilassen, die „Eierdiebe“ mit Verständnis und Hilfe zur Rückkehr in ein normales Leben beurteilen: „Back on Track“! Immer wieder musste sie ihr Engagement gegen die Ungleichbehandlung von „coloured peoples“, also Schwarzen Menschen, gegenüber Weißen, auf die geringeren Chancen von Armen gegenüber Reichen, von Frauen gegenüber Männern richten.

 

Als Staatsanwältin bearbeitete sie nicht nur Akten, sondern nahm in einer bemerkenswerten Auslegung von Gewaltenteilung Einfluss auf die Gesetzgebung und die Umsetzung von Gesetzen in Kalifornien. So erwirbt sie sich Ansehen im bevölkerungsreichsten Staat der USA und wird zur Senatorin in den Senat gewählt – am gleichen Tag wie Donald Trump Präsident wird, dessen Name in dem Buch und im Personenverzeichnis nicht auftaucht.


Wie ein großartiges, sympathisches Regierungsprogramm linker Demokraten liest sich die lange Liste der Kämpfe dieser unermüdlich die amerikanischen Werte verteidigenden Frau, die es als Schwarze, als Asiatin, als unerbittliche Demokratin nicht leicht hatte. Sie kämpft gegen den unzuverlässigen Schulbesuch von Grundschülern, weil sie weiß, dass mangelnde Schulbildung schlechte Prognosen auslöst. Die kämpft gegen die Banken, die in der „subprice“-Krise Hunderttausende von Zwangsversteigerungen auslösten und für Hunderttausende von Familien den Verlust ihres Eigenheims verursachten. Harris kümmert sich um den Fortbestand von „Obamacare“, der Krankenversicherung für breite Bevölkerungskreise, um klimaneutrales Wirtschaften, um das Verbot der von der Trump-Administration angeordneten Trennung der Kindern von ihren Eltern, die um Asyl in den USA nachsuchen, weil sie in ihren mittelamerikanischen Heimatländern nicht leben können. Vieles setzt sie erfolgreich durch, anderes bringt sie auf einen guten Weg. 


Ihr Buch verströmt Hoffnung in dem unendlichen Kampf um eine gerechtere Welt, die den lauthals verkündeten moralischen Ansprüchen und Werten besser genügt. Es liest sich als Ermutigung von einer Frau, die so sympathisch schreibt, wie sie aussieht. Seit über sieben Jahren ist sie mit dem jüdischen Rechtsanwalt Douglas Emhof verheiratet. Ihre ganze Familie und ihr eigener Werdegang sind in zahlreichen Farbfotos sichtbar. 


Harald Loch


Kamala Harris: Der Wahrheit verpflichtet. Meine Geschichte
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
Siedler, München 2021   334 Seiten   zahlr. Farbfotos      22 Euro

Was Atlanten alles leisten können

Atlanten dienen der Sichtbarmachung geografischer Proportionen und Zusammenhänge, zunehmend aber auch der Visualisierung von komplexen Inhalten. Zwei aktuelle Beispiele belegen die vielfachen Möglichkeiten dieses hybriden literarisch-graphischen Formats:
 
Die ARTE-Chefredakteurin des geopolitischen Magazins „Mit offenen Karten“ Émilie Aubry und ihr geopolitische Berater Frank Tétart führen mit ihrem geopolitischen Atlas in die Konflikte der Gegenwart ein. 28 der wichtigsten Krisenherde der Welt ergeben kein lustiges Buch. Selbst die Bestinformierten werden aber Konflikte und ihre Hintergründe entdecken, von denen sie keine Ahnung haben: Wer hatte schon die fast vor der Haustür Norddeutschlands liegende schwedische Insel Gotland auf dem Schirm, als es um die Mitgliedschaft des Landes in der NATO ging? In Brasilien brennt der Urwald, doch was brodelt in diesem südamerikanischen Giganten mit den vielfältigen Bodenschätzen und einer Bevölkerung, die fast dreimal so groß ist, wie die der Bundesrepublik sonst noch? Sein sozialistischer Präsident Lula verfolgt eine Politik der Blockfreiheit mit hierzulande irritierenden Appellen an die USA und Europa, „den Krieg in der Ukraine nicht länger zu fördern“.

 

Nichts veranschaulicht besser als eine Karte des Südchinesischen Meeres mit den sich vielfältig überschneidenden Seegrenzen, die von sechs Anliegerstaaten beansprucht werden, das maritime Pulverfass, das dort schwelt. Das gilt auch für Karte Israels, die den Flickenteppich des Westjordanlands und die Zone der israelischen Siedlungen mit einem wohltuend zurückhaltenden Kommentar abbildet. Den äthiopischen Olympiasieger im Marathonlauf kennt jeder. Aber wie der ethnische Föderalismus in seinem Heimatland funktionieren soll, bleibt zweifelhaft. Der Riese in Ostafrika mit weit über 120 Millionen Einwohnern bleibt ein Krisenherd ebenso wie Mali, das die Autoren unter der Überschrift „Das Drama der Sahelzone“ darstellen. Ganz Westafrika, aber auch weiter im Osten südlich Äthiopiens liegen riesige Gebiete fest im Griff des Dschihadismus. „Die Welt der Gegenwart“ klärt über diese und viele andere Krisenherde der Welt kompetent und im Interesse des Weltfriedens auf.


Mit verblüffenden Fakten, ungewöhnlichen Grafiken und mutigen Zukunftsszenarien warten Luisa Neubauer und ihr Team zum Thema Klima auf, das angesichts der Kriege in der Ukraine und im Orient aus dem Fokus des öffentlichen Interesses zu verschwinden droht. Als ob die Millionen Granaten, Raketen und Drohnen, mit denen sich der Aggressor Russland und die Ukraine gegenseitig befeuern, uns dem 1,5° Ziel der Klimakonferenzen näherbrächten. Die weltbekannte und auch von ihren Gegnern respektierte 28-jährige Klimaaktivistin Neubauer, der Naturwissenschaftler Christian Endt aus der Redaktion von Zeit Online und der begnadete Grafikdesigner Ole Häntzschel, sämtlich aus Berlin, heben mit ihrem „Klima Atlas“ die Schockstarre der Klimabewegung angesichts der Kriege in der Welt auf. In 8 Kapiteln und auf 80 Karten gelingen ihnen eine Bestandsaufnahme der alarmierenden Gegenwart, Plädoyers für vernachlässigte Themen, wie den Erhalt der Moore oder der Biodiversität auch hinsichtlich weniger spektakulärer Lebewesen, ein erfreulicher Blick auf bereits erreichte – wenn auch kleine – Fortschritte und ein Ausblick, der zwar keine „blühenden Landschaften“ aber eine Umwelt, die das Überleben der Menschheit wahrscheinlicher macht. Sie wollen mit ihren Texten und Karten den Blick für all das, weiten, „was sich kulturell, technologisch, gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich gerade verändert – von der Energiegewinnung über die Gesetzgebung bis hin zu unserer Sprache und unseren Zukunftsträumen. Die Welt ist im Wandel, und das ist eine gute Nachricht.“


Beide Atlanten gehören auf die Lehrer- und auf die Schülerpulte und nicht nur auf die coffee-tables der politischen Correctness.
 
Harald Loch
 
Émilie Aubry und Frank Tétart: Die Welt der Gegenwart   -   ein geopolitischer Atlas
Aus dem Französischen von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube
C.H.Beck, München 2024   224 Seiten   zahlr. Karten, Schaubilder und Fotos   29 Euro
 
Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel: Der Klima Atlas   80 Karten für die Welt von morgen 
Rowohlt, Hamburg   2024   zahlr. Karten und Schaubilder   28 Euro
 

 

Arezu Weitholz: „Hotel Paraíso“ 

 

 

 

„Früher oder später fragt jeder, der meine Geschichte hört, ob ich irgendwann meine leiblichen Eltern gefunden habe“ – diesen Satz stellt Arezu Weitholz vor ihren kleinen Roman „Hotel Paraíso“. Auch darum geht es in dem Buch, das die Auszeit während eines Burnouts zur minimalen Handlung nimmt. Die Synchronsprecherin Frieda bekommt die Gelegenheit und die Aufgabe, das im Winter geschlossene Hotel Paraíso an der Algarve zu hüten. Die 14 Zimmer sind leer. Es gibt noch einen Hausmeister, der gelegentlich vorbeikommt, einen Nachtwächter, manchmal arbeiten Handwerker und es gibt den Labrador, der auf den Namen Otto hört. Es gibt einen Privatstrand am Atlantik und es gibt den Rhythmus des Wellenschlags, ein paar Wintertouristen und Einheimische. Es gibt keine Handlung außer den Banalitäten des Alltags, nichts, was die Leserin von der Stimmung ablenkt. Die wird in einer feinen Sprache erzeugt, in der die vielfältig eingestreuten, nie bis zum Ende durcherzählten Lebensweisheiten über die condition humaine zu einer leichten Erkenntnis durchgeführt werden. Die Protagonistin erscheint in ihrem Kopf hellwach während ihres Burnouts. Natürlich handelt es sich um die Autorin selbst, die eingangs schreibt: „Alles ist wahr. Nichts davon ist genau so geschehen. Suchen Sie sich was aus.“


Frieda ist bei ihren Adoptiveltern aufgewachsen. Die betrieben eine Tankstelle in einem niedersächsischen Dorf. Hieran erinnert sie sich jetzt auf ihren Ausflügen und Hundespaziergängen mit Otto. Dort war ihr Zu-Hause, ihre Familie. Zwar bemerkte sie schon früh, dass sie immer irgendwie als „anders“ angesehen wurde. Aber erst mit 17 Jahren erfuhr sie von ihrer Herkunft, die sie ihrem Publikum von der Algarve aus nicht näher erläutert. Ihr Freund Jonas kommt über Weihnachten zu Besuch – überraschend mit seinen Eltern.

 

Über ihn erzählt Frieda in Selbstgesprächen, die sich als innere Monologe wie auch die kleine Philosophie ihrer Reflexionen in den Hotelalltag ohne Hotelgäste einfügen. Sehr schön gelingen der 1968 bei Hannover geborenen Autorin, die heute in Berlin und Schleswig-Holstein lebt, die Beschreibungen des Meeres, des unglaublichen Lichts, der vom Wind angeblasenen Bewegungen der Wellen, deren wechselnden Tonlagen. Es ist eine wirkliche Idylle rund um das Hotel, aber die Autorin verschont ihre Leser mit idyllischer Anmutung. Ihr gelingt das alles ohne jeden Kitsch in der Stimme, mit einem Schuss nüchterner Selbstverständlichkeit.  Damit schlägt sie alle, auch die wenigen Dialogpartner in ihren Bann. Wer das auf sich wirken lässt, erlebt einen Lesegenuss, der nicht auf wohlfeiler Spannung, billigem Plot beruht, sondern auf einer unerwarteten Natürlichkeit des Lebensgefühls.


Harald Loch


Arezu Weitholz: “Hotel Paraíso”   Roman
Mareverlag, Hamburg 2024   169 Seiten   23 EUR

Zu den naturnahen Wiesen - ein Gartenbuch

Vom naturnahen und artenreichen Gärtnern. Ein Gartenporträt. Das neue Buch zum Blog Krautkopf. 

 

https://kraut-kopf.de/zu-den-wiesen/ 


Ausgezeichnet mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2024 PRESTEL


Dieses Buch gehört zur Kategorie jener Bücher, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Es summt und brummt die Insektenwelt buchstäblich im naturnahen und artenreichen Garten, den die KRAUTKOPF-Autoren Susanne Probst und Yannic Schon in ihrem Gartenporträt vorgestellt haben.

 

Sie suchten nach einem bewussteren Leben im Einklang in der Natur und haben ihn gefunden. Eine Biogärtnerin aus dem Nachbarhof inspirierte sie zu dem Gartenparadies in der mecklenburgischen Schweiz, sie erwarben ein Siedlerhaus, krempelten die bestehende Bepflanzung total und schufen so einen grünen Garten Eden.

 

Faszinierend die einfühlsamen Texte, überzeugend die Gesamtgestaltung des Buches, lehrreich die Pläne zur Gartengestaltung, die nach und nach erfolgte. So entstand ein Küchengarten mit allem was das Herz des Küchenchefs begehrt, eine Blühwiese, ein Wäldchen, ein Vorgarten, ein Schnittblumengarten, eine Obstwiese sowie ein Gewächshaus. Wir erfahren Tipps zur Selbstversorgung, lernen Lehrreiches über essbare Stauden, über den Anbau in Mischkultur, Rankhilfen, Anzucht, Pflanzenstärkung, Bodenhilfen und Informationen über Nützlinge und Schädlinge.

 

Im Schlusskapitel erleben wir einen Gartenrundgang durch die Jahreszeiten, und hier sehen wir eine besondere Leistung der Fotografie und auch der Buchgestaltung selbst, die unzähligen Bilder, die gesamte Optik des Buches überzeugen genauso wie die klugen, klaren, gut lesbaren Sätze zur Natur und Gartenpflege. Die Pflanzenliste am Schluss des Buches orientiert sich an den jeweiligen Themenfelder und ist außerordentlich informativ.

 

Zurecht wurde es mit dem Gartenbuchpreis ausgezeichnet als bestes Buch des Jahres 2024. Wer Gartenfreunde hat und nach Besuchgeschenken Ausschau hält, dieses Buch ist garantiert selbst für den ausgefuchsten Gartenexperten noch eine Überraschung. Es grünt und blüht und gedeiht in diesem vielfarbigen PRESTEL-Buch.

 

ZU DEN WIESEN Vom naturnahen und artenreichen Gärtnern Ein Gartenporträt  PRESTEL

Der Ort, wo die Kritische Theorie entstand

„Café Marx“: So nannten Freunde wie Feinde das Institut für Sozialforschung flapsig. Und tatsächlich liegen die Anfänge der Kritischen Theorie und der Frankfurter Schule in einer Auseinandersetzung mit dem Marxismus. Philipp Lenhard erzählt auf einer breiten Quellengrundlage die Geschichte der Personen, Netzwerke, Ideen und Orte, die das Institut geprägt haben und ihrerseits von ihm geformt wurden. So wird anschaulich greifbar, warum die Frankfurter Schule wie keine zweite die großen intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts bestimmt hat.

Von Anfang an war das 1924 eröffnete Institut für Sozialforschung etwas Besonderes. Seine Wurzeln liegen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs und auf den Barrikaden der Revolution. (CH BECK)

 

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Göttliche Ketzereien: Giordano Bruno

Mehr Freiheit geht nicht, und mehr Verfolgung auch nicht: Giordano Bruno (1548 – 1600) lehrte, dass der unendliche Kosmos einer Vielzahl von Welten Raum bietet und dass auch das menschliche Denken durch nichts begrenzt wird. Mit dieser Botschaft zog er durch Europa, um die in religiöse «Eseleien» zerrissene Welt zu einen. Volker Reinhardt ist ihm dabei auf der Grundlage neuer Quellen gefolgt. Seine Biographie des faszinierenden Freigeistes ist zugleich das Porträt eines inquisitorischen, rechthaberischen Jahrhunderts, das uns gerade heute eine Mahnung sein sollte. (CH Beck)

 

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Klaus Mann - ein rastloses Leben

Klaus Mann verkörpert die bewegte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein Zweiter – als schillernder Bohemien, als großer Schriftsteller. Thomas Medicus begleitet Klaus Mann (1906 bis 1949) auf den Stationen seines sehr modernen Lebens – von der behüteten Münchner Kindheit, der Karriere des Dandys in der Weimarer Republik, die der homosexuellen Emanzipation Vorschub leistete, bis zur Emigration in verschiedene europäische Staaten und in die USA. Klaus Mann war ein großer Reisender; irrlichternd zwischen den Kontinenten, publizierte er in ungebremstem Schreibfluss. (Rowohlt)

 

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Kafka als Textverarbeitungssystem

Franz Kafka hat Erzählungen und Romane geschrieben, die zu den rätselhaftesten Texten der Weltliteratur gehören. Doch wie muss man sich den Schriftsteller bei der Arbeit vorstellen? Keinesfalls als weltabgewandten Autor, der in einsamen Nächten chiffrierte Traumbotschaften niederschrieb, sondern als "gierigen" Leser, der die großen Diskurse seiner Zeit unauflösbar in seine Texte verwob. Der Literaturwissenschaftler Andreas Kilcher gewinnt aus dem Blick in Kafkas Werkstatt einen Schlüssel dazu, wie seine so vieldeutigen Texte zu verstehen sind.

Lesen und Schreiben griffen in Kafkas Werkstatt unmittelbar ineinander. Er nahm intensiv an den großen Gesprächen der Moderne wie der Psychoanalyse und dem Marxismus, dem Zionismus oder dem Okkultismus teil. Was er las, ist teils sichtbar, teils unsichtbar in seine Texte verwoben. Andreas Kilcher führt dies auf bestehende Weise an Kafkas vielleicht mysteriösestem Text vor, Die Sorge des Hausvaters. Die kurze Erzählung über die höchst merkwürdige Gestalt mit dem ebenso merkwürdigen Namen Odradek thematisiert das Unheimliche der Moderne: das Unbewusste der Psychoanalyse ebenso wie die marxistische Ware, die jüdische Diaspora und das Gespenst des Okkultismus. Kafkas Texte können nicht enträtselt werden, indem man ihnen eine einfache Botschaft unterstellt. Sie wollen stattdessen in ihrer so irritierenden wie faszinierenden Vielgestalt wahrgenommen werden. (CH Beck)

 

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Nachrichten aus Europa

Zehn Jahre ist Matthias Nawrat durch die Literaturen und Landschaften des östlichen Europas gereist. Sein Weg führte vom polnischen Opole, von wo seine Familie in den 1980er-Jahren emigrierte, zur Danziger Werft als dem Ursprungsort der Solidarność-Revolution, von Tel Aviv zurück nach Berlin und weiter nach Timișoara, Budapest, ins mazedonische Skopje, nach Minsk und bis hinter den Ural. Kurz: in die Zentren und an die Ränder des postkommunistischen Raums. Ein Reisetagebuch, ein autobiografischer Essay, eine Lektüre, die neue Erkenntnisse bringen kann. (Rowohlt)

 

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Ein Buch-Requiem für zwei Richter

Über den Mut und die Zerbrechlichkeit eines Mannes, der die Welt veränderte. „Saviano macht aus Fakten Literatur.“ Luzia Braun, ZDF Aspekte

 

Wie lebt man, wenn man weiß, dass die eigenen Tage gezählt sind? Savianos wichtigstes Buch seit „Gomorrah“ erzählt das Leben des größten Mafiajägers der Geschichte. Nicht nur als Richter, sondern auch als Ehemann, als Bruder, als Freund. Mit seinem Geldwäsche-Gesetz forderte Falcone die Mafia heraus. Als er am 25. Mai 1992 mit seiner Frau unterwegs zum Wochenendhaus ist, sprengt die Mafia sie mitsamt einem Stück Autobahn in die Luft. Es ist ein Wendepunkt in der Geschichte Italiens und Europas. Saviano, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt, zeigt anhand von Falcones Geschichte wie demokratische Strukturen ausgehöhlt werden und wie durch Zivilcourage die Welt verändert werden kann. Ein Buch, das uns alle betrifft.

(HANSER)

 

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Fred Vargas: Jenseits des Grabes         

In Louviec, einem kleinen Ort in der Bretagne, gehen merkwürdige Dinge vor sich: Ein Wildhüter wird mit einem kostbaren Messer in der Brust tot aufgefunden. In der Nacht zuvor wollen die Alten des Dorfes den hinkenden Schritt eines Geistes gehört haben, der immer dann erklingt, wenn Unheil bevorsteht. Als Adamsberg, der legendäre Kommissar, von dem Fall Wind bekommt, ist er nicht mehr zu halten: Er steigt in die Ermittlungen ein, und sofort fallen ihm drei Flohbisse an der Leiche auf, ein Detail, das sonst niemand gesehen hat. Noch ahnt er nicht, dass dies nur der Auftakt ist zu einer Mordserie, die das Dorf erschüttern wird… (LIMES) 

AMRUM - eine Kindheitsgeschichte


Zwischen Heidekrautfeldern und dem endlosen Watt ist Nanning zu Hause: Amrum, die Nordseeinsel ist alles, was er kennt. Gemeinsam mit seinem besten Freund trotzt er der kargen Natur ab, was er kann, um während des Krieges für seine Familie zu sorgen. Sie jagen Kaninchen, fischen Schollen und tauschen ihre Beute gegen das Notwendigste. Wenn es hart auf hart kommt, hält die Gemeinschaft zusammen, doch Nanning spürt das Misstrauen ihm und seiner regimetreuen Familie gegenüber. Mit dem Tod Hitlers brechen neue Zeiten an, und für Nanning wird sich alles ändern.Amrum erzählt voll wilder Schönheit davon, was Herkunft bedeutet – und wie man lernt, den eigenen Weg zu gehen. Der Roman ist ein poetisches Zeitzeugnis, in dessen Kern eine zutiefst menschliche Geschichte steht. (Ullstein)

 

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Von der menschlichen Existenz

"Jäger ist einer der faszinierendsten Denker hierzulande." Die Welt

 

«Philosophieren heißt sterben lernen», bekannte Montaigne einmal. Er war nicht der Erste, der darauf hinwies, dass das Leben nur von der Endlichkeit her wirklich zu ergründen ist. Die «Ars Moriendi», die Kunst des Sterbens, hat eine weit zurückführende Tradition, und mit ihr untrennbar verbunden ist die «Ars Vivendi», die Kunst des Lebens, deren Ursprünge bis in die Antike reichen. Lorenz Jäger greift ein großes Thema auf und fragt in seiner ebenso klugen wie leichtfüßigen Erkundung, was die Endlichkeit für unsere Lebensführung bedeutet. Er blickt auf früheste literarische Werke wie das Gilgamesch-Epos und die Bibel, auf die fragwürdige Gelassenheit der Stoiker, das japanische Feiern der Vergänglichkeit oder die Unsterblichkeitsträume des Silicon Valley, befragt mit Georg Büchner einen Frühverstorbenen, mit Hans-Georg Gadamer oder Claude Lévi-Strauss Hundertjährige. Dabei spricht Jäger immer auch über unsere Gegenwart, über das, was unser Leben reich und sinnhaft machen kann, über unseren Umgang mit der Zeit angesichts der Endlichkeit, die Gestaltung unserer Ziele und Wünsche – ein im besten Sinne existenzielles Buch. (Rowohlt)

 

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Das Echo der Zeit


Einfühlsam schildert Jeremy Eichler die dramatischen Lebenswege und die revolutionären Werke vier der bedeutendsten musikalischen Genies des 20. Jahrhunderts: Richard Strauss, Arnold Schönberg, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten. Er lässt uns miterleben, wie sie die Erfahrungen der totalitären Epoche in ihren Schöpfungen verarbeiteten – und ein unvergängliches Zeugnis ablegten, das wie ein Echo in unsere unmittelbare Gegenwart hineinhallt.
Mit dem souveränen Wissen des Historikers und dem scharfen Auge des Romanciers, der das tief Menschliche begreift, schildert Jeremy Eichler, wie Richard Strauss, Arnold Schönberg, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten die Weltkriege und den Holocaust durchlebten. Die vier Komponisten verwandelten ihre Erfahrungen in zutiefst bewegende Musikwerke, die die verlorene Zeit widerspiegeln. Anhand vieler Zeugnisse von Schriftstellern, Philosophen, Musikern und einfachen Bürgern zeigt der Autor, wie sich das Wesen eines ganzen Zeitalters in diese Klänge und Geschichten eingeschrieben hat. Auf dem Weg dorthin besucht er für die Entstehung der Musik ganz zentrale Orte: von den Ruinen der Kathedrale von Coventry bis zur Schlucht von Babi Yar in Kiew. Während die lebendige Erinnerung an das »Zeitalter der Extreme« verblasst, erschließt Eichler neue Wege, der Geschichte zuzuhören und zu lernen. Eine Erzählung voller Einsichten und Mitgefühl, die unser Denken über das Vermächtnis des Krieges, die Gegenwart der Vergangenheit und das erneuerte Versprechen der Kunst für unser heutiges Leben belebt. Klett Cotta

 

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BERTOLT BRECHT - die Interviews

Bertolt Brecht besaß, wie ein Zeitgenosse einmal bemerkte, die „seltene Gabe, ein Gespräch mit präzisen, drastischen Formulierungen bei den Fragen festzuhalten, auf die es heute ankommt“: Wie bekämpft man die Dummheit? Was setzt man dem Faschismus entgegen? Wie sieht eine neue Welt aus? Egal welche Fragen man an Brecht hat: In diesem Buch findet man seine überraschenden Antworten.

In 91 hier erstmals versammelten, größtenteils unbekannten Interviews, die sich über 15 Länder und eine ganze Karriere erstrecken, zeigt sich der große Klassiker der Moderne als wortmächtiger Medienkünstler. Sie rücken sein Werk nicht nur in ein neues Licht  ̶  sie bilden einen unkartierten Teil dieses Werkes selbst. (Suhrkamp)

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Die Reihe Slowenische Bibliothek -          Wieser-Verlag

Ein System der Grausamkeit - kafkaesk

Der wortgewaltige Roman Filio ist nicht daheim zählt wahrscheinlich zu den außergewöhnlichsten slowenischen Werken überhaupt. Die üppige poetische Sprache, der reiche Symbolismus und der sensible Blick der Autorin für alles Erotische und Sexuelle stechen deshalb so heraus, weil sie damit eine Anti-Utopie zeichnet, die einem Bestiarium des Wahnsinns ähnelt. Die Fabelwesen hier sind raubtierhafte Menschen, die ihr totalitäres Regime über systematische Vergewaltigung regeln. Die Männer der unteren Stadt sind die absoluten Herrscher einer Insel, die wie eine Strafkolonie für Frauen wirkt. Und doch scheint alles so vertraut und alltäglich zu sein, so unbeschwert natürlich – dass sich das Buch eigentlich wie ein trojanisches Pferd im Gedanken der Unterdrückung liest: Es sprengt von innen heraus.

 

Der Lärm des Lebens im Ruhrpott

In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann auf hinreißende Weise seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern. Es ist eine Liebeserklärung an die Kraft der Familie – und an den Ruhrpott. (Rowohlt Berlin)

 

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Currywurst – Gehse inne Stadt, wat macht dich da Satt? Das beste vonne Welt.

Im Schatten des Vulkans                               Eine literarische Reise ins Herz Islands

 

Island, das Land der Geysire und Vulkane, birgt eine reiche Geschichte und eine einzigartige literarische Tradition. Im Schatten des Vulkans führt auf eine faszinierende Entdeckungsreise durch diese Welt der Literatur, die immer auch ein Spiegel der Lebensverhältnisse auf jener fernen, mythenumwobenen Insel war. Beginnend bei den alten Edda-Gedichten und Sagas, die die Grundlage der nationalen Identität bilden, spannt das Buch einen Bogen bis zur pulsierenden Gegenwart. 

Halldór Gudmundsson - Autor, Verleger und Leiter der Gastlandauftritte Islands und Norwegens auf der Frankfurter Buchmesse - zeigt anekdotenreich und sprachmächtig, wie dieses kleine, abgelegene Land eine bemerkenswerte Vielfalt an Stimmen und Geschichten hervorgebracht hat. »Im Schatten des Vulkans« wird so nicht nur zu einer Reise durch die literarische Geschichte Islands, sondern auch zu einer Erkundung der menschlichen Seele, die in der rauen Schönheit des Nordens lebt. Ein Muss für jeden Literatur- und Kulturliebhaber. (btb)

 

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Kafka lebt

 

Was, wenn Kafka 1924 gar nicht gestorben wäre? Bernhard Setzwein betreibt ein schräges Gedankenspiel: Sein Franz Kafka taucht in den Nachkriegsjahren in Meran wieder auf. Er arbeitet in einem Kino, von niemandem erkannt. Doch eines Nachts trifft er auf einen jungen Mann, mit dem er spontan auf eine Reise geht. (Edition Lichtung)

 

Julian Hans                   Kinder der Gewalt 


Woher kommt die ungeheuere Brutalität, mit der die russischen Soldaten in der Ukraine morden, plündern und vergewaltigen? Warum wehren sich so wenige Russen gegen den Krieg? Julian Hans, der langjährige Moskau-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, macht anhand von fünf spektakulären Verbrechen sichtbar, wie sich Gewalt und Erniedrigung in das Leben der Menschen gefressen haben.
(CH Beck)

 

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Literaten auf der Flucht

Uwe. Wittstock Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur C.H. Beck
Juni 1940: Hitlers Wehrmacht hat Frankreich besiegt. Die Gestapo fahndet nach Heinrich Mann und Franz Werfel, nach Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und unzähligen anderen, die seit 1933 in Frankreich Asyl gefunden haben. Derweil kommt der Amerikaner Varian Fry nach Marseille, um so viele von ihnen wie möglich zu retten. Uwe Wittstock erzählt die aufwühlende Geschichte ihrer Flucht unter tödlichen Gefahren. (CH Beck)

 

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Der neue GRISHAM: Die Entführung

Mit dem Kinofilm DIE FIRMA - Tom Cruise in der Hauptrolle - begann 1993 John Grishams Erfolgsstory als Schriftsteller. In einem großen Interview, das er im letzten Jahr Daniel Müller für das ZEITmagazin und Zeit Verbrechen gab, erzählt er, wie es dazu kam: "Mein Agent hatte das Buch ein paar Verlagen gezeigt, und niemand wollte es. Die großen Hollywood-Produktionsfirmen hatten damals Scouts in New York, die im engen Austausch waren mit den Verlagen. Eine von ihnen bekam von einem der Lektoren, der mein Manuskript abgelehnt hatte, den Tipp, dass sich DIE FIRMA vielleicht für einen Film eignen würde. So schickte man es nach Hollywood, und plötzlich begannen die großen Studios einen Bieterwettkampf um mein Buch. Mittendrin fragten sie sich: Weiß dieser Grisham eigentlich, dass wir um sein Buch buhlen? Dann riefen sie meinen Agenten an, der wiederum mich kontaktierte: Hey, John, Hollywood will dein Buch. Und ich so: Für wie viel? Er meinte, 400.000 Dollar wären gut. Mir wurde schwindelig. Am Ende hat Paramount den Zuschlag bekommen, für 600.000 Dollar. Ich stand unter Schock, ich hatte im ganzen Jahr zuvor vielleicht 50.000 Dollar verdient ..."

 
Nun kehrt John Grisham nach mehr als dreißig Jahren mit DIE ENTFÜHRUNG zu Mitch McDeere und seiner Frau Abby zurück.

 

John Grisham
Die Entführung HEYNE

 

Als ihn ein Mentor in Rom um einen Gefallen bittet, findet sich Mitch McDeer im Zentrum eines mörderischen Konflikts wieder. Er soll durch eine immense Lösegeldzahlung eine Geiselnahme beenden, doch die Umstände sind dramatisch. Schon bald ist nicht nur er selbst in Gefahr, sondern auch die, die ihm nahestehen. HEYNE

 

„Grisham liefert genau den packenden Thriller, den man von ihm erwartet.“ Financial Times


„Das am sehnlichsten erwartete Sequel des Jahrzehnts.“ Daily Express

Da wo THRILLER draufsteht ist auch Thriller drin bei Grisham, doch auf dem neusten Buch von ihm, das heute erscheint, steht lapidar gedruckt: ROMAN. 


Grisham, der Erfolgsautor, hat aber wieder einen auflagenverdächtigen und bestseller-erwartbaren Thriller vorgelegt, der im Gaddafi-Land Libyen spielt.

 

Mitch, der Erfolgsanwalt in der weltweit größten Kanzlei, gerät wegen einem Gefallen in einen Teufelskreis einer Entführung. 
Mitch ist froh, dass die Abschaffung jeglicher Kleiderordnung in seiner Kanzlei Erfolg hatte, und er hat es auch dick, sich um die meist erfolglosen Fälle von Kandidaten für den elektrischen Stuhl oder die Todesspritze zu kümmern. 


Sein alter Fall ist ihm noch in Erinnerung, als es um DIE FIRMA ging: „Ich musste weg? Soll das ein Witz sein? Sie haben versucht, mich umzubringen. Es sind Menschen gestorben, Willie, und die komplette Firma ist ins Gefängnis gewandert. Und die Mandanten gleich mit.“ 
 Mitch ist von einfacher Herkunft, das macht ihn sympathisch, aber er hat auch den Harvard-Abschluss, und das macht ihn erst auch erfolgreich. Einem Juristen mit Harvard-Abschluss öffnen sich viele Türen.

 

Seine Ehefrau  produziert Kochbücher und probiert  zuhause gerne mit Köchen am Küchentisch neue Rezepte aus. So sind schon 50 Kochbücher entstanden. 

 

Zurück zur Todesstrafe: Mitch beschäftigt die Frage, ob ein Staat mit all seinen Unzulänglichkeiten, Vorurteilen und seiner Anfälligkeit das Recht hat, Menschen zu töten. Noch bevor Mitch anreist, wird der Todeskandidat in der Dusche gefunden, er hat sich mit einem Elektrokabel erhängt. „Im Gefängnis ist das keine Seltenheit, aber im Todestrakt kommt so etwas eigentlich nicht vor.“ heißt es im Buch.
Es  geht in dem Fall um das türkische Bauunternehmen, Lannak. In der Wüste soll eine Brücke gebaut werden, Libyen will nicht zahlen. Mitch soll den Fall regeln, das Geld eintreiben.  Einem krebserkrankten Freund will er diesen Gefallen erfüllen. Lannak baut im Nahen Osten und Asien, Brücken, Dämme, Kraftwerke, Wolkenkratzer. Muammar al-Gaddafi will die Grundwasservorkommen unter der Sahara anzapfen. Es geht um 400 Millionen, die nicht gezahlt werden.

 

Und nun geht es Schlag auf Schlag, Menschen werden reihenweise ermordet, eine erfolgreiche junge Anwaltskollegin von Mitch, die hübsche Giovanna, wird entführt. 

 

In Libyen sind Terroristen, Verbrecher, Revolutionäre, Stammeskrieger, Fundamentalisten, Aufständische, allgemein auch einfache Banditen unterwegs, wer sind also die Entführer?

 

Und auf einem Brett lagen fein säuberlich aufgereiht die vier Köpfe.
Haskel, Gau, Abdo, Aziz. Wer hat sie umgebracht?

Fünf Wachposten getötet, Enthauptung der türkischen Personenschützer mit der Kettensäge. Dann gibt es da noch ein Team, bestehend aus ehemaligen Spionen und Experten für militärische Aufklärung, die weltweit als Supersicherheitsdienst agieren. Bei einer Geiselnahme, die Bürger westlicher Länder betrifft, sind sie die Experten. 
Gaddafi hat seit seiner Machtergreifung 1969 acht Umsturzversuche überstanden. Was will man als Leser also mehr im Roman:  Mord und Totschlag, Entführung und Geiselnahme, politische Hintergründe, weltweite Zusammenhänge, Helden und Schurken, rechtstreue Ermittler und Rechtsverdreher. Das pralle Thriller-Leben eben. Ud dann explodiert im Hauptgeschäftsviertel der Stadt auch noch eine Bombe.

 

Lieber Leser, viel mehr sei an dieser Stelle nicht verraten nur so viel noch: Die zweite Hälfte des Romans kommt nämlich noch: „Mitch, in Libyen kann man niemandem trauen.“ So ist es.

 

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

 

Interview (HEYNE)

 

Sechs Fragen an John Grisham 


zu seinem neuen Roman „Die Entführung“

 

1. Es ist bekannt, dass Sie Ihre eigenen Bücher nie nochmals lesen. „Die Firma“ wurde vor mehr als 30 Jahren veröffentlicht. Woher kamen die Ideen für die „am meisten erwartete Fortsetzung der Welt“?

 

„Mitch McDeere ist mir immer im Hinterkopf geblieben, aber ich hatte bisher einfach nicht die richtige Geschichte. Nun endlich, nach 30 Jahren, hatte ich das Gefühl, dass es an der Zeit war.“

 

2. Wie sieht es mit aktuellen Plänen zu einer Verfilmung von „Die Entführung“ aus?

 

„Ich würde sehr gern eine Verfilmung von „Die Entführung“ sehen, aber momentan gibt es keine Pläne dafür.“

 

3. Sie erwähnten einmal, dass Sie für die Recherche Ihrer Bücher viele Orte bereist haben. Welcher Teil Europas hat Ihnen bisher am besten gefallen, und haben Sie vor, noch einmal hierher zu kommen?

 

„Wir haben eine Wohnung in Paris und halten uns mehrmals im Jahr dort auf. Wie Sie wissen, verkaufen sich die Bücher in Europa sehr gut, und es ist wichtig, sie zu bewerben. Dieses Jahr werde ich nach Paris, Lyon, Rom und London reisen. Vielleicht geht es nächstes Jahr nach Deutschland und Spanien. Wir lieben das Reisen in Europa.“ 

 

4. Sie haben in Interviews erklärt, dass Sie jeden Tag mehrere Stunden konsequent an Ihren Büchern arbeiten. Gibt es jemanden, mit dem Sie Ihre Geschichten besprechen, oder arbeiten Sie lieber ganz allein?

 

„Ich habe keine Mitarbeiter. Schreiben ist ein einsamer Beruf, und darin liegt teilweise auch der Spaß. Ich bespreche viele Ideen mit meiner Ehefrau, und sie war schon immer eine strenge Kritikerin. Wenn ihr eine Idee gefällt, ist es sehr wahrscheinlich, dass daraus ein Roman wird.“ 

 

5. Ken Follett hat einmal erklärt, dass er versucht, alle vier bis sechs Seiten eine neue Wendung in seine Handlungen einzubringen. Haben Sie auch derartige Techniken, die Ihnen bei der Entwicklung der Handlung helfen?

 

„Nicht wirklich. Ich versuche, Tricks und Kniffe zu vermeiden, um die Leser*innen zu fesseln. Die beste Technik besteht darin, die Geschichte gründlich zu skizzieren, bevor ich das erste Wort schreibe.“

 

6. Könnten Sie sich vorstellen, die aktuellen Gerichtsverfahren gegen Donald Trump in einem Roman zu verarbeiten?

 

„Niemals. Ich habe diesen Mann satt und hoffe, er verschwindet.“ 

 

Canetti über Franz Kafka: "PROZESSE"

"Jede Zeile von Kafka ist mir lieber als mein ganzes Werk." - Elias Canettis Schriften über Franz Kafka


„Er ist“, notiert Elias Canetti 1947, „der Einzige, der mir wirklich nahe geht“. Und schreibt später, nur kurz vor seinem Tod: „Ich habe ihn geliebt“. Die Rede ist von Franz Kafka. Die hier zusammengeführten Schriften – bereits publizierte sowie erstmals zugänglich gemachte Materialien aus dem Nachlass – erlauben es, Canettis Äußerungen zu Kafka in den Prozess seiner Selbstvergewisserung als Schriftsteller einzuordnen. Die an Kafka verhandelten Kernthemen erweisen sich immer wieder als seine ureigensten. Erstmals zeigt und deutet dieses Buch die Bindung Canettis an diese Zentralgestalt der Moderne.

(HANSER)

 

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Die Welt von gestern in Büchern für heute

Was haben Laozi, Hildegard von Bingen, Montaigne, Marx, Freya von Moltke und Bruno Latour miteinander gemeinsam? Sie alle haben Bücher geschrieben, die man auf dem Weg in die Zukunft mit im Gepäck haben sollte. In diesem Band beantworten über hundert Autorinnen und Autoren die Frage, welches Buch in besonderer Weise in die Zukunft weist, indem sie es prägnant und kurzweilig präsentieren. So entsteht eine faszinierende virtuelle "Bibliothek der Zukunft" mit bekannten Klassikern und neu zu entdeckenden Werken, die zum Stöbern, Lesen, Nachdenken und zum mutigen Handeln für eine bessere Zukunft einlädt.

"Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern." Der berühmte Satz André Malraux' ist hier ganz wörtlich zu verstehen als eine Aufforderung, in Büchern der Vergangenheit zu blättern, um in der Zukunft zu lesen. In diesem Band stellen über hundert Autorinnen und Autoren herausragende Bücher vor, die auf unterschiedliche Weise Perspektiven für morgen eröffnen


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33 Bände sloweninsche Literatur bei WIESER

Als die Kinder krabbeln lernten: Kindheit in Slowenien

Kindschaft ist keine Idylle. Naiv, wer glaubte, das Kind sei naiv, kindisch, wer sich ihm so nähert. In Prezihov Voranc‘ elf Kindheitsgeschichten, eindringlich und leise erzählt, erscheinen Kinder nicht als kleine Erwachsene, vielmehr sind sie (noch) ganz Mensch. Erlebnisse und Begebnisse, frühe Müh‘, schroffer Verweis, aber auch Wärme und Zuneigung an den kargen Alpenhängen, auf der Pacht, dem Keuschlerhof, am Rand des Dorfs und auf dem Weg in die Stadt – wahrgenommen im Kindblick. Keine alters (allzu)weise Suche nach der verlorenen Kindschaft, nicht die gesuchte Erinnerung, einfach aufgehobenes Leben. Maiglöckchen – das letzte Buch von Prežihov Voranc.

 

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Wenn ein Staat zerfällt, wie Jugoslawien, sind die kulturellen Ziviliationsbrüche enorm. Slowenien ein überlebender Teil, und schon entsteht die Frage, wie viel kulturelle Identität noch vorhanden ist, auf welchen Werten man aufbauen kann? 

Da ist Literatur ein Fundament, vorausgesetzt es ist noch ein Stein auf dem anderen. Als eine Art Literatur-Archäologe hat sich über die Jahrzehnte hinweg Lojze Wieser herausgestellt, der fein säuberlich mit verlegerischen Instrumenten die Unwissenheit über slowenische Literatur beiseite geräumt hat. 

 

Der Beweis zuletzt: Die Buchmesse in Frankfurt am Main, da hatte es Slowenien zum Länderschwerpunkt geschafft, und Lojze Wieser aus Klagenfurt war auch da präsent, denn den Weg dorthin hat kein anderer als Wegmacher über zahlreiche hinderliche Wegmacherkurven hinweg derart fleissig geebnet. 

 

Der mit Lojze Wieser befreundete Literaturnobelpreisträger Peter Handke hatte dereinst Florjan Lipuš Boštjans Flug
mit dem Satz geadelt: “Fast Weltliteratur”.

 

Wenn ein Staat zerfällt, wie Jugoslawien, sind die kulturellen Ziviliationsbrüche enorm. Slowenien ein überlebender Teil, und schon entsteht die Frage, wie viel kulturelle Identität noch vorhanden ist, auf welchen Werten man aufbauen kann? 

 

Da ist Literatur ein Fundament, vorausgesetzt es ist noch ein Stein auf dem anderen. Als eine Art Literatur-Archäologe hat sich über die Jahrzehnte hinweg Lojze Wieser herausgestellt, der fein säuberlich mit verlegerischen Instrumenten die Unwissenheit über slowenische Literatur beiseite geräumt hat. 

 

Der Beweis zuletzt: Die Buchmesse in Frankfurt am Main, da hatte es Slowenien zum Länderschwerpunkt geschafft, und Lojze Wieser aus Klagenfurt war auch da präsent, denn den Weg dorthin hat kein anderer als Wegmacher über zahlreiche schwierige Wegmacherkurven hinweg derart fleissig geebnet. 

 

Der mit Lojze Wieser befreundete Literaturnobelpreisträger Peter Handke hatte dereinst Florjan Lipuš Boštjans Flug
mit dem Satz geadelt: “Fast Weltliteratur”.

Unter dem Titel “Hab lang gehofft und bang verzagt” (France Prešeren 1848) legt Lojze Wieser in einem Booklet seine Anmerkungen zur slowenischen Literatur vor, unter der Überschrift: “Fast Weltliteratur. Wie das Slowenische nach Frankfurt kam und uns seit vierzig Jahren mit Erzählungen und Versen erfreut.”

Wieser macht eingangs klar, Literatur des Slowenischen gab es schon lange, bevor es die Staatlichkeit Sloweniens gab, nämlich 440 Jahre vorher schon. 

 

Wieser, der Wegbereiter sieht sich und seinen Verlag als eine Art Literatur-Landwirt: “Eine für die Öffentlichkeit nichtexistente Literatur sichtbar zu machen, bedeutet mehr als diese von einer in die andere Sprache zu übertragen. Schutt an Falschinformation, Geröll an Vorurteilen, den Herrschaften und Überlegenheitsfuchtlern musste der Boden entzogen werden. Menschen mussten gefunden werden, die aus dem Original ins Deutsche zu übersetzen im Stande sind. Aus heutiger Sicht keine allzu großen Herausforderungen. Führende Medien hatten niemanden, der diese Literatur besprechen konnte, auch hier geben wir Hilfestellung. In der Mitte der Nullerjahre begannen die ersten Gehversuche der slowenischen staatlichen Institutionen. Wir rodeten davor zweieinhalb Jahrzehnte den Boden.” 

 

Wieser schreibt im Postscriptum wie alles begann. In einem Antiquariat stöbert er, wieder archäologisch motiviert, 600 Exemplare von Ivan Cankars Buch “Der Knecht Jernej” auf, kauft sie auf und innerhalb weniger Wochen waren sie ausverkauft. 

 

Die Wahrnehmung slowenischer Literatur beginnt deutlicher, als auch der ORF zum Beispiel über »Gemsen auf der Lawine« – die Geschichte des Kärntner Partisanenkampfes von Karel Prušnik – Gašper” berichtet. 

Wieser darf bilanzieren: “Es ist, wie es ist. Wir haben im deutschsprachigen Raum ein gutes Vierteljahrhundert den Boden für die Literatur slowenisch Schreibender (und nicht nur dieser) aufbereitet, indem wir den übertragenen Worten und Bildern vertrauten; wir haben tausende Besprechungen der erschienenen Bücher initiiert, hunderte Lesungen organisiert, die Autorinnen und Autoren auf ihren Lesereisen begleitet und sie auf Buchmessen betreut und versorgt. Wir haben für diese Literaturen gekämpft, um die Schallmauern der Ignoranz zu durchbrechen. Als Reaktion darauf erhielt ich Briefbomben und Morddrohungen und musste dazu auch noch mit ungebetenen Kommentaren und Häme fertig werden.”

 

Es ist eine beeindruckende Reihe literarischer Fundsachen, die Wieser in Reihe präsentiert. Mit dem Ende der Siebzigerjahre kam es zur sichtlichen Veränderung. “Ausgehend von der Übersetzung von Florjan Lipuš, »Der Zögling Tjaž« (Residenz,1981) von Peter Handke, der Anhand dieser Übersetzung seine slowenischen Wurzeln ausgrub und gemeinsam mit Helga Mračnikar das Buch ins Deutsche übertrug. Ein regelrechter Ruck ging durch das Land.”

 

Ciril Kosmač‘s Novelle Tantadruj, mit dem Titel “Partisan und der Tod”, den Autoren Erich Prunč, Srečko Kosovel, Simon Gregorčič, Prežihov Voranc, Janez Sumper und viele viele andere, die wir in Folge auf www.facesofbooks.de noch vorstellen werden, runden das farbenfrohe Bild slowenischer Literatur ab. 

 

Farbenfroh sind auch die Cover, die in ihren Einzelteilen dann zusammengenommen ein Gesamtbild ergeben. Wieser schreibt: “ Und mit nicht wenig Stolz weisen wir darauf hin, dass, neben der Klassik um Jurčič und Stritar (Peter Einsam) und ihrer Erzählkunst, die zeitlich breit gegriffene Moderne mit Ivan Cankar und Zofka Kveder auftritt: Mit zum Teil bisher unbeachteten Übersetzungen, wie sie in den verschiedenen Tageszeitungen aus jener Zeit – von Prag über Wien bis Zagreb – breites Lesevergnügen zu wecken verstanden, mit ihrem steten Bemühen, sich auch im Deutschen zu behaupten.”

 

Zur Covergestaltung von der Künstlerin Ina Riegler heißt es in dem Booklet: “Einfach, fröhlich, naiv, farbenfroh, stark gemalt. Verwendung von heimatlichen Motiven; Ina Riegler zitiert in ihren Bildern Kekec, Heidi, aber auch Kärntner, wie Josef Winkler, Werner Berg, aber auch – im deutschsprachigen Raum – Ferdinand Hodler et al. Stichwörter: Holzhacker, Mägde, Gebären, Pferde, Ziegen, Haign, Gebräuche, Volkstracht, Frauen mit  Hörnern (Widerstand), Kitsch, Jodeln”. Die Cover symbolisieren eben Identitäten, wie ich sie eingangs erwähnt habe.  

 

33 Bände der slowenischen Literatur zu editieren erfordert Mut, Beharrungsvermögen, Durchsetzungskraft gegen viele Widerstände, da muss ein persönliches Motiv dahinterstecken: 
“Die Herausgabe dieser Reihe ist meine Verneigung, meine Verbeugung vor den Menschen, die Bücher schreiben, vermitteln, übersetzen, rezensieren, und den Menschen, die diese Bücher gerne lesen, und, vor allem ist sie meine große Verneigung vor der Sprache meiner Kindheit. Es geht um Literatur, um nichts anderes.”

 

Die Slowenische Bibliothek erschien zur Buchmesse in Frankfurt, in 32 (+1) Bänden und wurde allein von Verleger Lojze Wieser herausgegeben. Die Reihe wird sporadisch fortgesetzt.

 

Lojze Wieser "Hab lang gehofft und bang verzagt"  Zur slowenischen Bibliothek WIESER/DRAVA

 

Lojze Wieser: Geboren 1954, lebt als Verleger in Klagenfurt/Celovec und legt den Schwerpunkt seines Programms auf südosteuropäische Literatur. Die Reihe Europa erlesen und die Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens erreichten Kultstatus.

 

LINK

 

https://www.wieser-verlag.com/reihe/slowenische-bibliothek/

 

 

Nachdenken über Russland -                            Im Widerschein des Krieges

Kaum jemand hat in den vergangenen Jahrzehnten das deutsch-russische Geflecht aus historischen Erfahrungen, machtpolitischen Interessen und ideologischen Fieberträumen intensiver erforscht als Gerd Koenen. Im Widerschein des neuen Krieges, der viele alte Fragen wieder aufwirft, begibt er sich auf eine Spurensuche, die uns von der zynischen Partnerschaft in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes bis zur Freund-Feind-Propaganda unserer Tage und von den Gründern von «Memorial» bis zu den Spin Doctors Putins führt.
Was hat Putin und die um ihn gescharte oligarchische Machtelite dazu getrieben, einen ebenso mörderischen wie selbstzerstörerischen Angriffskrieg zu beginnen? Welche langfristigen Ziele verfolgt Russland? Und warum hat sich zwischen ihm und seinen westlichen Nachbarn erneut ein tödliches Spannungsfeld aufgebaut, das ganz Europa in eine Gefahrenzone verwandelt? In seinem neuen Buch bündelt Gerd Koenen sein jahrzehntelanges Nachdenken über Russland zu einer ebenso differenzierten wie schonungslosen Bilanz. (CH Beck)

 

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Russland - der Fluch des Imperiums

Russlands imperiale Vergangenheit ist der Schlüssel, um Putins Überfall auf die Ukraine und seine antiwestlichen Obsessionen zu verstehen. Der renommierte Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel stellt den Krieg in den langen Kontext der russischen Expansion nach Westen und beschreibt, wie das Ausgreifen in die Ukraine und die Teilung Polens seit dem 18. Jahrhundert einen Irrweg in der russischen Geschichte begründeten, der als "Fluch des Imperiums" bis heute fortwirkt. Dabei zeigt er, wie eine fatale Ideenwelt entstehen konnte, die noch im 21. Jahrhundert in den Köpfen der Moskauer Führung spukt. Deutschland hat sich nach 1945 von seinem Fluch des Imperiums befreit und sich in Richtung Westen geöffnet. Russland steht dieser Weg noch bevor.


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RUSSLAND ein Blick ins Innere

Die beiden Moskau-Korrespondenten arbeiten während einer „Spezialoperation“, aber ureigentlich befinden sie sich konkret in einem Krieg. Ihre Aufgabe ist die Berichterstattung für Hörfunk und Fernsehen aus Moskau in Richtung Österreich zu leisten. Für den Hörfunk und das Fernsehen. Die beiden Korrespondenten erzählen in ihrem neuen Buch vom Leben der Menschen unter Kriegsbedingungen. Ein am konkreten Alltag orientiertes Bild wird gezeichnet. Sie schreiben vom Kriegsbeginn an, was sie Tag für Tag erleben, wen sie treffen, wie die Menschen die Geschehnisse einschätzen. Die beiden Buchautoren empfinden sich nicht als Kriegs-Berichterstatter, denn Sie sind nicht in den Schützengräben in der Ukraine unterwegs.  Das Buch ist eine anschauliche Innenansicht Russlands. Da geht ein Land als Aggressor in die Weltgeschichte ein, und wir sind Augen- und Ohrenzeuge. Der Leser erfährt auch sehr hautnah, was es heißt unter der Zensur zu arbeiten und wie es dennoch gelingen kann, eine kritische Haltung zu bewahren. Lehrreich, wie die russische Bürokratie die Journalisten bei der Einreise an den Flughäfen drangsaliert, wie subkutan Einfluss genommen wird. 


Beide Korrespondenten wechseln sich als Kapitel-Autoren ab. Sie besuchen auch die Provinz, um ein Bild jenseits der Kapitale Moskau oder Leningrad zu zeichnen. Wir erfahren vom Grauen in Mariupol, vom Kaltstellen der Opposition, vom Innenleben der Wagner-Söldnertruppen. Vom Ende der Meinungs- und Redefreiheit, von einer tief gespaltenen Gesellschaft. 


Im Nachwort werden die Autoren in der in einem Nachwort am Ende dann doch gebotenen Kürze politisch. Sie sprechen von der Unvorhersehbarkeit der Lage, und von der Schuldfrage, die eines Tages gestellt werden wird. Die Stärke des Buches ist die Nähe zu den Menschen und deren Schicksal, die Schwäche, die politische Analyse fällt mehr als knapp aus, aber vielleicht war ja genau das gewollt.


Paul Krisai/Miriam Beller RUSSLAND VON INNEN Leben in Zeiten des Krieges Zsolnay

 

Paul Krisai wurde 1994 in Mödling bei Wien geboren und studierte Journalismus in Graz und Sankt Petersburg. Seit 2019 ist er Korrespondent im ORF-Büro Moskau, das er seit 2021 leitet. 2022 wurde er mit dem Robert-Hochner-Sonderpreis ausgezeichnet und zu Österreichs Journalisten des Jahres gewählt.

 

Miriam Beller, geboren 1988 in Vorarlberg, hat in Wien und Irland Internationale Entwicklung studiert, absolvierte anschließend die ORF-Akademie und berichtet seit 2021 als Korrespondentin für den ORF aus Moskau. 2022 wurde sie mit dem Robert-Hochner-Sonderpreis ausgezeichnet.

 

Was kommt nach Putin                                Russlands toxische Gesellschaft 

Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, schien das großen Teilen der russischen Gesellschaft egal zu sein. Das ist nicht überraschend. Seit Jahren wird das russische Expansionsstreben davon begleitet, dass gesellschaftlich das Recht des Stärkeren gilt. Gewalt wird von vielen als Mittel der Politik akzeptiert. Gesine Dornblueth und Thomas Franke erklären, wie es dazu kommen konnte. Ihre Reportagen und Analysen führen uns durch drei Jahrzehnte, in denen nationalistische Kräfte über Verfechter demokratischer Werte die Oberhand gewannen. Dabei wird deutlich: Der zukünftige Frieden in Europa hängt davon ab, ob wir Russlands Gesellschaft richtig verstehen und entsprechend handeln. (Herder) 

 

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Über einen notwendigen Krieg                  Warum das System Putin besiegt werden muss 

Schon auf dem Titel dieser kleinen Broschüre steht, was die ehemalige Korrespondentin des ORF in Moskau, Susanne Scholl, von dem Angriffskrieg gegen die Ukraine konkret hält: „Krieg ist dumm! Krieg ist keine Lösung! Krieg ist ein Verbrechen! Und trotzdem gibt es Kriege, die geführt werden müssen.“

 

Susanne Scholl gibt gleich eingangs zu: „Ich habe mich geirrt.“ Sie hatte nicht geglaubt, dass Putin zum Äußersten gehen würde. Nicht geirrt, so meint sie, habe sie sich in ihrer Voraussicht, dass die Menschen sich sehr schnell an den Krieg gewöhnen werden.

Es ist ein sehr persönlicher Text, der auch die tieferen Emotionen der Autorin bloßlegt. Als der Krieg begann, fühlte sie sich wie eingefroren, konnte nichts spüren. Wir erfahren von Susanne Scholl, dass die Geschehnisse sie wochenlang nicht schlafen ließen.

 

Erst nach und nach überwindet sie ihre Fassungslosigkeit, entdeckt das Ungerechte, Ungeheuerliche dieses Krieges zwischen zwei Ländern, die sie gut kennt.  Es ist das Verdienst dieses politischen und persönlichen Essays, dass Scholl auf die Vorgeschichten des Überfallkrieges eingeht, zum Beispiel auf das Wüten Putins in Tschetschenien. Sie führt uns zum Beispiel in die Stadt Grosny, die Putin buchstäblich hat niederbomben lassen.

 

Sie erwähnt auch, dass sie Kontakte zur heutigen Nobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hatte, deren Verdienst war und ist, die stalinistische Vergangenheit Russlands historisch aufzuarbeiten. Sie konnte nicht weiter in Russland leben und musste emigrieren.

 

Die Autorin zeigt auch den Verrohungsprozess auf, den die russische Gesellschaft und ihre politischen Führer durchlebt haben.

Natürlich ist die Ukraine ein eigener Staat, auch wenn Putin und seine Entourage das nicht wahrhaben wollen.

 

Das Verdienst der Autorin ist es, auch die Opfer zu Wort kommen zu lassen, Opfer, die durch das staatlich sanktionierte Morden zu Opfern werden. So  „en passant“ gibt die Korrespondentin auch Medienkritik zum Besten, wenn sie erwähnt, dass die Fernsehchefs außenpolitische Berichterstattung zuweilen als „Ausschalt-Impuls“ empfinden. Das kenne ich selbst vom Radiomachen her auch zur Genüge.  

 

Fazit: „Nur ein Ende des Systems Putin kann diesen Krieg beenden. Zum Wohl der Ukraine, aber auch Russlands selbst.“

 

Es bleiben in diesem kurzen Essay Fragen offen, aber das ist der Autorin nicht vorzuwerfen, denn auch die Frage, wann der Krieg zu Ende sein wird, ist mehr als offen.

 

Die Schrift spricht Klartext. Sehr verdienstvoll.

 

Es ist ein schonungslos offener Text, der auch die persönlichen Gefühlsebenen mit offenbart, im Gegensatz zu manch militaristischer Debatte um Waffenpotentiale und Munition, die augenblicklich die öffentliche Diskussion in Deutschland stark bestimmen.

 

Susanne Scholl Über einen notwendigen Krieg Warum das System Putin besiegt werden muss

Verlag Kanten. Edition Konturen

 

Susanne Scholl, geboren 1949 in Wien, Studium der Slawistik in Rom und Moskau. Langjährige ORF-Korrespondentin in Moskau. Susanne Scholl hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wichtige Preise für ihre journalistische Arbeit und ihr menschenrechtliches Engagement erhalten, u. a. den Concordia Preis und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

 

Putins Rache - Russland inside

Kaum einer kennt Russland besser als Michael Thumann, der seit über 25 Jahren aus Osteuropa für die ZEIT berichtet. Er legt nun ein atemberaubend geschriebenes Buch vor, das Russlands Absturz in eine zunehmend totalitäre Diktatur und den Weg in Putins imperialistischen Krieg aus nächster Nähe nachzeichnet. Das Motiv des Diktators und seiner Getreuen: Revanche zu nehmen für die demokratische Öffnung nach 1991 und die vermeintliche Demütigung durch den Westen. Putins Herrschaft radikalisiert sich weiter. Es ist das bedrohlichste Regime der Welt.


„Unter Wladimir Putin verabschiedet sich Russland, das eigentlich größte europäische Land, aus Europa. Erneut senkt sich ein Eiserner Vorhang quer durch den Kontinent. Reise ich in dieses Land, werde ich am Flughafen in aller Regel aufgehalten. Der Grenzbeamte hält meinen Pass fest und telefoniert lange mit seinen Vorgesetzten. Ein Mensch im dunklen Anzug, wahrscheinlich Geheimdienst, holt mich ab und führt mich in einen Kellerraum. Darin ein Schreibtisch, eine alte Matratze mit Sprungfedern, kaputte Stühle, Staub in den Ecken. Ich muss Fragen beantworten: Wo wohnen Sie? Was denken Sie über die Militäroperation? Was haben Sie vor in Russland? Ich antworte knapp und frage mich selbst: Komme ich überhaupt noch in das Land? Und komme ich wieder heraus?“ CH Beck

 

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Putin - der Killer im Kreml?

Bei der Verfolgung seiner Ziele geht Wladimir Putin über Leichen, und das nicht erst seit dem Überfall auf die Ukraine. John Sweeney, investigativer Journalist und seit vielen Jahren auf der Spur von Putins Verbrechen, legt die Beweise vor: Schon bei seinem unheimlichen Aufstieg vom Stasi-Mann in Dresden zum unumschränkten Herrscher im Kreml ging Putin mit erbarmungsloser Konsequenz vor, ließ Oppositionelle ausschalten, provozierte Kriege und überzog Russland mit einem Netzwerk der Korruption. Sein Ziel: die Festigung seiner Macht, persönliche Bereicherung, Russlands Wiederaufstieg zur Weltmacht. Mit kriminalistischer Akribie hat Sweeney vor Ort recherchiert – in Moskau, Tschetschenien, in der Ukraine während des Krieges –, hat mit Zeugen und Experten gesprochen, mit Dissidenten und Ex-KGBlern, mit Handlangern des Systems Putin, mit Kritikern, von denen zu viele für ihre Haltung sterben mussten. Psychogramm, packender Hintergrundreport und knallharte Analyse – eine längst überfällige Aufklärung, eine beispiellose Anklageschrift. (HEYNE)

 

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Schon 2007 erschienen

Der kaukasische Teufelskreis - ein Russlandbuch

Erich Follath Matthias Schepp Gasprom - Der Konzern des Zaren in: 
Norbert Schreiber (Hg.): Russland. Der Kaukasische Teufelskreis oder Die lupenreine Demokratie Wieser Verlag Klagenfurt 2007 zuerst veröffentlicht in DER SPIEGEL. 


Die Welt weiß viel über Exxon Mobil, General Electric, Toyota, Microsoft, die anderen Big Shots unter den Großunternehmen der Welt; sie weiß aber zu wenig über Gasprom. Was für ein Konzern ist das, dessen Börsenkapitalisierung zwischenzeitlich 290 Milliarden Dollar überstiegen hat, dessen gegenwärtiger Marktwert höher ist als das Bruttosozialprodukt von 165 der 192 in der UNO vertretenen Nationen? Wie tickt ein Unternehmen, das ein Sechstel der weltweiten Erdgasreserven kontrolliert und mit einem Fingerschnipsen die Energiezufuhr nach Westeuropa unterbrechen, unsere Wohnungen erkalten lassen kann?
Die Gasprom-Story hat Helden und Halunken; sie spielt in den überheizten Politiker-Hinterzimmern von Moskau wie in der Eiseskälte von Sibirien, in den von Erpressung bedrohten Pipeline-Transitländern Ukraine, Weißrussland und Armenien, »auf Schalke« im Ruhrgebiet der Malocher, wie auch im Schweizer Millionärssteuerparadies Zug und in Sotschi am Schwarzen Meer, Putins zweiter Sehnsuchtsstadt, wo er mit den ebenfalls von Gasprom finanzierten Olympischen Spielen sein Lebenswerk krönen will. (…)


Weltmacht Gasprom, Europas wertvollster Kon¬zern, Putins Schwert: Auf dem großen Bildschirm im Kontrollzentrum kann mühelos die weltweite Expansion des Kraken besichtigt werden, dessen Fangarme in alle Richtungen zuschlagen. Hier voll¬zieht sie sich zivilisiert, geräuschlos. Hier sind die wütenden Proteste der Regierungen nicht zu hören, für die die Gaspreise auf Weltmarktniveau angehoben werden, weil Gasprom Geld braucht. Oder weil der Kreml Staaten bestraft, die sich wie die Ukraine und Georgien von Moskau ab- und der NATO und der EU zuwenden. Hierher dringen keine Debatten vor über die zwischen den Herren Putin und Schröder abgesprochene Ostsee-Pipeline, den Ärger der Polen und Balten. Ungefähr in der Mitte der Europakarte blinkt die Pumpstation Kurskaja auf; von dort drehte Gasprom der Ukraine Neujahr 2006 das Gas ab. Moskau hatte den Preis zunächst verdreifacht; die Verhandlungen mit Kiew drohten zu scheitern. Man einigte sich schließlich auf fast das Doppelte. Im Januar 2007 wiederholte sich in Weißrussland das Spiel; tagelang stoppte Russland den Öl-Fluss. Wie¬der wurde den Westeuropäern bewusst, dass Gas und Öl für den Kreml auch politische Waffen sind. Schon heute versorgt Gasprom rund 30 europäische Länder. Estland und die Slowakei hängen zu 100 Prozent am Gas aus dem Osten, Griechenland zu 80, Polen zu 60 und die Bundesrepublik Deutschland zu 36 Prozent.“