Rezensionsarchiv Norbert Schreiber

Russland inside

Michail Ryklins Versuch, den Suizid seiner Frau zu verstehen

Am Karfreitag 2008 verließ Anna Altschuk ihre Charlottenburger Wohnung. Drei Wochen später wurde sie tot aus der Spree geborgen. Bis heute glauben viele Menschen in Russland, dass die Künstlerin von orthodoxen Fanatikern umgebracht wurde. Wenige Jahre zuvor stand sie in Moskau wegen Verletzung religiöser Gefühle vor Gericht und war einer Hetzkampagne ausgesetzt. Wochen vor ihrem Tod hatte sie Morddrohungen im Internet gefunden.

Der Philosoph Michail Ryklin versucht, Leben und Sterben Anna Altschuks, mit der er fast 35 Jahre verheiratet war, bis zu dem Tag ihres Verschwindens nachzuzeichnen. Die Spätzeit der Sowjetunion, die turbulenten 90er Jahre, die das Paar nach Frankreich, in die USA, nach Großbritannien und Deutschland führte, und die mit dem Machtantritt Putins beginnende »Eiszeit« bilden den zeithistorischen Hintergrund des Buches.

 

Einfühlsam zeichnet Ryklin das Porträt einer sensiblen, von Selbstzweifeln gepeinigten Frau, die als Lyrikerin, Künstlerin, Feministin auf der Suche war. Er gibt Einblicke in die unabhängige Künstlerszene der Perestroika und macht begreifbar, wie ein Epochenbruch sich im persönlichen Leben auswirken kann: als Euphorie einer nie gekannten Freiheit und - ihre andere, dunkle Seite - als Zustand der Einsamkeit und Entwurzelung. Mit großer Offenheit erzählt er die Geschichte einer Ehe: auch ein persönlicher Überlebensbericht. (Verlagsankündigung)

 

 

 

Michail Ryklin, 1948 geboren, arbeitet am Institut für Philosophie an der Akademie der Wissenschaften in Moskau. 2007 erschien der Essay Mit dem Recht des Stärkeren für den er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2007 ausgezeichnet wurde.

 

 

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Kritik

 

Titel   Michail Ryklin Buch über Anna

 

Inhalt    334 Seiten Protokoll, Analyse, Mutmaßungen über den Tod der russischen Künstlerin Anna Altschuk, deren Tod als Freitod definiert wird, nachdem wochenlang gemutmaßt wurde, sie könne vielleicht Opfer einer Entführung oder eines Mordanschlages geworden sein, denn sie gehörte zur Gruppe oppositioneller Künstler in Russland und war nach einer Kunstaktion vor Gericht gezerrt, jedoch wider Erwarten freigesprochen worden. Es ist das Porträt einer sensiblen Künstlerin, ihres Lebens, ihrer Ehe mit Michail Ryklin, ihres Emigrantenschicksals.

 

Autor    Michail Ryklin ist 1918 in Leningrad geboren, Philosoph und Autor zahlreicher Bücher über Russland. Er war Gastprofessor an verschiedenen Universitäten in Europa und in den Vereinigten Staaten

 

Cover    Anna Altschuk, stehend mit Zigarette in der Hand blickt auf die sitzende Künstlerin.

 

Gestaltung    Bebildertes Buch. An das Vorwort schließt sich eine detailgenaue Analyse des Autors an, der zu der Endthese kommt, seine Frau habe sich aus Verzweiflung über ihr Emigrantenschicksal und ihre negativen Erfahrungen über das moderne Russland das Leben genommen. Den vier Hauptkapiteln schließt sich sowohl ein Epilog als auch ein Postskriptum an, sowie im Anhang verschiedene Texte zum Prozess gegen Anna Altschuk wegen einer verbotenen Kunstaktion sowie ein Kommentar zum Fall Pussy riot an.

 

Zitat aus dem Buch    „Anna Altschuk, durch Hetzkampagne, Strafverfolgung und erzwungene Emigration in die Verzweiflung getrieben, hat….durch das Errichten einer Parallelwelt selbst eine Situation imaginiert und zur logischen Vollendung geführt, aus er es keinen Ausweg als den Selbstmord gab.“

 

Meinung   Ein packendes und erschütterndes Buch zugleich, eine Tagebuch-Analyse, ein Reflektionsstück, eine Traum- und Traumadeutung, in dem Punkt für Punkt die Lebenslinien der Künstlerin in ihren psychischen Dimensionen dargestellt werden. Ein glasklares Psychogramm einer 33jährigen Ehe, in der gesellschaftliche und politische Erschütterungen hineingewirkt haben. Ein Buch, das die negativen Entwicklungen aus dem Russland heutiger Tage reflektiert. Die Putin-Demokratur ist die Folie, vor der das Emigrantenschicksal der Künstlerin aufgeblättert wird. Eine Verlustanzeige, eine Trauerarbeit in literarisch-philosophischer Deutung über die verschwundene Frau, die als Dissidentin und Russlandkritikerin eingeschätzt wurde. Ein Porträt über Russland – das als „schmutzig, trübe, wüst und undemokratisch“ eingestuft wird.

 

Ein nicht identisches aber analoges Schicksal zu Anna Politkowskaja. Altschuk schreibt: „Der Mord an Politkowskaja ist für Mischa und mich ein Zeichen. Es zwingt uns, die Frage der Übersiedlung nach Deutschland radikaler zu entscheiden. Russland wird zwangsläufig einen Faschismus durchmachen, unter den heutigen Umständen dort zu leben ist absurd. „

 

Das Buch will das Unbegreifliche begreiflich machen: warum ging die Künstlerin aus dem Haus, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Dennoch bleiben Ungereimtheiten. Verspätete rechtsmedizinische Untersuchungen lassen am Selbstmord zweifeln. Wieso hatte sie Verletzungen am Körper und Steine in den Taschen. Die Texte über das Verfahren gegen die Kunstaktion stehen im Anhang, wer den Zusammenhang nicht kennt, tut sich dann im Verlauf des Buches ohne die Kenntnisse des Strafverfahrens etwas schwer dieses nachzuvollziehe und warum die Künstlerin von diesem Gerichtsverfahren gegen Sie so traumatisiert war. Dieses Kapitel wäre besser in den Gesamttext eingearbeitet worden, auch der Exkurs über Pussy riot. Dennoch; ein überzeugendes, faszinierendes erschütterndes Buch über ein Künstlerschicksal im heutigen Russland.

 

Leser   Russlandversteher und Russlandkritiker, Journalisten, Korrespondenten und die deutsche sowie die russische Künstler- und Journalistenelite und Lese, die wissen wollen was in Russland „inside“ passiert.

 

Verlag SUHRKAMP

 

Habermas zum 85ten

Der Philosoph Jürgen Habermas wurde 85. Eine Biographie ist jetzt bei Suhrkamp erschienen.

 

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Diese Herausforderung formulierte Karl Marx vor 170 Jahren in seiner elften „Feuerbach-These“. Jürgen Habermas, der seinen 85. Geburtstag gefeiert hat, hat die Welt interpretiert und verändert. Als Philosoph hat er die weit in soziologische Fragestellungen reichende Denkfigur des kommunikativen Handelns eingeführt und damit das Tor zu zukunftsfähigen Problemlösungen jenseits jeder Metaphysik geöffnet. Dabei hat er das Denkgefüge von Karl Marx auseinandergenommen und für die sich ihm heute darstellende Welt neu zusammengesetzt. Als Intellektueller hat er entscheidend dazu beigetragen, das Gesicht der Bundesrepublik vom Muff der frühen Jahre zu befreien. Durch ständige, seine zahlreichen Widersacher nervende und oft zermürbende Interventionen hat er die linksliberale Grundidee von Demokratie, Verfassungspatriotismus, europäischem Integrationswillen und einer dem Frieden und dem sozialen Ausgleich im globalen Maßstab verpflichteten neuen Weltordnung am Leben erhalten und weiterentwickelt.

 

Am 18. Juni 1929 ist dieser in aller Welt gehörte und geehrte deutsche Philosoph, Soziologe und Intellektuelle in Düsseldorf geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in Gummersbach. Seine angeborene Gaumenspalte konnte trotz mehrerer Operationen zu seinem Leid nicht beseitigt werden. Er studierte Philosophie, Psychologie, Deutsche Literatur, Geschichte und Ökonomie. Seine Studienorte waren Göttingen, Zürich und Bonn, wo er  bei Erich Rothacker mit einer Dissertation über Schelling promovierte. In der jetzt erschienenen Habermas-Biographie zeichnet der Soziologe Stefan Müller-Doohm das bisherige Leben des Jubilars nach. Der Biograph folgt der beruflichen und privaten Entwicklung, den wichtigen Monografien und vor allem den streitbaren Einmischungen in intellektuelle Kontroversen und politische Tagesthemen. Der beim Lesen der Biographie anfangs entstehende Eindruck von dem "Höhenunterschied" zwischen dem Autor und dem Poträtierten weicht bald der Bewunderung für diese zusammenfassende und kommentierte Übersicht über das außergewöhnliche Leben  des Jürgen Habermas. Dabei entsteht ein Bild von der vita activa eines Deutschen, der als Jugendlicher noch hatte helfen sollen, Panzergräben für den „Westwall“ auszuheben. Die frühe Begeisterung für die Demokratie als „alternativlose“ Staatsform hat Habermas beibehalten, der ein Enthusiast für die Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Idee ist. Er lässt sein philosophisches Credo vom vernunftstiftenden kommunikativen Handeln oft genug durch wortmächtige, immer auch mit einem Schuss Humor gewürzte Polemiken im Dienste des besseren Ganzen temperamentvoll beiseite. Häufig ist er als Teil oder Fortsetzer der von Horkheimer und Adorno begründeten „Frankfurter Schule“ gesehen worden. Habermas selbst zieht keine direkte Linie  vom Institut für Sozialforschung, an dem er nur kurze Zeit Assistent von Adorno war, zu seiner eigenen theoretischen Welt.

 

Anhand der intellektuellen Interventionen von Habermas kann die ganze Geschichte der Bundesrepublik, später auch Europas oder der Weltpolitik nachvollzogen werden. Es gibt keine wichtige Kontroverse der letzten 60 Jahre, die ihn nicht zu öffentlichen Stellungnahmen herausgefordert hätte. Die erfolgen meist in Beiträgen zu den überregionalen deutschen, zunehmend auch internationalen Qualitätszeitungen, die ihm schon in jüngeren Jahren offen stehen. Er schreibt Hunderte von Artikeln, mischt sich mit Leserbriefen in laufende Kontroversen ein, zettelt Streit unter eigener Themenhoheit an – immer sind es zugespitzte Wortmeldungen, die in der inzwischen auf viele Bände angewachsenen Reihe Kleine politische Schriften wie zu einer einzigen lebenslangen Monografie zusammenwachsen. Seit langem werden seine in viele Sprachen übersetzten Werke überwiegend bei Suhrkamp verlegt. Er ist einer der entscheidenden programmatischen Berater des Hauses und man hat ihn schon als den eigentlichen Schöpfer der Suhrkamp-Kultur bezeichnet.

 

Habermas ist einer der Hauptakteure im sogenannten Historikerstreit über die Einzigartigkeit des Holocaust, der Mitte der 1980er Jahre in Deutschland tobt und aus dem die von ihm vertretene Position – das kann man heute sagen – als die überlegene Sicht dieses Teiles der deutschen Geschichte hervorgeht. Die Vernichtung der europäischen Juden durch den Nationalsozialismus ist eines der Grundmotive für den Aktivisten Habermas, dessen Elternhaus nicht frei von Beteiligung am „Dritten Reich“ war. Während der Studentenunruhen um 1968 ist er voller Verständnis für den Wunsch, die Hochschulen - allerdings unter Beibehaltung der Hauptverantwortung der Professoren für die Qualität von Forschung und Lehre - zu demokratisieren. Während der Gewalttaten des „Deutschen Herbstes“ zehn Jahre später nimmt er prononciert Stellung gegen den Terrorismus und für die Beibehaltung des liberalen Rechtsstaates. Die Westbindung der Bundesrepublik, das Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Völkermord an den Juden Europas, eine gewaltfreie Weltordnung und eben die vernunftbildende Kraft des kommunikativen Handelns sind die  Grundpfeiler seiner wissenschaftlichen und intervenierenden Existenz. Die ganze Welt gratuliert der Bundesrepublik zu diesem Intellektuellen, der die Welt nicht nur interpretiert sondern zu ihrem Besseren verändert.

 

Harald Loch

 

Stefan Müller-Doohm: Jürgen Habermas. Eine Biographie

Suhrkamp, Berlin 2014   750 Seiten 29,95 Euro 

Echolot II

Kritik

 

Titel    Peter Härtling Tage mit Echo. Zwei Erzählungen Kiepenheuer & Witsch

 

Autor    Peter Härtling feierte am 13. November seinen 80.Geburtstag. 1933 ist Härtling in Chemnitz geboren, arbeitete zunächst bei Zeitschriften und Zeitungen. 1967 wurde er Cheflektor des S.Fischer Verlages. 1974 startete der Autor seine schriftstellerische Karriere. Sein Gesamtwerk ist bei KiWi erschienen.

 

Cover     Weißschwarzgrau mischen sich als Farbkomponenten auf dem Titel. Eine Herbstbaumreihe verbreitet Novemberstimmung

 

Zitat aus dem Buch:    "Sie stehen am Ende, setzen aber keins. Wer ein letztes Buch schreibt, hofft immer, noch ein nächstes schreiben zu können. Aber er hat möglicherweise eine Ahnung?"

 

Meinung    Härtlings Schaffenskraft ist ungebrochen. Nun legt er zwei Erzählungen vor. zwei Hauptfiguren. Zwei Geschichten. Zwei Berufe: ein Schauspieler und ein Maler sind die Protagonisten seines neuen Buches. Der eine, ein alternder Schauspieler, reist durch die Republik und liest letzte Werke von Literaten vor. Er trägt Döblins "Hamlet", die "Jahrestage" von Uwe Johnson, Roths "Legende vom heiligen Trinker", Fontanes "Stechlin" vor. Der Zweite heißt Carl Philipp Fohr, ein Heidelberger Maler, der die akademischen Zusammenhänge verlässt, um in Rom sein Glück zu suchen. Die Erzählungen zeigen das Spannungsverhältnis zwischen Aufbruch und Abschied, zwischen Anfang und Ende. Härtling hat mehr als 70 erfolgreiche Romaneveröffentlicht und zahllose Erfolge mit Kinder- und Jugendbüchern und genauso mit der Literatur für Erwachsene errungen. Seine Sprache behutsam, von einer sprühenden Phantasie – Härtling träumt seine Bücher wie er sagt und der Leser entdeckt dabei wieder die Langsamkeit im Buch.

 

Leser    Härtling-Fans, Sinnsucher, Menschen, die den Herbst des Lebens erreicht haben, Schauspieler, Maler und Autoren, die ewig auf Lesereise sind.

 

Verlag:    Kiepenheuer und Witsch

 

 

Vita Härtling bei Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_H%C3%A4rtling

 

Homepage von Peter Härtling

http://www.haertling.de/

 

Härtlimng bei Kipenheuer und Witsch

http://www.kiwi-verlag.de/autor/peter-haertling/23/

 

Rezension
http://www.ndr.de/kultur/literatur/tagemitecho103.html

Beitrag im Hörfunk

 

http://www.ardmediathek.de/b5-aktuell/neues-vom-buchmarkt-b5-aktuell?documentId=17731108

Die Ullstein-Story

Kritik

 

Titel    Hermann Ullstein Das Haus Ullstein

 

Inhalt    Der Aufstieg und Fall des großen Verlagshauses Ullstein. Hitler unterdrückt die freie Presse. Der Verlag wird enteignet. Hermann Ullstein emigriert mit zehn Reichsmark in der Tasche und schreibt in New York seine erst jetzt in deutscher Sprache erschienen Erinnerungen.

 

Autor    Hermann Ullstein, geboren 1875, trat als jüngster Sohn des Verlagsgründers Leopold Ullstein 1902 in das Familienunternehmen ein. Er befasste sich vor allem mit dem Thema moderner Werbung. Sein Motto war: "Wer nicht langweilig sein will, muss originell sein." Er starb 1943.

 

Cover    Porträtmalerei

 

Gestaltung    Ein Zeitzeugenbuch mit gewissen historischen Ungenauigkeiten aus der New Yorker Distanz, die behutsam korrigiert wurden. Auf wissenschaftliche Kommentierung wurde verzichtet. Neun Kapitel von der "Nacht, bevor Hitler kam" bis zum letzten Kapitel "In Hitlers Hölle."  Mit Vorbemerkungen, Nachwort von Martin Münzel, Anmerkungen und Register. Vom Herausgeberkreis Deutsches Pressemuseum editiert.

 

Meinung    Eine farbig und gut verständlich geschriebene Verlagsgeschichte aus eigener Sachkenntnis, die uns in die unselige Nazi-Zeit zurückversetzt. Geschrieben von dem Mann, der für die Redaktionsgeschäfte und Vertriebsangelegenheiten zuständig war. Ein Insiderporträt von Ullstein, dem führenden Verlags-und Medienwesen jener Zeit. Mit der Intention geschrieben, das Versagen der demokratischen Kräfte in der Nazizeit und den Aufstieg des Nationalsozialismus zu schildern. Ein erster Schritt, um die Ullstein-Familie in ihrer historischen Bedeutung für das deutsche Medienwesen zu würdigen. 

 

Zitat aus dem Buch Von nun an war die Lüge an der Tagesordnung

 

Leser    Studenten und Professoren der Neueren Geschichte, Menschen, die sich mit der Nazizeit auseinandersetzen, Journalistenschüler und Presseexperten, Zeitungsredakteure und Volontäre, die meinen, Pressefreiheit sei etwas Selbstverständliches.

 

Verlag:   Ullstein 

 

Wandel durch Annäherung an Egon Bahr

 

Kritik

 

Titel Egon Bahr Das musst du erzählen. Erinnerungen an Willy Brandt Propyläen

 

Inhalt Auf 237  erzählt Egon Bahr Historisches und Anekdotisches zu Willy Brandt und seiner Politik von den Anfängen in Berlin bis zu Willy Brandts Tod im Jahre 1992.

 

Autor Egon Bahr 1922 in Thüringen geboren. Journalist, Leiter des Bonner RIAS-Büros, Sprecher des Berliner Senats. Leiter des Planungstabes im Auswärtigen Amt. Danach 1969-1974 Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bundesgeschäftsführer der SPD und zuletzt Direktor des Instituts für Friedensforschung in Hamburg.

 

Cover Auf dem Titel ein sepiafarbenes Foto von Egon Bahr (Foto Fred Ihrt) im Flugzeug als Sitznachbar von Willy Brandt. Die Titelzeile in schwarzgrauroter Farbkombination sachlich gehalten. Die Erzählzeile in Kursivschrift.

 

Die Buchrückseite zeigt zwei lachende Politikpartner. Bahr ist der engste und nahestehendste persönliche Weggefährte des sozialdemokratischen Kanzlers, der ihn auf dem Sterbebett gegenüber dem Sohn Lars als wirklichen Freund benennt. Ein Weizsäcker-Zitat ist als Blickfang-Zitat in rot gehalten: „Willy Brandt und Egon Bahr, das war ein ziemlich einmaliges Zusammenwirken. Jeder kam erst mit Hilfe des anderen zur wirksamen Entfaltung seiner Gaben.“  

 

Gestaltung Leserfreundliche Länge, mit 237 Seiten, große Schrift-Type, gesetzt aus der Janson. Das Buch beginnt mit Vorbemerkung und Auftakt, ist in vier große Teile gegliedert: mit den Überschriften BERLIN, BONN, TRIUMPH und TRAGIK und GEWISSHEITEN. Ein Personenregister schließt das Buch ab. Zwei Bildteile mit schwarzweiß- Bildstrecken.

 

Inhalt Ein sehr persönliches, im Erzählstil geschriebenes Porträt eines politischen Nah-Verhältnisses zwischen zwei Menschen, die sich wortlos politisch und persönlich verstanden. Bahr erinnert an den Mauerbau, an die zementierte Teilung, ruft die Tutzinger Rede in Erinnerung („Wandel durch Annäherung“), erinnert an die Zeiten der Großen Koalition. Wir lernen die Arbeit im Planungsstab des AA kennen, werden Zeuge des Regierungswechsels 1969. Es folgen die Jahre der Ostpolitik, der zähen und mühsamen Verhandlungen mit der DDR und Moskau. Bahr lässt hinter die Kulissen blicken, bleibt immer sachlich, schildert anekdotenhaft die Zeitläufte, immer kurzweilig, immer interessant, nie bedeutungsheischend oder die eigene politische Leistung übertreibend. Im Gegenteil, eher verhalten schildernd. hochspannend die Beschreibung des Verhältnisses von Willy Brandt zu Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Bahr lobt Genschers diplomatische Begabung. Ein Kernsatz aus dem Buch: Ohne die Entspannungspolitik Brandts wäre Gorbatschow nicht Nummer 1 im Kreml geworden. Und ohne Gorbatschow hätte es die Einheit nicht gegeben. Fazit Bahrs:“ Willy Brandt war für mich ein guter Mensch, der ein Beispiel dafür bleibt, dass Politik  den Charakter nicht verderben muss.“  

 

Zitat aus dem Buch Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.  

 

Meinung  Sehr lesenswert und wie immer bei Bahr journalistisch gut geschrieben und sehr gut verständlich, faktenreich aber nicht detailüberwuchert, einfühlsames Brandt-Porträt, das eine ganze politische Epoche wieder ins Gedächtnis ruft. Ohne selbstgerecht oder auch zu populistisch zu sein. Ein Geschichtsbuch in erzählten Geschichten.

 

Leser Sozialliberale, alte Troikafreunde- und feinde, Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo, alte und junge Sozialdemokraten, Willy-Fans, Ostpolitik-Befürworter-und  -gegner, russische Politiker und Diplomaten, Egon-Freunde. Bundestagsabgeordnete, Historiker und Memoirenfans sowie „Back Channels“ die bei Geheimdiensten politisch Einfluss nehmen.

 

Rezensionen und Berichte 

NDR
http://www.ndr.de/kultur/literatur/bahr171.html
 

 

Verlag: Propyläen Ullstein Buchverlage GmbH

So sah Krieg aus

Kritik

 

Titel Lee Miller KRIEG Reportagen und Fotos Mit den Alliierten in Europa 1944-1945 Edition Tiamat

 

Autor Lee Miller ist 1907 geboren. Zuerst wird sie als Fotomodell entdeckt, nach dem Kunststudium unternimmt sie Studienreisen nach Paris, Florenz, Rom. In Paris mischt sie sich unter den Kreis um Pablo Picasso und Man Ray, dessen Geliebte sie wird. In New York eröffnet sie nach der Trennung von ihm ein Fotostudio. Und akkrediert sich als Kriegs-Korrespondentin für die Vogue. In den Jahren 1944-45 entstehen ihre Reportagen und Fotos über den Krieg. Ihr Sohn entdeckt die Arbeiten, denn Lee Miller hatte ihre Tätigkeit als Kriegskorrespondentin in ihrem späteren Leben nie wieder erwähnt.


Cover schmaler Titel in Gelb – Lee Miller lagert in Decken gehüllt auf dem Boden zwischen Waffen.


Buchgestaltung Vorwort von David E. Scherman dem LIVE-Fotografen, Kriegs Reportagen und Bilder wechseln sich ab, eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Fotos, Nachwort von Tiamat-Herausgeber Klaus Bittermann unter dem Titel "Berichte aus einer fremden Welt" und Nachwort von Anthony Penrose, der die Manuskripte und Bilder auf dem Dachboden entdeckte.


Zitat aus dem Buch: "Die Baracken der SS sind leer, die Wege dazwischen sind mit den Kadavern erschossener Soldaten dekoriert. Die Hundezwinger sind ebenfalls leer - ein toter Hund liegt auf dem Rasen. In dem schmalen Kanal, der das Lager umgab, schwamm ein Leichenhaufen von SS- Leuten in gefleckten Tarnanzügen und genagelten Stie­feln. Sie trieben zusammen mit ein oder zwei toten Hun­den und kaputten Gewehren in der Strömung. Einige Ge­fangene und Soldaten versuchten, die Leichen herauszu­fischen.

In einem Block befindet sich eine Zuchtfarm für Ango­rakaninchen. Die Kaninchenzucht wurde im Lager ge­werblich betrieben. Die Kaninchen leben weniger beengt als die Menschen und wurden auch besser behandelt. In wunderbar sauberen Unterkünften wurden sie liebevoll von den Kapos umsorgt. Der Stall für die Arbeitspferde befand sich ebenfalls in einem ausgezeichneten Zustand. Der Anblick der vollgefressenen Tiere mit ihren mächti­gen Hinterteilen war angesichts so vieler ausgemergelter Menschen ein Schock."

 

Meinung  Ein tiefer Einblick in die Kriegszeit, in brillanten Reportagen aus der Nazi-Hölle Deutschland ,mit eindrucksvollen Fotos. Ihr Blick ist radikal subjektiv, angesichts von Auschwitz und Dachau kann es ja keine Ausgewogenheit geben. Ihre Reportagen sind präzise, farbig trotz des Schwarzweiß-Themas, ihre Fotos packen, ziehen rein in die Zeit, die von vielen Deutschen in Gesprächen der Nachkriegszeit geschönt wurde. In dieser Zeit waren Illustrierte in der Medien-Landschaft von großer Bedeutung, die Ausgaben jener Jahre sind heute wichtige Zeitdokumente. Das Buch ist eine gute Quelle für engagierten Geschichtsunterricht.


Leser Lehrer und Schüler, die sich mit der Nazi-Zeit auseinandersetzen, Fotografen und Reporter, die bei Magazinen arbeiten, Historiker, Kunststudenten und Menschen, die sich für Schwarzweiß-Fotografie begeistern können.


Verlag: Edition TIAMAT

 

Wikipedia über Lee Miller

http://de.wikipedia.org/wiki/Lee_Miller


Rezension

http://www.deutschlandradiokultur.de/vom-covergirl-zur-kriegsreporterin.950.de.html?dram:article_id=263160


Wordpress

http://muetzenfalterin.wordpress.com/2012/11/15/lee-miller-kriegsreporterin/


Dissertation zu den Künstlerporträts

http://ediss.uni-goettingen.de/bitstream/handle/11858/00-1735-0000-000D-F170-7/rohmann.pdf?sequence=1


Leseprobe

http://www.edition-tiamat.de/Textproben/LeeMiller-Leseprobe.pdf

Das weibliche Lese-Gen

Kritik

 

Titel Stefan Bollmann Frauen und Bücher – eine Leidenschaft mit Folgen

 

 Inhalt Warum ist das Lesen weiblich geworden. Norbert Bollmann schreibt die weibliche Geschichte des Lesens von den Anfängen der Dichterlesung, über die weibliche Liebe zum Roman, über die Macht des Lesens als Faktor der Frauenbefreiung, über Vorleserinnen, weibliche Liebesverhältnisse zu männlichen Literaten, über lesende Sexbomben, die Zukunft der Leserin.

 

Autor Stefan Bollmann hat Literatur, Geschichte, Philisophie studiert, über Thomas Mann promoviert und bereits zwei Bestseller zum Thema Frauen und Bücher im Verlag Elisabeth Sandmann publiziert. Sein Thema: der Wandel der Lesekultur.

 

Cover Frauenhände blättern in einem Buch

 

Gestaltung Das Hardcoverbuch im Goldeinband hat 444 Seite, im Anhang eine ausführliche Auswahlbibliographie, sowie ein Personen- und Werkregister

 

Meinung Ein fundiertes, sorgfältig editiertes Grundllagenwerk, das nicht löangweilig daherkommt, sondern in klaren, gut lesbaren Texten vermittelt warum Frauen und Bücher zusammengehören. Es gelingt dem Autor, auf hervorragende Art und Weise ein Personen-und Geschichtspanorama des weiblichen Lesens zu entwickeln,  mit kurzen Einführungstexten und Bildern, die uns in das jeweilige Lesejahrhundert entführen. Verbunden mit einem literarischen Zitatenschatz, der Aufmerksamkeit erregt. Einmal begonnen, legt man das Buch nicht mehr aus der Hand. Sehr überzeugend und wieder einmal bestsellerverdächtig.

 

Zitat aus dem BuchDen Frauen passt das Kleid der Leserin wie angegossen.

 

Leser Frauen u n d Männer, Literaturstudenten und –professoren, Lesefreaks, Literaturgeschichtler, Büchernarren und Rezensenten.

 

Verlag: Deutsche Verlagsanstalt in der Verlagsgruppe Random House

 

 

Die Teflon-Kanzlerin

Kritik

 

Titel Die Deutsche - Angela Merkel und Wir        Klett Cotta

 

Inhalt Warum hat Kanzlerin Merkel so viel Erfolg. Warum identifizieren sich die Deutschen mit der Kanzlerin aus dem Osten? Sie erntet zwar auch Kritik aber mit Bewundern halten sich die Deutschen dennoch nicht zurück. Der Journalist Ralph Bollmann (taz und FAS) schreibt ein Personenporträt der Kanzlerin aus nächster Nähe, denn er hat sie in seinem Journalistenleben langjährig auf Reisen begleitet.  

 

Autor Ralph Bollmann studierte Politik und Öffentliches Recht in Tübingen, Bologna und Berlin und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Er war Parlamentskorrespondent der taz und wirtschaftspolitischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

 

Cover Das Rautezeichen der Kanzlerin vor rotem Jackett

 

Gestaltung Das 224 Seiten-Buch hat elf Kapitel und schließt ab mit Dank des Autors und Quellennachweis, jedes einzelne Kapitel etwa 20-25 Seiten.

 

Meinung Ein in journalistiscjem Porträtstil geschriebenes Buch, das elf einzelne Themen behandelt: Merkels Normalität als bescheidene Kanzlerin, ihr taktisches Verhalten in derGriechenlandkrise, ihr moderner Begriff des Konservativ-und Mitteseins, ohne beharrend zu wirken, ihre Atompolitik des Ernergiewechsels, Identitätsfragen, ihre Haltung zum Thema Krieg, ihr Begriff der Staatsräson, ihre Haltung zum Kapitalismus, ihr Machtkalkül, Deutschland als Halbhegemon und eine mögliche Kanzlerdämmerung. Ein gut lesbares Buch, das nicht nur ein farbiges Porträt der Erfolgskanzlerin darstellt, sondern zugleich auch ein Stimmungsbild über die Deutschen mitliefert. Analyse, Anekdotisches, Porträtierendes mischen sich zu einem Gesamtbild der Kanzlerin, das zwar in manchen Zusammenhängen schon bekannt ist, aber auch neue Deutungen enthält und klar macht, warum die unterschätzte Kanzlerin sich an der Macht hält, ohne dass sie Ziele und Visionen transportieren würde, die eher nach einigen antiken Erkenntnisse handelt: "Wer nur nach seinem Sinn regiert, herrscht bald allein in einem leeren Land.", "Doch in der Not ist's besser, auf den Rat der Zeit zu warten." Und "Wer kann hier stehen und von sich sagen, ich weiß, was kommt."

 

Zitat aus dem Buch Für das, was Merkel mit ihren Deutschen und in Europa unter den Umständen der verflüssigten Demokratie immerhin geschafft hat, gibt es ein schönes italienisches Wort. Es heißt »governabilitá«, Deutsch: Regierbarkeit. In Zeiten großer Krisen ist das nicht wenig.

 

Leser Merkel-Fans und Merkel-Feinde, Fritz Merz, das gesamte Kabinett, SPD-Mitglieder, die für oder gegen die große Koalition gestimmt haben und Ursula von der Leyen sowie alle Wähler

 

Verlag: Klett Cotta 

 

Pressestimmen

SPIEGEL ONLINE KULTUR

 

Es sind für Bollmann vor allem zwei Faktoren, die für Merkels Beliebtheit sorgen. Erstens inszeniere sie sich als Person so, wie sich ihre Bürger selbst gerne sehen: als fleißig, bescheiden, vernünftig, normal, als "die Deutsche" eben. Das hat schon bei Helmut Schmidt gut funktioniert.

Und der zweite Erfolgsfaktor? Die Finanzkrise. Was für Kohl die Wiedervereinigungwar, ist für die Kanzlerin diese tiefgreifende Zäsur in Europa. "Die Euro-Krise wurde für Merkel, was für Kohl die Wiedervereinigung war: das Ereignis, das der eigenen Kanzlerschaft eine historische Aura verlieh", schreibt Bollmann. So wird die Bundeskanzlerin Angela Merkel - ganz ohne Ecken, Kanten, Abgründe - zur historischen Figur.

 

Bemerkenswert ist Bollmanns Buch aber, weil der Autor lieber Sozialwissenschaftler zitiert als biografische Schlüsselfiguren. Er psychologisiert kaum und interessiert sich generell stärker für die Politikerin als für die Person Angela Merkel. Nicht "Kindheit", "Karriere" und "Kanzlerschaft" heißen seine Kapitel, sondern "Identitäten", "Staatsräson" und "Halbhegemon".

Geh@ckt zum Mail-, Passwort-, NSA- und Cyberkrieg im Internet

Zum aktuellen Ausspäh-Skandal ein neues Buch bei rowohlt von Michael George Geh@ckt. Ein Agent berichtet. Wie Angriffe aus dem Netz uns alle bedrohen.

Kritik

 

Titel Michael George Geh@ackt Ein Agent berichtet Wie Angriffe aus dem Netz uns alle bedrohen

 

Inhalt Auf 254 Seiten beschreibt der Spionageexperte des bayerischen Bundesamtes für Verfassungsschutz das Hacker-Bedrohungsszenario im Netz. PC-Betreiber, Laptopfans und Pad-Gurus sind den Netzattacken schutzlos ausgeliefert. Ein Cyberspace-Bedrohungsszenario mit dem Fazit: Internetkriminalität ist überall und die Sicherheitsdebatte hinkt wie immer der technischen Entwicklung hinterher.

Autor Stefan Michael George war beim BND und anderen Nachrichtendiensten tätig. Er unterstützt Behörden und Unternehmen in der Abwehr elektronischer  Angriffe aus dem Internet

 

Cover Die 0101010-Zahlenkombination kommt von links nach rechts größer werdend ins Bild

 

Gestaltung16 Kapitel mit Anmerkungen, Glossar, Literaturhinweisen und Dank. Einige Personen und Daten sind anonymisiert.

 

Zitat aus dem Buch "Doch die in diesem Zusammenhang (Netzattacken sind gemeint) stehenden Risiken werden nach wie vor unterschätzt und alle Warnungen ignoriert. Zu nebulös, zu virtuell und zu wenig konkret sind die Gefahren."

 

Meinung  Dem Autor gelingt ein alltagsnahes Szenario der Cyberspace-Attacken auf den Computernutzer mit dem Ergebnis: Jeder kann spionieren und jeder kann ausspioniert und gehackt werden. Unternehmen kommen ins Visier und können nur schwer geschützt werden. Virenrogramme nützen nicht viel. Der Mensch eine Tablet-Sicherheitslücke. Ob Handy-Attacken, Firewall-Umgehungen, Spionagetätigkeit, NSA-Angriffe, Mobile Telefon-Ausspioniererei und Mail-und Passwort-Klau, der Computermensch des 21.Jahrhunderts ist zumeist schutzlos ausgeliefert und weiß das nicht einmal. Wer auf Facebook oder Twitter seine Daten hinterlässt ist angreifbar. Ein Cyberkrieg mit vielen Opfern, die nicht einmal wissen, dass sie Opfer sind. Zwar zeigt George Schutzmechanismen auf, doch seine Rezepte sind etatistisch: mehr Staat mehr Schutz. Ein dennoch lesenswertes Buch aus zwar einseitiger Agentenperspektive, doch wenn wir mehr wissen wollen müssen wir es lesen. Wie überhaupt: Bücher zum Thema sind reichlich vorhanden. Also: mehr lesen, weniger chatten ist das Motto der Zukunft.

 

Leser Hacker und Facebookfans, Download-Junkies, Email-Schreiber, Unternehmensbosse, Netzprovider, NSA-Geschädigte und VHS-Kursteilnehmer, die gerade lernen, wie Computer funktionieren.

 

Verlag: Rowohlt

 

Wiki-Leaks im Buch und Film

Kritik

 

Titel Luke Harding/David Leigh Wikileaks Julian Assanges Krieg gegen die Geheimhaltung Edition Weltkiosk

 

Autor Luke Harding arbeitet seit 1996 für den GUARDIAN, er ist einer der profiliertesten Kriegs- und Auslandskorrespondenten des englischen Blattes. David Leigh ist einer der bekanntesten Enthüllungsjournalisten des GUARDIAN, er war bei der englischen Zeitung zuständig für investigativen Journalismus. Seit April 2013 ist er pensioniert.

 

Cover Julian Assange – die Wikileaks Ikone am Balkon der russischen Botschaft, seine Botschaft verkündend.

 

Zitat aus dem Buch: "Die Wahrheit kommt ans Licht und nichts und niemand kann sie aufhalten." (Edward Snowden)?"

 

Meinung  Ein spannend zu lesendes, gut recherchiertes und dokumentiertes nie langweiliges Buch von Recherchejournalisten, die ihren Job verstehen und gut schreiben können. Eine Horrorstory aus dem Internetzeitalter über die Geheimnisse der Geheimdienste, das massenhafte Anzapfen der Internetkabelwege, über Julian Assange und den Whistleblower Bradley Manning, der militärische Geheimnisse ausgeplaudert hat und nun 35 Jahre in Haft sitzen muss wegen Geheimnisverrates. Manning und Assange, sind sie Cyberspace-Helden oder Cyberspace-Terroristen? Ihre Enthüllungsgeschichten haben die Welt in helle Aufregung versetzt, und in diesem Buch sind die Details und Hintergründe dazu festgehalten. Eine Viertelmillion geheimer Berichte wurden in englischen, amerikanischen, britischen, französischen und spanischen Leit-Medien und Nachrichten-Magazinen veröffentlicht. Die Diplomatenriege war erschüttert über die Enthüllungen. Assange verfolgt, Manning in Haft, und schon kam die NSA-Geschichte mit Edward Snowden daher, der die geheimen Überwachungsprogramme der amerikanischen Regierung und der NSA enthüllt hat.  Der Beweis ist erbracht: unser E-Mail-Verkehr wird total überwacht. Die Orwellschen Visionen, eine matte Fiction-Sache, die Realität, der totale Überwachungswahnsinn aufgrund technischer Möglichkeiten und staatlichem Verfolgungswahn, übertrifft alles, was wir uns bisher ausgemalt haben. Die NSA-Story wird im Schlusskapitel aus Aktualitätsgründen nur angerissen, dennoch ist diese Buch die aktuellste Auseinandersetzung im Medium Buch über  Geheimnisse und Whistleblower. Wo sind die deutschen Journalisten, die solche Bücher schreiben?

 

Leser NSA Mitarbeiter, Google-Beschäftigte, Chefs und Belegschaft bei Telecom-Unternehmen, Mitglieder in Bundes, Landes – und Gemeindeparlamenten, Barak Obama und Wladimir Putin, Julian Assange, Computernerds, Journalistenschulen und Whistleblower und notgedrungen Agenten der Geheimdienste. Und alle Computer- und Internetnutzer. Seien sie nun Windows- oder Applefans...

 

Verlag: Edition Welt-Kiosk im C.W.Leske Verlag

Brandt-Biographien

 

Kritik

 

Titel Hans Joachim Noack Willy Brandt. Ein Leben. Ein Jahrhundert rowohlt Berlin

 

Inhalt Der Man hatte Visionen: Willy Brandt und er ließ sie sich von Helmut Schmidt, seinem Nachfolger, nicht nehmen, der Visionen von Ärzten behandelt wissen will. Auf 35 Seiten entblättert Hans Joachim Noack das Leben des Jahrhundert-Politikers, der die deutsche Nachkriegszeit jahrzehntelang geprägt hat: Reformen im Innern, Gestaltungswille in der Außenpolitik, geprägt von der Adenauer'schen Westorientierung hin zur Ostorientierung, die in den 1970er Jahren heißt umkämpft war.

 

Autor Hans Joachim Noack war langjähriger Politik-Chef des SPIEGEL. Zuvor Reporter der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau. Egon-Erwin-Kisch-Preisträger und des Theodor-Wolff-Preises. Seine Helmut Schmidt-Biographie wurde zum Bestseller. 1940 in Berlin geboren, lebt Noack heute in Hamburg.

 

Cover Ein nachdenklicher Willy-Brandt Kopf in Farbe vom politischen Leben im Gesicht gezeichnet in nachdenklicher Pose, den Handrücken an die Backe gelegt, die Stirn in Falten, die Mundwinkel zweifelnd verzogen.

 

Gestaltung nicht aufdringlich bebildert, Schrift  Arno Pro, Lektorat Bert Hoppe.

 

Zitat aus dem Buch "Mit der Neu-Vereinigung schließt sich für Brandt  ein Kreis. Die 'deutsche Sache' hat ihm seit eh und je am Herzen gelegen."

 

Meinung  Dem willy-nahen Journalisten Noack ist ein eindrucksvolles, genaues von der Kindheit bis zum Tod reichendes, einfühlsames, politisches Porträt gelungen, das den Politiker  als einen von Geburt an chronisch einsamen Kerl beschreibt bis hin zum zweifelnden depressiven Politiker am Ende seine politischen Lebens, der sich "wie im Schraubstock eingeklemmt fühlt." Es gelingt Noack den Menschen Willy Brandt und den Willy-Willy-Mythos zu enträtseln. Brandt stolpert über seine Frauengeschichten und die Spionage-Affäre Guillaume, die ihm schwer zusetzt. Holger Börner gesteht der Kanzler, nachdem er einen Abschiedsbrief an die Familie geschrieben hat, würde er in der Nacht »einen Revolver gehabt haben«, »hätte ich mich erschossen«. Insbesondere Wehners Verhalten in Moskau (»Der Herr badet gern lau, so in einem Schaumbad«) als im Ausland geäußerte Kritik an einem deutschen Regierungschef und Wehners Hinterrücks-Kontakte zu Herbert Wehner machen dem Politiker schwer zu schaffen. Das Buch ist ein lesbares Zeiten-Gemälde, farbig, kritisch, blendend geschrieben.

 

Leser Willy-Fans und Willy-Gegner, Nachfolger wie Schmidt, Kohl, Merkel, SPD-Wähler und CDU-Wähler sowie insbesondere die aktuelle Führungsmannschaft der SPD und deren Wahlkampfberater

 

Verlag:  rowohlt Berlin

 

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Kritik

 

Titel Egon Bahr Das musst du erzählen. Erinnerungen an Willy Brandt Propyläen

 

Inhalt Auf 237  erzählt Egon Bahr Historisches und Anekdotisches zu Willy Brandt und seiner Politik von den Anfängen in Berlin bis zu Willy Brandts Tod im Jahre 1992.

 

Autor Egon Bahr 1922 in Thüringen geboren. Journalist, Leiter des Bonner RIAS-Büros, Sprecher des Berliner Senats. Leiter des Planungstabes im Auswärtigen Amt. Danach 1969-1974 Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bundesgeschäftsführer der SPD und zuletzt Direktor des Instituts für Friedensforschung in Hamburg.

 

Cover Auf dem Titel ein sepiafarbenes Foto von Egon Bahr (Foto Fred Ihrt) im Flugzeug als Sitznachbar von Willy Brandt. Die Titelzeile in schwarzgrauroter Farbkombination sachlich gehalten. Die Erzählzeile in Kursivschrift.

 

Die Buchrückseite zeigt zwei lachende Politikpartner. Bahr ist der engste und nahestehendste persönliche Weggefährte des sozialdemokratischen Kanzlers, der ihn auf dem Sterbebett gegenüber dem Sohn Lars als wirklichen Freund benennt. Ein Weizsäcker-Zitat ist als Blickfang-Zitat in rot gehalten: „Willy Brandt und Egon Bahr, das war ein ziemlich einmaliges Zusammenwirken. Jeder kam erst mit Hilfe des anderen zur wirksamen Entfaltung seiner Gaben.“  

 

Gestaltung Leserfreundliche Länge, mit 237 Seiten, große Schrift-Type, gesetzt aus der Janson. Das Buch beginnt mit Vorbemerkung und Auftakt, ist in vier große Teile gegliedert: mit den Überschriften BERLIN, BONN, TRIUMPH und TRAGIK und GEWISSHEITEN. Ein Personenregister schließt das Buch ab. Zwei Bildteile mit schwarzweiß- Bildstrecken.

 

Inhalt Ein sehr persönliches, im Erzählstil geschriebenes Porträt eines politischen Nah-Verhältnisses zwischen zwei Menschen, die sich wortlos politisch und persönlich verstanden. Bahr erinnert an den Mauerbau, an die zementierte Teilung, ruft die Tutzinger Rede in Erinnerung („Wandel durch Annäherung“), erinnert an die Zeiten der Großen Koalition. Wir lernen die Arbeit im Planungsstab des AA kennen, werden Zeuge des Regierungswechsels 1969. Es folgen die Jahre der Ostpolitik, der zähen und mühsamen Verhandlungen mit der DDR und Moskau. Bahr lässt hinter die Kulissen blicken, bleibt immer sachlich, schildert anekdotenhaft die Zeitläufte, immer kurzweilig, immer interessant, nie bedeutungsheischend oder die eigene politische Leistung übertreibend. Im Gegenteil, eher verhalten schildernd. hochspannend die Beschreibung des Verhältnisses von Willy Brandt zu Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Bahr lobt Genschers diplomatische Begabung. Ein Kernsatz aus dem Buch: Ohne die Entspannungspolitik Brandts wäre Gorbatschow nicht Nummer 1 im Kreml geworden. Und ohne Gorbatschow hätte es die Einheit nicht gegeben. Fazit Bahrs:“ Willy Brandt war für mich ein guter Mensch, der ein Beispiel dafür bleibt, dass Politik  den Charakter nicht verderben muss.“  

 

Zitat aus dem Buch Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.  

 

Meinung  Sehr lesenswert und wie immer bei Bahr journalistisch gut geschrieben und sehr gut verständlich, faktenreich aber nicht detailüberwuchert, einfühlsames Brandt-Porträt, das eine ganze politische Epoche wieder ins Gedächtnis ruft. Ohne selbstgerecht oder auch zu populistisch zu sein. Ein Geschichtsbuch in erzählten Geschichten.

 

Leser Sozialliberale, alte Troikafreunde- und feinde, Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo, alte und junge Sozialdemokraten, Willy-Fans, Ostpolitik-Befürworter-und  -gegner, russische Politiker und Diplomaten, Egon-Freunde. Bundestagsabgeordnete, Historiker und Memoirenfans sowie „Back Channels“ die bei Geheimdiensten politisch Einfluss nehmen.

 

 

EGO EGO über alles

Kritik

 

Titel Frank Schirrmacher EGO Das Spiel des Lebens Blessing

 

Inhalt Auf 352 Seiten  entwickelt Schirrmacher eine gesellschaftsanalytische Grundthese: Der Mensch ist ein egoistisches Wesen, das nur auf das Erreichen seiner Ziele, auf seinen Vorteil und das Austricksen des anderen aus ist. Dieser moderne homo oeconomicus steuert den Alltag. Der Mensch an sich ist nicht mehr entscheidungsfähig, es wird über ihn entschieden. Alles, was der Mensch sagt oder tut wird auf den universelle EGO-Trip reduziert. Der Computer wird zum Marktplatz und zur Wohnung des ökonomischen Agenten. Systeme werden gesellschaftlich ausgedacht und der dazu passende Mensch auch.Die Mensch-Maschine-Kommunikation wird von der Maschine-Maschine-Kommunikation abgelöst. Im Markt-Staat , weiß man was der Mensch denkt, fühlt, kauft. Für Schirrmacher hat eine bestimmte Spielart der Ökonomie - sie ist im Kern neo-klassisch - die Welt erobert, in der Daten konsumierbar gemacht werden.Die Menschen sind keine Zahnräder mehr im Automaten, sie sind sein Produkt. Schirrmacher nennt den analysierenden Algorithmus die Nummer 2, die dem digitalen DU, der Nummer 1 gegenübersteht.Die Nummer 2 übersetzt Kommunikation in ein ökonomisches Modell. Das neue soziale Ego-Monster ist aus Egoismus, Mißtrauen und Angst zusammengesetzt. Im anderen vermutet es immer nur das Schlechteste. Und nichts, was gesagt wird bedeutet noch, was es heißt.

 

Autor Frank Schirrmacher ist 1959 geboren und einer der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Erfolgreicher Bestseller-Autor und Literaturexperte. Schirrmacher lebt in Frankfurt am Main und in Potsdam.

 

Cover Der Begriff EGO in Versalien als große rote Lettern in der Mitte des Covers über dem Untertitel Das Spiel des Lebens. Im Buchstaben O hängt ein Mensch an Marionettenfäden und schwebt etwas hilflos im Raum.

 

Gestaltung Nach dem Vorwort folgen innerhalb von zwei großten Teilen (Teil I Die Optimierung des Spiels, Teil II Die Optimierung des Menschen 31 Einzelkapitel. Am Schluss des Buches folgen Danksagung, Anhang, Bibliographie, Anmerkungen und Personenregister.

 

Meinung Man muss sich auf die Ego-Grundthese einlassen, um den Argumentationslinien folgen zu können. Monokausale Erklärversuche haben immer etwas Verdächtiges an sich. Gibt es wirklich nur diese eine EGO-Grundthese als Grundmuster der Gesellschaft. Läßt man sich nun aber widerspruchslos darauf ein, ist das neueste Buch von Frank Schirrmacher wieder ein spannendes Analyse-Buch, das diskussionswürdig ist und wieder ein zenrales Gesellschaftsproblem ins Zentrum rückt. Immer wieder gelingt es Schirrmacher, in seinen Büchern Debatten auszulösen. Nützliche Voraussetzung für den  Lesergenuss sind jedoch gewisse Computerkenntnisse und spieltheoretisches wie allgemeines sozialwissenschaftliches Verständnis. Eine kluge noch zu diskutierende Gesellschaftsanalyse!

 

Zitat aus dem Buch Wir erleben die neue Ära des Informationskapitalismus. Er hat damit begonnen, die Welt in einen Geisteszustand zu verwandeln. Er tut und plant großé Dinge. Er will Gedanken lesen, kontrollieren und verkaufen. . Er will Risiken vorhersagen, einpreisen und eleminieren.

 

Leser Nerds, Bestseller-Liebhaber, FAZ-Leser und SZ-Leser, Chefredakteure, Investmentbanker, Rettungsschirm-Fanatiker, MdBs, Sozialwissenschaftler, Marktliberale, Philipp Rösler und SPD-Kanzlerkandidaten. Facebook-Fans, DIE PIRATEN und Kritiker sozialer Netzwerke und des Onlinehandels, Risikomanager und Risikokapitalisten.

 

Presse „Wer sein Buch  unterschätzt (…) bringt sich um die Chance, an seinen bedeutenden Einsichten teilzuhaben.“ SZ 

 

Verlag: Blessing in der Verlagsgruppe Random House 

 

Die Würde als Konjunktiv

Mit Schwung, Grazie und Eleganz seziert Wiglaf Droste die sprachlichen Entgleisungen der Deutschen, den Neusprech aus »Nachhaltigkeit« und »Transparenz«, in dem »Teamplayer« und »Goods Flow Mitarbeiter« gefragt sind, »Apps zum Entdecken von Apps« aufwendig »kuratiert« werden und den das Lied eines halbalphabetischen Sängers quasi »im Paket« zusammenfasst: »Wenn Worte meine Sprache wären«.

  

Droste spürt der »gefühlten Unsportlichkeit« nach, analysiert die »cremige Fülle« eines Weins, die »Menschenrechte« aus dem Hause Hoeneß und einen »sich nach allen Seiten absichernden Mehrzweckjournalimus«, der mit »Jogi« immer nur Joachim Low und niemals Jogi Gauck meint. Im Sprachschlamassel entdeckt Droste aber auch jede Menge Kleinode wie »betropetzt«.; wenn Sie jetzt wissen wollen, was das zu bedeuten hat, bestellen Sie das Buch. Dann erfahren Sie auch, was Shakespeare meinte, als er »to be or not to go to no go« schrieb.

 

Kritik

 

Titel   Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv Neue Sprachglossen

Englisch Broschur, 240 Seiten, 14.- Euro ISBN: 978-3-89320-175-4  Edition Tiamat

 

Inhalt   240 Seiten Sprachglossen über den Wort-Wahnsinn des Lebens

 

Autor   Wiglaf Droste, 1961 in Herford/Westfalen geboren, lebt unterwegs oder in Berlin.

Seine Texte erscheinen bei mdr, figaro, rbb-Kultur, als tägliche Kolumne in der Tageszeitung junge Welt, in der Zeitschrift Das Magazin und im NZZ Folio.

 

Cover   Grüne Schlagzeilen und ein schwarzer Hut

 

Gestaltung   Meist eineinhalb Buchseiten lange Sprachglossen und eine Gastgeschichte von Archi W. Bechtenberg in der Reihe Critica Diabolis Band 208

 

Zitat aus dem Buch:   "Gibt es im Radio eigentlich noch Radio?"

 

Meinung    Es ist ein wahres Leservergnügen den Sprachmelodien von Wiglaf Droste zu folgen, denn das Sprachspielerische von Droste ist grandios. Droste spießt den Sprachwahnsinn heutiger Tage auf, der mit Amerikanismen modisch sein will, wenn er von "todo-Listen" spricht oder von "Nogo-Areas", oder wenn eine Möbelhauskette für den "Store" noch einen "Goods flow Mitarbeiter" sucht, wenn Köche "nachhaltigen Genuss" zaubern, oder wenn Computernerds  sich an dem Satz "Es gibt viele Apps zum Finden von Apps" digital mit Windows selbst befriedigen. Droste bescheinigt dem Bundespräsidenten Gauck "Präsidialnekrophilie", beschäftigt sich sprachtalentiert mit den Tattoo-Irrsinn, glossierend bejammert er die Ruhe auf dem Land als Rasenmäher-Idylle, wenn die Nachbarn mit einem laustarken WHRAMM die Honda starten und alles niedermähen, was da im Garten wächst, mit einer solchen Mählust, dass auch der Sensenmann sich künftig nur noch traut, mit der Motorsense die Menschen abzuholen. Für Droste ist Fernsehen eine "Banalitätenschleuder", und er nimmt unter die Lupe, dass heute alles "top" ist, "Top-Spiele" in der Bundesliga, "Top-News" und Top-Themen in den Medien, also bleiben wir in den Sprachklischees, aber nur des Gags wegen: Drostes Buch ist top kein Flop! Übrigens nur mit einem "p" geschrieben, denn sonst wäre das ein Flop mit dem Flopp...   

 

Leser   Glossenfreunde, Sprachkritiker, Fernsehredakteure, der Bahn-Chef, Tatort-Kommissare, Schüler und Lehrer, Journalisten, Sprachtalente und Sprachkrüppel.

 

Verlag:   Edition Tiamat

 

 

Presse

»Droste ist einer der besten deutschen Prosa-Autoren im unterschätzten Genre der kurzen Form, und weit mehr als einer der orthographisch-grammatikalischen Wutbürger.« Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung

»Über vernetzungssüchtige Menschen, Worthülsen, Seifenblasenphrasen und die It-Krankheit Burnout lässt sich Wiglaf Droste in seinem neuen, wunderbar zynischen Werk aus. Trocken und lebensnah hinterfragt er die absurden Anekdoten und Paradoxien des Alltags.« stern Wiglaf Droste

  

Der Autor

 

2003 wurde ihm der Ben-Witter-Preis zugesprochen, 2005 der Annette-von-Droste-Hiilshoff-Preis, 2013 der Peter-Hille-Preis.

Lesungstermine und weitere Informationen unter: www.tomprodukt.de

Zuletzt erschienen:

»Im Sparadies der Friseure«, Berlin 2009 »Auf sie mit Idyll«, Berlin 2011

»Sprichst du noch oder kommunzierst du schon«, Berlin 2012 »Liebe«, zusammen mit Nikolaus Heidelbach und Vincent Klink, Köln 2012

 

Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv Neue Sprachglossen

Englisch Broschur, 240 Seiten, 14.- Euro ISBN: 978-3-89320-175-4Edition Tiamat

Kritik


Titel Jens Rosteck Édith Piaf. Hymne an das Leben. Propyläen

 

Inhalt 463 Seiten über Édith Piaf – die Chanson-Legende Frankreichs, die von der Straßensängerin zur Chanson-Ikone reift

 

Autor Jens Rosteck ist Publizist, Kulturgeschichtler und promovierter Musikforscher und namhafter Biograph. Er lebt inzwischen in Nizza, seine Jahre

an der Seine währten von 1990 bis 2002. Er sagt jedoch von sich: ich bin immer sehr gerne in Paris.

 

Cover Édith Piaf natürlich im kleinen Schwarzen, mit knallroten Lippen und träumerischem Chansonblick

 

Gestaltung mit kleinen Schwarzweiß-Fotos sparsam bebildert aber umfangreich getextet, mit 14 Exkursen zu Chansons der Piaf (hier ist das Schriftbild etwas gewöhnungsbedürftig)– quasi ein Musik-Buch im Buch im Lebensporträt-  mit Zitatnachweisen und umfangreichen Anmerkungen, einer kommentierten Bibliographie- das komplette Repertoire gelistet, die Auftritte auf der Theaterbühne, inklusive Danksagung, Bildnachweis und Personenregister

 

Zitat aus dem Buch: "Piafs Faszinationskraft ist auch heute noch ungebrochen."

 

Meinung  Sie gehört zu Frankreich wie der Eiffelturm und die Marseillaise, als Studenten in Saarbrücken haben wir ihre Chansons auf den Plattenteller gelegt und immer und immer wieder gehört. Beeindruckt von der Faszination ihrer Stimme. Piaf beginnt in Wanderzirkussen und schmuddeligen kleinen Varietés ihre Karriere, zieht als Straßensängerin durch die Gassen von Paris, ihre Stimmgewalt grandios, ihre Lebensgeschichte ist es weniger, obwohl sie zum Chanson-Star wird. Unglückliche Männergeschichten, Krankheit, Drogenexzesse zeichnen ihrer Lebensschritte, die an die Lebenssubstanz gehen. Doch: "Non, je ne regrette rien." Rosteck gelingt eine umfangreiche detaillierte aber beeindruckende Biographie. Rosteck hat der Piaf ein Buch-Denkmal gesetzt, denn bisher hatte sich kein Autor an die Lebensgeschichte der Piaf gewagt.

 

Leser Frankophile, Chanson-Fanatiker, Paris-Fans, Straßenmusiker, Carla-Bruni-Freunde  

 

Verlag: Propyläen

 

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China die neue Weltmacht

 

Kritik

 

Titel Stefan Aust Adrian Geiges Mit Konfuzius zur Weltmacht Das chinesische Jahrhundert

 

Inhalt Auf kompakten 237 Seiten lesen wir eine Wegbeschreibung, wie China mit Konfuzius zur Weltmacht aufsteigt und warum die Euroländer sich auf ihren Wegen verirren

 

Autor Stefan Aust langjähriger SPIEGEL-Chefredakteur, Gründer von SPIEGEL TV und erfolgreicher Buchautor. Adrian Geiges langjähriger STERN-Korrespondent in Peking

 

Cover Das Konfuzius-Denkmal ragt aus den China-Wolkenkratzern heraus, der Einband in aggressivem gelb gehalten die Autorenzeile in mao-rot, die Hauptschlagzeile in weiß

 

Gestaltung lesefreundliche Schrift WEISS - die Buchinnendeckel zeigen China-Karten – leider nicht bebildert

 

Zitat aus dem Buch "Aber ein wenig könnte der Westen von China lernen, wenn er im 22.Jahrhundert noch mitreden will. In welcher Sprache auch immer."

 

Meinung  Dem Autorenduo ist ein spannendes Reportage/Analyse-Buch gelungen, dem es zusätzlich gelingt, die konfuzius-philosophischen Hintergründe der Erfolgsstory China aufzuzeigen. Wir lernen die Lehren des Weltphilosophen kennen, sehen wie Harmonie statt Klassenkampf die Gesellschaft prägen. Der Weg der neuen Weltmacht führt von der Werkbank der Welt zur Bank der Welt. Altkanzler Helmut Schmidt wusste es ja schon immer, China wird den Westen einholen, wenn nicht gar überholen. Das Konfuzius-Motto "Was du nicht selbst wünschst, das tue auch anderen nicht an" das irgendwie nach Kant, Max Weber und Helmut Schmidt klingt, müsste in den Vertragsunterlagen von Bankern umrahmt und fett gedruckt eingetragen sein zur ständigen Ermahnung. Konfuzius-Institute weltweit verbreiten heutzutage die Sprache und Kultur Chinas. Deutschland konzentriert sich in seiner philosophischen Auseinandersetzung leider nur auf Dirndl-und Sexismus-Debatten. Das Buch ist keine lockere Lobeshymne, blendet kritische Entwicklungen nicht aus und ermahnt die europäischen Länder die Politik des " Here goes nothing" zu überdenken. Lesenswert! Spannend geschrieben, klare Sprache, bildhafte Reportagen!

 

Leser Europa-Politiker und Europaskeptiker, David Cameron, Putin-und Russland-Freunde, deutsche Bildungspolitiker, Mao-Bibelleser, Reportagefans, Chinareisende, Wirtschaftsbosse, Hedgefondsmanager, Arbeitsrechtler und Angela Merkel

 

Verlag: QUADRIGA in der Verlagsgruppe Bastei Lübbe

 

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Günter Grass war bei der SS - ein spätes Buch-Geständnis

 

Und sagte kein einziges Wort – jahrelang – und nun fühlt er sich vom Medienecho zur Unperson gemacht. Grass fordert von den Kommentatoren das Buch genau zu lesen, wir haben es getan aber reden dürfen wir ja erst Anfang Septemberr darüber, dann wenn der Steidl-Verlag in Berlin zum Erstverkaufstag und zur Programmpremiere im Berliner Ensemble die Blechtrommel rührt und erneut das Zwiebelgericht auftischt.

Die Medienreaktion ist positiv wie negativ gewaltig und Grass vermeidet es im Augenblick weitere Kommentare abzugeben. Könnte gut sein, dass er seine Einsilbigkeit bei Ullrich Wickert in der neuen Buchsendung aufgibt. Denn Grass weiß selbst als Handwerker am besten, klappern gehört dazu, dass sich die Bundeskanzlerin nicht äußert wird er verschmerzen.

„Ich schwieg“ sagt Grass, wenngleich nun in der Presse wortreich daherkommt, was schon einmal von einem rechten Außenseiter und SS-Mitglied Schönhuber auf den Buchmarkt geworfen wurde, mit dem Buchtitel ICH WAR DABEI. Und nun also das Eingeständnis von links, das 61 Jahre nach dem Krieg im Jahre 85 des streitbaren GG längst hätte öffentlich eingestanden werden können. Aber Biographien haben es nun einmal an sich, erst zum Lebensende hin zu erscheinen. Aber sagen sie uns immer die Wahrheit: selbst Grass gesteht Im FAZ-Interview und auch im Buch ein: wir beschönigen, wir dramatisieren, wir sprechen und schreiben in Anekdoten, nicht auf Wahrheitspolstern gebettet. Darf ein Moralist sich irren, wenn er falsch handelt, jawohl, wenn er es mit der Wahrheit ernst nimmt und die Karten auf den Tisch legt. Fast hat man den Eindruck Grass kokettiert immer noch mit den Einzelheiten, über die sich jetzt so schwer reden lässt, so lange Sperrfristen es verbieten. Bei der Waffen SS waren vor Kriegsende fast 900 000 Millionen Menschen. Auch ihnen bleibt der Makel. Dass er sich freiwillig meldete zu den U-Booten und bei der SS- landete teilt er mit vielen anderen Deutschen. Ob es Untaten gab, werden Historiker zu prüfen haben.

Einstweilen werden der Worte genug gewechselt zwischen Ich steh Dir bei- Statements von Schriftstellern, Historikern und Hysterikern, die im Medienhype wieder vorverurteilen bevor die Buch-Kapitel Wort für Wort in der Öffentlichkeit sind. Redet nicht so viel über Grass meinte eine Pressedame eines großen Frankfurter Verlages, das ist genau das was Grass will. So funktioniert die Selbsterregungsgesellschaft, die sicher wie das Amen in der Kirche in einem Vierteljahr vergessen haben wird, was sich gerade abspielt. Trennen wir die Person, den Schriftsteller und den Moralisten. Als Mensch ist Grass zu loben, weil er offen ausspricht, dass auch er dem Faszinosum Hitler erlegen war. Auch Schriftsteller-Kollegen wie Erich Loest haben das allerdings frühzeitiger bekannt. Der Schriftsteller und sein Werk werden wohl kaum beschädigt werden.

 

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Porträt Konstantin Wecker -

Die Kunst oder Gunst des Scheiterns


Konstantin Wecker wollte im Irak einen Krieg verhindern. Ist gescheitert, Wecker der Ewigscheiternde aber Rechtbehalter.

Auch Kriege und amerikanische Präsidenten können scheitern. Aber Wecker will sich von der eigenen Ohnmacht nicht dumm machen lassen. Wecker der Idealist möchte, dass sich die Politik der Poesie beugen wird. Was ist der Stoff aus dem seine Töne, Texte und Träume sind? Ich bin zum Bänkelsänger geboren, sagt Wecker über sich. Vagabund, Räuber, Sexfilmdarsteller. Knastbruder, Studien-Abbrecher in Musikwissenschaft, Psychologie, Germanistik.

Wecker eben der Sprunghafte. Konstantin der Große sagt über sich, er sei ein miserabler Geschäftsmann. Er kaufte sich einen bodenlangen Nerzmantel, fuhr im goldenen Firebird davon, öffnet ein Szenelokal, das Kaffee Giesing häuft drei Millionen Mark Schulden an, macht pleite, nimmt Drogen, wird wegen Kokainmißbrauchs verhaftet. Wecker empfindet die ewige Sehnsucht nach dem ganz anderen...

Georg Trakl geprägt, von der Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts. Ja, das hätte ihm genügt das Leben in Freiheit verbringen, allein der Poesie, der Schönheit des Lebens und der Musik dienend: ER liebt die Melodie mehr als Rhythmus -

Wecker Toskana-Fan, der Bänkelsänger, Songwriter, Klavierrocker. Wecker, der verhinderte Operntenor. Konstantin Wecker schreibt Musicals, Filmmusiken, rockt gegen rechts, bekommt den deutschen Kleinkunstpreis, scheibenwischert, wirkt besessen und befreit zugleich. Aus seinem Privatarchiv gibt er mir bei einem Interview einen Privat-Mitschnitt. Wecker vor dem Stimmbruch:Wecker begreift das Leben als eine Kette von Niederlagen

Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern sagt Samuel Beckett. Dieses Motto stellt Wecker seinem Buch DIE KUNSTDES SCHEITERNS vorweg. Dennoch Wecker ist und bleibt auch der erfolgreiche Promigutmensch

Konstantin Wecker Die Kunst des Scheiterns Piper Verlag München 2009


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Wolfgang Kraushaar 68 Eine Bilanz
Propyläen

Für Joschka Fischer war die 68er Bewegung eine "Freiheitsrevolte." Für den Politologen Claus Leggewie, eine "glücklich gescheiterte Revolution", Alt-Kanzler Helmut Schmidt schimpft: "das war eine Massenpsychose." Der Politologe Richard Löwenthal empfand den Aufruhr als "romantischen Rückfall" und der Soziologe Raymond Aron reduzierte den Protest auf "Karneval". Keine Generation ist so facettenreich analysiert worden wie die "68er". Für Wolfgang Kraushaar handelt es um einen "ambivalenten Ereigniszusammenhang". Für Wolfgang Kraushaar war das Aufbegehren einer ganzen Generation keine "nationale Revolution" – vielmehr eher eine Jugendrevolte mit der Tendenz zum verkappten Nationalismus. Kraushaar behauptet: die revolutionäre Machtergreifung war eine Fiktion, in Wirklichkeit hatte die Bewegung Ausformungen totalitären Größenwahns? Kraushaar legt viele Daten und Fakten vor. In seinem Buch überzeugt Kraushaar durch die schlüssige Aufteilung der Kapitel vom Kulturkampf und der Sprachverwirrung, den 68er Mythen, den Kampagnen, der Sektenbewegung bis hin zur Revolutionsromantik, die in der Bewegung steckte. Kraushaar hat ein sehr differenziertes, umfangreiches faktenorientiertes Buch vorgelegt. Die Studentenrevolte splittert sich am Ende auf in: Polit- und Psychosekten - die Bürgerinitiativbewegung, Terrorgruppen und sogenannte Bewegungsfermente (Kraushaar), die neue Frauenbewegung - die Ökologiebewegung und in eine neue Partei: Die Grünen. Sein Fazit: "68" öffnete die Türen zu einer subjektbestimmten Modernität der Gesellschaft einerseits und zum TERRORISMUS andererseits.
Kraushaar bietet: das "Doppelgesicht" der 68er.

 

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Peter Schneider
Mein 68
Kiepenheuer und Witsch


"68" ja, das war die Zeit, als Papierlampions an den Studentendecken hingen und Bücherregale auf Backsteinen in den WGs aufgerichtet waren, als Lehrer vergaßen, den Nationalsozialismus im Unterricht zu behandeln und "Heintjes Mama" aus den Radios schallte. "Der Muff unter den Talaren im Elfenbeinturm", der Vietnamkrieg im Gang war, die Notstandsgesetze in der Debatte und auf dem Plattenteller Bob Dylan und die Doors ihre Runden drehten. Nur Regelverletzungen schafften es, als mediales Ereignis wahrgenommen zu werden. 1968 da waren Pflastersteine auch Argumente, und die Theoriedebatte produzierte Wortkaskaden, mit denen die ältere Generation nichts anzufangen wusste. Peter Schneider gehörte zum Kern der aufrührerischen Studenten, neben Rudi Dutschke und Bernd Rabehl.

Mit sich und seinen Genossen rechnet er in seinem Buch heftig ab – eine Art Selbstanklage und Selbstkritik. Spannend an diesem Buch: Schneider tritt über seine Tagebuchaufzeichnungen mit sich selbst in einen Dialog und er kommt am Ende jedoch zu der Erkenntnis, nicht die 68er, sondern die nicht rebellierende Mehrheit sei in Erklärungsnot. 68er sein hieß: T-Shirts tragen mit Chefaufdruck, Spiegel lesen und lockersein, bereit zum Happening und scharf auf Popart, Beatles, Stones und Janis Joplin. Phantasie wollte an die Macht: Schneider schrieb zuerst Wahlreden für SPD-Initiativen. In seinem Buch weist er auf die amerikanischen Wurzeln der Bewegung hin, die Befreiung der schwarzen Bevölkerung und Anti-Vietnamaktionen. Es gelingt ihm in dem Buch, den Leser in die innersten Gedankenwelten eines 68ers zu führen, in die Phantasien über Systemveränderung, die Machtwahnvorstellungen, die den einen oder anderen auch auf die Psychiater-Couch brachten. Sein persönliches Fazit: es war eine schöne und schreckliche Zeit. Ein 68er-Lebenslaufbuch, mit Selbstzweifeln und Liebesbeziehungen angereichert.
Das literarische 68er Buch.

 

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Reinhard Mohr
Der diskrete Charme der Rebellion
Ein Leben mit den 68ern
WJS Wolf Jobst Siedler


"Es lebe die Weltrevolution und die daraus entstehende Gesellschaft freier Individuen." So zitiert Reinhard Mohr das Grundbekenntnis der Studenten. Die praktische Umsetzung war verquast: "Der städtische Guerillero ist der Organisator schlechthinniger Irregularität als Destruktion des Systems der repressiven Institutionen." Verstanden? Konkret empfanden sich die Studenten als eine kleine radikale Minderheit und sie wollten das System verändern. Aus der Gewalt gegen Sachen wurde allerdings auch Gewalt gegen Personen, um Veränderungen in der Gesellschaft hervorzurufen. Ganz zuletzt verirrten sich Sektierer dann im Terrorismus. Reinhard Mohr hat Wortwitz, bedient sich der SPIEGEL-Sprache. Überhaupt die Rolle des Mediums, der Kamera, der Presse, der illustrierten Magazine war wichtig, spielte bei 68 als Wirkungsmechanismus eine große Rolle. Das Hauptverdienst der 68er: sie wollten die Zusammenhänge verstehen.

Und heute: die Latte-Machiato-Generation spielt wieder Klavier, geht in die Oper, trägt Tanzkleidchen, ist brav zum Chef und kümmert sich um Karriere und weiß alles vorher schon, kennt nur keine Zusammenhänge mehr und ist komplett a-historisch, nutzt aber gerne die Ergebnisse von 68: Kinderladen, Wohngemeinschaften Stadtteilgruppen, Szenecafés, Zeitungskollektive, legere Klamotten und Alternativblätter - eben die Liberalisierung und Modernisierung von Gesellschaft.

Mohr macht aber auch die Gewaltperspektive der Straftaten auf: Hausfriedensbruch-Nötigung - Beleidigung - Verunglimpfung ausländischer Staatsoberhäupter, Sachbeschädigung, Aufforderung zu Straftaten und Körperverletzung bis hin zum Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Dennoch: Mohr empfindet und vermittelt sie auch: Sympathien zu 68, beschäftigt sich aber ebenso mit deren Widersprüchen. Am Ende wandelt sich der Protest dann zum Marsch durch die Institutionen. Und heute? Die 68er lieben wieder Oper und Literatur, forschen als Historiker, schreiben Bücher über Schiller oder sitzen in Rundfunkanstalten oder im Europaparlament. Mohrs Buch zeugt von kritischer Sympathie des Nachgeborenen, er liefert einen spannenden Blick zurück in die Zeit der Söhne und Töchter als "der Protest laufen lernte."

Fazit: Ein journalistischer Zugang zum Thema. Hervorragend formuliert und ausgezeichnet bebildert.

 

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Norbert Frei
1968 Jugendrevolte und globaler Protest
dtv


Norbert Frei`s 68er-Analyse ist sachlich und historisch. Seine Analyse-Ausgangslage: Der globale Protest, im Osten wie im Westen - in den USA die Befreiungsbewegungen der schwarzen Bevölkerung, die unruhigen Universitäten und Sponti-Künstler, der tobende Vietnamkrieg und die wachsende Kapitalismuskritik weltweit. Und in Deutschland sind die Wurzeln der Protestbewegung: die autoritären Strukturen in den Institutionen – Kritik an der NS-Generation, die Notstandsgesetze, Pressekonzentration, der Springer-Konzern, Medienmanipulation durch BILD, Beat-Musik, Sex, Drugs and Rockn‘ roll und der Tod von Benno Ohnesorge.

Norbert Frei bietet ein historisches Rundumpanorama der 68er, deren Bewegung lange vor 68 startet. Für den Historiker Norbert Frei ist "68" mehr das Lebensgefühl einer Generation – aber eben weltweit gleich gelagert – Emanzipation, Partizipation und Transparenz in Politik und Gesellschaft das sind die Errungenschaften der Protestgeneration. "Theres a whole Generation with a new explanation, heisst die Liedzeile in ScottMc Kenzies San Francisco-Song. Sein Fazit: Nach 68 war nichts mehr so wie vorher. Die 68er haben Gesicht und Mentalität der Republik nachhaltig verändert. Ein Buch mit internationalem Blickwinkel, klug komponiert, historisch gründlich, dabei nicht staubig und trocken, sondern flott und reportagehaft geschrieben.
Das historisch fundierte Buch zu der 68er-Generation
Meine eigene Schlussfolgerung: 68 war der politische Humus für die folgenden Reformbewegungen weltweit. Die West-Protestler wollten den Umsturz und veränderten nur die VERHÄLTNISSE und der Ost-Protest wollte Veränderung der sozialistischen Verhältnisse erreichte aber mehr: den UMSTURZ." heißt es in Scott Mc. Kenzies San-Francisco-Song 1968 war Erklärung, Veränderung, aber kein Umsturz.

 

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Der Friede war es noch nicht, aber der Krieg war hier aus.
Bücher zum 8. Mai 1945

Aus der Fülle der Buchveröffentlichungen zum 8. Mai greife ich fünf Neuerscheinungen heraus, die sich jeweils von der Darstellungsmethodik komplett unterscheiden und in ihrer eigenen Charakteristik wirken. Da ist zunächst einmal PEN-Präsident Winfried Schoeller, der in seinem Buch DIESE MERKWÜRDIGE ZEIT - LEBEN NACH DER STUNDE NULL in der Edition Büchergilde einen hochinteressanten Sammelband herausgebracht hat, in dem er die authentischsten Texte aus der NEUEN ZEITUNG versammelt hat, die wichtigste Nachkriegszeitung, von den Amerikanern herausgebracht, in der die wichtigsten literarischen Größen der Nachkriegszeit geschrieben haben. Die Namensliste liest sich wie ein Stück Literaturgeschichte Andersch, Brecht, Frisch, Heym, Jaspers, Kästner, Kogon, Mann, Zuckmayer. Ein Forum für Intellektuelle die in dieser Zeitung Alltagserfahrungen, Grundsätzliches mit Tagespolitik mischten und sich in der Nachkriegszeit ein Millionenpublikum eroberten.Ein Buch zum Blättern, Schmökern, Nachlesen, sich einfinden in dieser STUNDE NULL ZEIT – als die Demokraten laufen lernten.

Im zweiten Buch finden wir die Aufzeichnungen eines Rotarmisten erschienen im Aufbau-Verlag Wladimir Gelfand hat in seinem DEUTSCHLAND-TAGEBUCH die Jahre 45/46 dargestellt. Im Frühjahr 1942 hatte er sich zur Roten Armee gemeldet. Das Buch ist besonders hervorzuheben, weil es eine andere Perspektive auf die Kriegs- und Nachkriegszeit eröffnet und beweist, dass Kontakte russischer Soldaten zur Zivilbevölkerung nicht allein in Unterdrückung, Gewalt, Vergewaltigung und Verschleppung mündeten wie Hubertus Knabe es in seinem Buch zum 8.ten Mai zum Tag der von ihm angezweifelten Befreiung so drastisch formuliert hat. In einem Nachwort wird das Leben des Rotarmisten zusammengefasst.

Erfahrungen..als die Freiheit laufen lernte. Ein Buch für Leser, die einen ungewöhnlicheren Zugang zum Thema 8.Mai finden wollen.Egon Bahr hat ein Vorwort zu dem Buch geschrieben, das im jungen Wolf Jobst Siedler Verlag schon vor geraumer Zeit erschienen ist. TAGE DES ÜBERLEBENS BERLIN 1949 von Margret Boveri. Ein journalistischer Frauenblick auf die Nachkriegszeit. Tod, Hunger, Vergewaltigung, Hoffnung, Enttäuschung, Glück, Überleben – es ist eine eindrucksvolle Chronik vom Ende des Reichs und den Tagen des Neubeginns, geschrieben von der bedeutenden politischen Journalistin jener Zeit.Genaue Beobachtung, journalistische Analyse, mit Kritikfaktor. Geschrieben von einer Auslandskorrespondentin, die für die Frankfurter Zeitung in Stockholm, New York und Lissabon gearbeitet hat. Berliner Perspektive auf den 8. Mai – auch für Egon Bahr-Fans geeignet. Schöne ansprechende Buchtitel- und Umschlagsgestaltung

Ebenso bei WOLF JOBST SIEDLER erschienen: BOMBEN, TRÜMMER, LUCKY STRIKES – DIE STUNDE NULL IN MANUSKRIPTEN. Alle Texte wurden 1948 geschrieben und sind Erstveröffentlichungen. Herausgegeben von Peter Kruse. Die Autoren: Schriftsteller, Bürgermeister, Ärzte, Techniker, Journalisten, Trümmerfrauen. Sie berichten vom Untergang bis zum Wiedererwachen einer Stadt. Ein Großstadt-Bild über Berlin - Mit schwarzweiß-Fotos. Der berühmte Kritiker Friedrich Luft fasst es treffend zusammen: Der Friede war es noch nicht, aber der Krieg war hier aus.

Das letzte und fünfte Buch, das ich Ihnen zum 8. Mai empfehlen möchte hat Reportagecharakter und ist im Piper Taschenbuch-Verlag erschienen – OSMAR WHITE. DIE STRASSE DES SIEGERS. Der Autor ist Kriegsreporter- er schließt sich der 3. Armee General Pattons an – er marschiert mit den Amerikanern ins geschlagene Deutschland ein und verfolgt, wie die Sieger mit Besiegten umgehen.Persönliche Beobachtungen - Reflexionen – Fotos inclusive. Eine embedded-Reportage eines Amerikaners.

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Andreas Baader – ein deutscher Terrorist

Andreas Baader, der RAF-Terrorist, Macho mit Wirkung auf Frauen, selbsternannter Revolutionsführer - ohne festen Ideologiehintergrund. Aber strategisch denkend und der Public Relations-Experte der Terroristengruppe. Eine schillernde Figur – ein Staatsfeind – ein Gefängnisinsasse und Selbstmörder. Es ist die erste umfassende Biographie über den unbestrittenen aber umstrittenen Kopf der RAF, der 1943 in München geboren wurde und 1977 in Stammheim Selbstmord beging. Vorgelegt von den beiden Autoren: Klaus Stern – er ist Dokumentarfilmer. Und Jörg Herrmann, er arbeitet als Theologe und Publizist. Die Biografie beschränkt sich auf das Leben des Staatsfeindes: Andreas Baader im Fokus, das Buch will also nicht die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der RAF nacherzählen wie das vielfach und gründlich bereits getan worden ist. Wie neuerdings auch wieder von Wolfgang Kraushaar als Herausgeber in einem zweibändigen Werk mit dem Titel „DIE RAF UND DER LINKE TERRORISMUS".

Zurück zu Baader. Erst nannte er sich antiautoritär, doch dann wirkte er diktatorisch. Andreas Baader, geboren 1943 in München, wurde 1977 wegen vierfachen Mordes und mehrerer Mordversuche zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach der gescheiterten Entführung der »Landshut« auf dem Flughafen in Mogadischu, mit der die Freilassung von 11 RAF-Häftlingen erpresst werden sollte, beging er im Gefängnis Stammheim mit seinen Zellengenossen Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe Selbstmord.

Zitat aus dem Buch: „Der genaue Hergang ist allerdings bis heute im Dunkeln geblieben. So konnte zum Beispiel der Todeszeitpunkt in keinem der drei Fälle bestimmt werden. Die Mediziner wurden einfach zu spät zu den Leichen vorgelassen."Erstmals äußern sich in diesem 400-Seiten Paperback-Buch Zeitzeugen, Menschen aus dem privaten Umfeld Baaders und aus seiner Familie, etwa die Tochter von Andreas Baader und Ello Michel.

Die beiden Autoren haben sich die Arbeit geteilt – im ersten Teil schildert Klaus Stern Kindheit und Jugend des Andreas Baader, seine Zeit in Berlin, die Umstände der Kaufhaus-Brandstiftung bis zur Flucht aus dem Gefängnis und dem Abtauchen in den Untergrund. Jörg Hermann widmet sich im zweiten Teil des Buches den Gefängnisjahren und dem Geiseldrama und die Entführung der Lufthansmaschine „Landshut", die mit der Befreiung der Geiseln in Mogadischu ihr glückliches Ende fand. Das Buch ist eine lebendige Chronik über „Deutschland im Herbst", es beschreibt die politischen Wetterbedingungen jener „bleiernen Zeit" des Terrorismus im eigenen Land.

Die Quellen der Autoren sind neben den Akten des Instituts für Sozialforschung auch Befragungen des unmittelbaren Umkreises von Andreas Baader.

Die längst überfällige Biografie des Andreas Baader und die Geschichte der ersten RAF-Generation, kommt rechtzeitig zum 30. Jahrestag des »Deutschen Herbst« . Mit zahlreichen bisher unbekannten Dokumenten und Fotos. Wir finden in dem Buch abgedruckt Briefe aus dem Gefängnis, Instruktionskassiber und auch Liebesbotschaften zwischen Andreas Baader und Ello Michel, seiner Geliebten, sie wurden den Autoren zugänglich gemacht. Zitat: „Er wurde gehasst oder geliebt, man fand ihn abstoßend oder man mochte ihn." Hinzu kommen zahlreiche bisher unveröffentlichte Fotos aus den Kinder- und Jugendtagen wie aus Untergrund und Gefängnis.

Wer also war Andreas Baader heißt es im Epilog? „Andreas Baader war von Anfang an umgeben von der Aura der Gewalt. Darin lag und liegt mit Sicherheit ein zentrales Moment seiner Faszination"Fazit der Autoren: „Erstaunlich ist, wie lange die RAF existiert hat, vor allem wie lange sie noch aktiv war, nachdem sich längst gezeigt hatte, daß mit Bomben keine Revolution herbeizuführen war." Eine klare Struktur des Buches, die auch dem Nicht-Zeitgenossen, die Hintergründe und Chronik der laufenden Ereignisse des Terrors erhellt.Ein Buch - übersichtlich gestaltet, Quellenvielfalt bietend und eine höchst interessante Fotodokumentation.

Jörg Herrmann/Klaus Stern
Andreas Baader.
Das Leben eines Staatsfeindes (Broschiert)
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100 Jahre Piper-Verlag

Am 19. Mai 2004 wurde der Piper Verlag 100 Jahre alt. Aus diesem Anlass erschien eine umfangreiche und großzügig bebilderte Verlagsgeschichte, die die Münchner Literaturwissenschaftlerin Edda Ziegler geschrieben hat. Der Verlag brachte zudem im Mai 2004 ein optisch ungewöhnlich gestaltetes eigenes Jubiläumsprogramm heraus, das sieben Hardcover-Titel und 22 Taschenbücher umfasst. Über die wichtigsten Stationen des Verlags informiert die folgende kurze Piper-Geschichte.

Norbert Schreiber kommentierte:

Interessiert es einen Leser wirklich, ob ein Buch bei S. FISCHER, Suhrkamp, Rowohlt, Ullstein oder Piper erschienen ist? Die Namenskürzel der Verlage sind meist als Logo auf den Innenseiten der Buchdeckel abgedruckt. Sie sind zwar die Herkunftsbezeichnung für Geistesprodukte, aber was heißt das schon in unübersichtlichen, sinnsuchenden Zeiten. Die Verlage sind doch heute in großen Konzernen untergekommen, der alte Verlegerverlag mit den Patriarchen an der Spitze gehört längst der Vergangenheit an. Und die Kostenkontrolleure und Renditehaie bestimmen häufig genug das Verlagswesen. Wenn ein Verlag wie Piper 100 Jahre alt wird, dann ist natürlich die Verlegergeneration der Pipers zu würdigen, aber doch mehr noch die Geschichte der Bücher, die sie erfolgreich auf den Markt gebracht haben. Es sind Markenprodukte, die eine politische, kulturelle Geschichte dieser Republik geprägt haben. Am 19.Mai 1904 startete der Buchhändler Reinhard Piper seinen Verlag in München, und er wollte Bücher machen, die er selbst gerne lesen würde. Was für ein egoistischer Anspruch, wo doch Medienmacher unserer Tage allerorten behaupten: der Wurm müsse dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Verlegerkollege Samuel Fischer formuliert es pädagogischer: „Dem Publikum neue Werte aufzudrängen, die es nicht will, ist die schönste und wichtigste Mission des Ver-legers.“ Die Geburtsstunde des Kultur- und Publikumsverlages lag also kurz nach der Jahrhundertwende Samuel Fischer, Kurt Wolff, Ernst Rowohlt, die Kippensbergs und Eugen Diederichs, Albert Langen und Georg Müller bestimmten die Gründerjahre. Mit den Liedern auf einer alten Lautete startete der Verlag sein Programm. Mit dem ersten Band DIE DÄMONEN publiziert Piper eine deutsche Dostojewskiausgabe, die zwar zunächst wie Blei in den Regalen liegt, aber langfristig die Dostojewski-Rezeption eingeleitet und durchgesetzt hat, wie die Autorin Edda Ziegler schreibt. Sie lehrt neuere deutsche Literatur an der Universität München und Buchwissenschaft. Sie ist zugleich Begründerin der buchwissenschaftlichen Studiengänge in München und wirkt im Projekt Manuskriptum mit, lehrt also Kreatives Schreiben.

Sie hat sich bereits mit dem Heine-Verleger Julius Campe beschäftigt, Untersuchungen zur Buchgeschichte im 18. 19.und 20. Jahrhundert vorgelegt. Mit einer Heine-Biographie und einem Werk über Theodor Fontane wurde die Autorin bekannt. Es gelingt ihr, eine durchaus farbige Buchgeschichte vorzulegen, sowohl im gut lesbaren Text als auch in der optischen Gestaltung des Buches, das im Klarsichtfolieneinband für Piper überraschend flott daher kommt und einen guten Überblick über das Verlagsgeschehen eines Jahrhunderts gibt. Legendär Pipers Kunstprogramm. Das Buch DER BLAUE REITER herausgegeben von Franz Marc und Wassily Kandinsky schreibt Kunstgeschichte. Piper begründet als Verleger seinen Ruf als Verleger von Gegenwartskunst. Mit Schopenhauer und Buddha wagt Piper sich in den Bereich der Philosophie. Piper verlegt Karl Jaspers, legendär dessen Buch WOHIN TREIBT DIE BUNDESREPUBKIK. Hannah Arend ist im Programm, die Literatin Ingeborg Bachmann. Und damit deutsche Gegenwartsliteratur. Mit Giuseppe Tomasis LEOPARD, der bis heute 700 000 mal verkauft wurde, entdeckt Piper die italienische Literatur für Deutschland. Aber auch für Bestseller hat der Piper Verlag ein Händchen. Frederik Forsythes DER SCHAKAL macht den Autor weltweit bekannt. 1,7 Millionen Mal wurde bis heute Alexandro Baricos Welterfolge NOVECENTO verkauft. Auch der Titel OCEANO MARE beflügelt die Erfolge des Piperverlags. Ob DIE ACHT TODSÜNDEN DER ZIVILISIERTEN MENSCHHEIT von Konrad Lorenz, Watzlawicks ANLEITUNG ZUM UNGLÜCKLICHSEIN, Nadolnys

ENTDECKUNG DER LANGSAMKEIT oder Lothar Günther Buchheims Kriegsdrama DAS BOOT – in 14 Sprachen übersetzt - drei Millionen verkauft - sind Sellererfolge. Mit Hans Küng hat Piper einen weiteren Erfolgssellerautor mit internationalem Renommee. Mit Yehudi Menuhin und Alfred Brendel erschließt sich auch das Musikleben als verlegerisches Thema. Der Verlag wandelt sich zusehends vom Familienverlag zum Publikumsverlag, gerät aber in das Generationenproblem. Auch bei Piper wird die Erbfolge zum Verlagsproblem, schließlich geht der Familienverlag an die Verlagsgruppe Bonnier. Mit dem letzten großen Publikationserfolg Mit STUPID WHITE MAN von Michael Moore führte Piper monatelang die Sachbuchbestsellerliste an. Zum 100.Geburtstag des Verlags erschien ein eigenes Jubiläumsprogramm mit acht Titeln im Hardcoverbereich und 22 Taschenbüchern in der Serie Piper. Das schön illustrierte Buch, sauber in mehrspaltigem Satz gesetzt, dokumentiert ein Stück Geistes- und Zeitgeschichte dieses Landes, ohne zu aufdringlich von den Erfolgen zu sprechen, ohne die kritische Verlagsentwicklung zu unterdrücken, eine repräsentative Visitenkarten des Verlages, die man gerne annimmt. Es bleibt noch die Eingangsfrage zu beantworten - welcher Leser hat etwas davon? Wer hinter Buchkulissen blicken will, das Entstehen von Büchern gerne begleitet, die Erfolgsbücher des Piperverlages gelesen hat – wer sich für alte Verleger p e r s ö n l i c h k e i t e n interessiert, wer sich für Irr- und Erfolgswege von Büchern begeistern kann, wer Thoma und Thomasi, Buchheim und Bhudda, Wedekind und Watzlawik gerne verschlingt, wer Literatur, Kunst, Philosophie, Musik vom Entstehungsprozess her begreifen will, sollte diese Verlagsgeschichte in die Hand nehmen. Und frei nach einem Erfolgsbuch bei Piper wollen wir einen weiteren PIPER - Buchtitel auf Sie als Leser übertragen: WAS EINSTEIN SEINEM FRISEUR ERZÄHLTE: wenn sie diese Verlagsgeschichte gelesen haben, dann haben auch sie etwas zu erzählen. Und nicht nur beim Hairstylisten.

Edda Ziegler
100 Jahre Piper
Piper Verlag 2004

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Beitrag zum Thema Verlagsgründungen

Auf eines kann man sich in der Buchbranche verlassen, die Pressesprecherinnen und - sprecher wechseln manchmal so schnell ihren Job wie die Besitzanteile an einem Verlag die Besitzer wechseln. Dass aber gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zwei Neuverleger mit einem neuen Verlag am Markt antreten, ist außerordentlich ungewöhnlich. Der Unbekanntere heißt Berenberg, der bekanntere Wolf Jobst Siedler junior.

Der wjs Verlag von Wolf Jobst Siedler will in Zeiten der großen Konzernverlage an die Tradition der kleinen Verlage anknüpfen. Sein Vater hatte vor 20 Jahren in Berlin den renommierten Siedler Verlag gegründet. Der Vater tat es – der Sohn nun auch. Sich ins Risikogeschäft Buchmarkt zu begeben.

„Eigentlich ist daran gedacht....Es ist mehr Hoffnung als Mut"

Von den vier Titeln befassen sich zwei mit dem Kriegsende in Berlin das Buch von Sonja Margolina beschäftigt sich mit dem Thema WODKA- Trinken und Macht in Russland und weil das Malochen am Arbeitsplatz in der globalisierten Welt überall wie selbstverständlich genommen wird, veröffentlicht der Verleger den Titel von Eberhard Straub:“ Vom Nichtstun – leben in einer Welt ohne Arbeit.“

Berenberg will mit dem neuen Verlag das Eigenwillige, Anspruchsvolle vom üblichen abweichende Programm bieten:

O-Ton „Ich mache....Essayes von berühmten Autoren

Die Bücher sind klein handlich – und nicht zu lang. Berenbergs wichtigster Titel setzt sich mit dem Laster auseinander

ZIGARETTE –Leben mit einer verführerischen Geliebten heisst der Titel von Christina Peri Rossi.

Woher holen die beiden Verlagsneugründer den ICH-AG-Mut gegen die großen Buchkonzerne wie etwa Randomhouse anzutreten.

O-Ton Besser werden die Zeiten sowieso nicht mehr...

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Günther Wessel Die Allendes Campus

Es gibt Familien, deren Namen prägt man sich einfach ein: die Kennedys etwa oder die Allendes. Die Allendes, sagt der Autor Günther Wessel sind die Kennedys Lateinamerika. Salvador Allende – das Symbol für Freiheit und Demokratie in Chile wird 1970 zum Präsidenten gewählt und alle Hoffnungen auf Veränderung, Demokratisierung, Wirtschaftsfortschritt verbinden sich von nun an mit dem Namen Allende. Der demokratische Traum zerplatzt jäh, drei Jahre später, als General Pinochet gegen Allende putscht.

Es ist die Intelligenzija, die in den chilenischen Gefängnissen verschwindet. 3000 Menschen werden umgebracht, 10 000 gefoltert. Das Militär zerbombt den Palast des Präsidenten. In einem Satz von Allendes letzter Rede an sein Volk steht das Kernbekenntnis des aufrechten Demokraten Allende:

„ Die Geschichte gehört uns, sie wird vom Volk gemacht. Eher früher als später werden sich die großen Alleen öffnen, durch die freie Menschen schreiten werden, um eine bessere Gesellschaft zu errichten. Günther Wessel ist Journalist und Autor, er lebt und arbeitet in Washington DC. Er hat in seinem familienbiografischen Buch der Familie Allende ein kleines Denkmal gesetzt – mit Stammbaumgrafik im Inneneinband - mit Literaturteil und Zeittafel. Er beschreibt eine Familie die Geschichte macht – er skizziert den Politiker Allende und seine Vorfahren, er beschreibt die Karriere der Schriftstellerin und Nichte des Politikers Isabel Allende. Revolutionäre Träume und Taten Allendes konfrontiert er mit den Putschereignissen, er zeichnet die Legende und die Opfer nach, berichtet über die Exilsituation der Familie und der Schriftstellerin. Das Schlusskapitel trägt den klaren Titel:„Die Familie wurde total zerstört.“ Das Buch ist eine Familiensaga. Fotos zeigen den brennenden Regierungspalast, den Abtransport der Leiche Allendes, wir sehen Tochter und Nichte des Präsidenten und das geschichtsträchtige Foto Allendes neben seinem Widersacher und Nachfolger Augusto Pinochet: Isabel Allende wird auf einen Schlag weltweit bekannt durch ihren Roman DAS GEISTERHAUS, in dem sie die Konflikte ihres Landes darstellt. Das Geisterhaus wurde ein Welterfolg – in Chile war das Buch dagegen verboten.

Noch heute, am Jahrestag des Putsches – am 11.September – hallen die Schlachtrufe der Studenten durch die Strassen Chiles. Und Chile heute? Seit 1990 ist das Land zur Demokratie zurückgekehrt. Günther Wessel hat alle Anverwandten für dieses Buch interviewt, mit der Ausnahme von Allendes Witwe Hortensia Bussi de Allende. Sie sagt „Ich habe so oft darüber gesprochen, ich will nicht mehr, ich bin müde.“Am Schluss des Buches äußert sich eine Cousine Allendes, die immer noch in der sozialistischen Partei aktiv ist: „Der Name Allende bedeutet eine große Verantwortung – er kann aber auch eine Last sein.“


Günther Wessel
Die Allendes
Gebundene Ausgabe
Verlag: Campus Sachbuch
Frankfurt 2004

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Der europäische Traum

 

Amerika Du hast es besser, sagt Johann Wolfgang Goethe. Nein, widerspricht Jeremy Rifkin, die Supermacht der Zukunft wird Europa sein, die heute zwar noch eine leise ist, doch langfristig besser auf Anforderungen einer komplexer werdenden Welt reagieren kann. Die inhumane Sozialpolitik im Inneren und die aggressive Außenpolitik nach außen seien nicht zukunftsfähig. Rifkin interpretiert Europa als gigantischen Laborversuch, der europäische Traum stelle die Gemeinschaftsbeziehungen über die individuelle Autonomie, kulturelle Vielfalt über Assimilation, nachhaltige Entwicklung über unbegrenztes Wachstum, Lebensqualität über die Anhäufung von Reichtum, spielerische Entfaltung über ständige Plackerei bei der Arbeit, die universellen Menschenrechte und die Rechte der Natur über Eigentumsrechte und globale Zusammenarbeit über einseitige Machtausübung. Eben, weil die Europäer kollektiv denken und handeln würden, in gemeinschaftlichen Bezugrahmen und nicht individualistisch auf Inseln lebend wie die Amerikaner. Der europäische Traum setzt auf persönliche Veränderung und nicht auf Reichtumsanhäufung, eine von Idealismus motivierte Zukunft stehe bevor. Im amerikanischen Traum ist Freiheit mit Autonomie verbunden. Autonom - reich - begütert - frei! Der Europäer: ist eingebunden, wechselseitige Beziehungen, offene Gemeinschaften, Amerikaner sind auf Arbeit, Europäer auf Freizeit fixiert. Europäer wollen ihre europäischer kulturelle Identität bewahren, ihr europäischer Traum ist kosmopolitischer nicht territorial. Der Europäer kein Eroberer! Aber er muss Zynismus, Skepsis, Pessimismus ablegen.

Kernsatz bei Rifkin über den amerikanischen Traum:

„Wir sind nicht mehr so sicher, wer wir sind und wofür wir stehen, was uns motiviert und inspiriert, als Einzelperson oder als Kollektiv.“

Rifkin will nicht der Erfinder des neuen europäischen Geistes sein, nein dieser wehe schon, er sei nur der Mensch, der den Traum deutet, benennt. In der ZEIT-Liste ist Rifkin bereits auf Platz 1 der Buchliste. Und was sagt die Kritik: Literaturen meint, man müsse dem Autor mit Skepsis begegnen, ganz europäisch eben, das neue Intelligenzblatt Cicero sagt: spannend und amüsant geschrieben, es sei aber höchst zweifelhaft, ob es nicht bloße Romantik ist, den europäischen gegen den amerikanischen Traum auszutauschen- die NEUE ZÜRICHER ZEITUNG sieht in Rifkins Traumdeutungsbuch einen Muntermacher für deprimierte Alteuropäer –die Financial Times Deutschland schreibt, diese Europaschwärmerei sein neu, in Wirklichkeit habe das Buch mit Europa weniger zu tun, es zeige vielmehr die Zerrissenheit der Neuen Welt. Rifkin aber behauptet: Europa ist der neue Raum der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Europäische Traum führt uns ins globale Zeitalter“. Amerikas Stärke ist die Frage des persönlichen Verantwortungsgefühls - der europäische Traum bräuchte daher Zuversicht, das Gefühl eben, daß sich die Hoffnungen auch erfüllen können. Die Amerikaner hätten immer gesagt, für den europäischen Traum lohne es sich zu sterben, nach Rifkins Auffassung lohnt es sich für den neuen europäischen Traum zu leben.

Jeremy Rifkin
Der Europäische Traum
Die Vision einer leisen Supermacht
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004

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Interview mit Jeremy Rifkin


Schreiber: „Mr. Rifkin, wie definierten Sie eigentlich den europäischen Traum?“

Jeremy Rifkin: „Also, der europäische Traum beruht auf folgenden Kriterien. Niemand sollte in einem Land zurückfallen, die Gesellschaft erklärt sich dafür verantwortlich, zweitens multikulturelle Vielfalt, daß alle Kulturen etwas beizutragen haben, etwas miteinander teilen und nicht als Besitzstandswahrung verstehen, weiter die nachhaltige Entwicklung, dann ein tiefer Glaube daran, daß die Umwelt und die Entwicklung des Planeten eine zentrale Lebensfrage darstellen, dann Lebensqualität, eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit, der Glaube an soziale Rechte und an Menschenrechte, statt Besitzdenken und schließlich auch der Glaube an Harmonie und Frieden.“

Schreiber: „Ist der amerikanische Traum am Ende?“

Jeremy Rifkin: „Die Zeit des amerikanischen Traums ist wohl vorbei, das ist ein sehr individueller Traum, der auf dem Glauben an individuellen Erfolg beruht. Ich liebe diesen Traum auch, er beruht auf der Idee, daß die Freiheit nur durch individuelle Unabhängigkeit erreicht werden kann, früher machte das Sinn, aber heute ist in der Welt ja alles miteinander verbunden und heute beruht eben alles mehr auf kollektiver Verantwortung.“

Schreiber: „Warum träumen die Europäer ihren Traum nicht selbst, warum muss ein Amerikaner sie wachrütteln und zum träumen auffordern?

Jeremy Rifkin: „Alles was ich getan habe ist nur den Traum mit einem Namen zu benennen, der Traum ist schon da, meine Mission ist ja nur zu sagen: Ja, S i e haben einen Traum, Sie haben es nur noch nicht bewusst zur Kenntnis genommen.“

Schreiber: „Das klingt alles sehr europa-optimistisch?“

Jeremy Rifkin: „Optimismus ist ein wichtiger Bestandteil, die Schwäche des amerikanischen Traums liegt doch darin, sich abzuschließen, Jeder will seine eigene Insel sein und sich abschließen und dann damit Erfolg haben. Dieser Individualismus kann aber gefährlich sein, das funktioniert eben nicht in einer voneinander abhängenden Welt. Der europäische Traum geht eben mehr von Solidarität aus. Er kann zur globalen Vision werden.“ (2004)

 

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Zur Besuch im rumänischen Hermannstadt (Sibiu)
(Europäische Kulturhauptstadt 2007)


Noch nie war ich in der Oper Carmen so nah. Ein zwei Meter vor mir tanzt sie aufreizend. Carmen alias Florentini-Irina Onica demonstriert ihre Verführungskünste fraulicher Art und das ausgerechnet im historischen Museum in Hermannstadt. Vor 350 begeisterten Gästen. Nur vier fünf Zuschauerreihen. Eine intime Atmosphäre. Oper hautnah. Das Opern-Projekt ist auf Initiative einiger bekannter rumänischer Künstler entstanden, in Hermannstadt eine neue Inszenierung der Oper ''Die Tragödie von Carmen'' von Bizet, nach der Adaption von Peter Brook auf die Bühne zu bringen. Das Ensemble in großartiger Spiellaune. Ion Caramitru Rumäniens Starschauspieler inszenierte frech und frei der Eintritt ist es ebenfalls und die kleinen Jungs aus der Statisterie hat sich der Regisseur von der Straße geholt – es sind Roma. Buchstäblich Straßenkinder.

Wir sind in Birthelm, in Transylvanien – Siebenbürgen, in einem kleinen Dorf, dort wo die Deutschen die Weinbergregionen verlassen haben, einige Siebenbürger Sachsen erneut wiederkehren und ihre Häuser renovieren, oder im kapitalistischen Westen gescheitert sind. Die Wehrkirche als Weltkulturerbe lockt die Touristen und Prinz Charles als großer Rumänienfreund streunt dort gerne durch blumenreiche Wiesen, die voll biologischer Vielfalt ebenso gut zum Weltkulturerbe ernannt - also geadelt - werden könnten.

An den Straßenrändern Richtung Mediasch, das ist die Kreisstadt verkaufen noch Kesselflicker alter Zigeunergenerationen Kupfer-Töpfe und Schnapsbrennereigeschirr für den Hausgebrauch, der Pferdewagen ist neben dem Kleinwagen Hauptverkehrsmittel auf dem Lande. Armut im Alltag, über die auch nur noch Musik hinwegtrösten kann.

Szenenwechsel: Am Hermannstädter Ring dem Hauptplatz von Sibiu mit renovierter klassizistischer Kulisse müht sich eine Roma-Kapelle etwas ab: Klassischer melodischer und professioneller geht es Tage später mit der Sinfonietta Berlin unter Karajanschüler Ion Marin mit Salieri, Mozart, Stamitz und Haydn zu – im Sala Thalia, dem Theatersaal vor auch deutschem Bürgerpublikum. Kräftigheftig applaudierend, weil das Kammerorchester aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker spiellaunig das Publikum entfesselt insbesondere durch die beiden Geigerviolasolisten Lorenz Nasturica und Wilfried Strehle, die als Streicherduo begeisterten.

Hermannstadt - europäische Kulturhauptstadt - eine pulsierende Regionalmetropole, die Bukarest den Boomtownrang abläuft, architektonisch attraktiv renoviert in den alten Stadtkern lockend, dort wollen allerdings einige Wirte alle Fastfoodkulturen der westlichen Welt mit abgesenktem Fraßniveau einholen. Pizza mit ein paar Spritzer Ketchup - acht Euro. - andernorts entstehen Edellokale, für die kaum ein einheimischer Mensch Geld hat. Überall werden Köche gesucht. Hermannstadt – wächst und wächst – und gute Arbeitskräfte werden schon auf dem Schwarzmarkt gehandelt.

Natürlich importiertes Verkehrschaos, weil der Straßenbau nicht nachkommt. Tagsüber Entspannung in der Gemäldesammlung des Barons Samuel von Bruckenthal oder im Mitmach-Zirkusworkshop für Nachwuchstalente, abends Folkrock und Modern Jazz im Club Atrium oder Emperium.

Hermannstadt wartet noch eine Woche auf Ian Anderson den Querflötenartisten von Jethro Tull oder besucht den rumänischen Abend der Gastronomie, angesagt Mic eine Art Cevapcici - oder mit Reis gefüllte Kohlrabiköpfe. Filmreihen oder zeitgenössischer Tanz ergänzen das umfangreiche und vielfältige Kulturpanoptikum, das auch eine ungarische Kulturwoche beinhaltet, denn neben den Deutschen leben auch noch viele Ungarn als Minderheit unter den Rumänen.

Apropos Minderheit, der Karpatenbär ist fast schon wieder in der Mehrheit, denn zu Ceaucescus Zeiten genoss nur der Diktator selbst das Jagdrecht – so konnte ich in den Südkarpaten echte Bärenspuren sehen – doch Meister Petz hielt Gottlob Abstand. Übrigens nie sah ich so viel Störche – fast 500 sind es wieder im Kreis Hermannstadt. Nebenfrage, wer bringt eigentlich den Störchen die Kinder – es sind viele auf den Dachnestern der malerisch-mittelalterlichen Dörfern.

Wandertipps bekommt man einfach auf der Strasse. Sogar in Deutsch. Hermannstadt - von einem deutschstämmigen Bürgermeister in eine Erfolgsstory hinein katapultiert möchte International mehr zur Kenntnis genommen werden, Bürger des Landes aber auch des Auslandes locken, mehr Publikum zu den eigenen kulturellen Ereignissen animieren.

Weitere Impressionen und Irritationen: Deutsche Orchester und Tenöre wurden gefeiert, der nöhlende Julio Eglesias ausgepfiffen, ich bekam eines Abends nichts zu essen weil einfach das Gas ausging, der Beginn des Sinfoniettakonzerts war auf dem Plakat und im Programm für 19 Uhr ausgedruckt, begann aber erst um acht Uhr, mancher Programmpunkt ist wegen eigentümlichem Deutschsprech nicht zu entschlüsseln, es geht alles etwas sympathisch langsamer in Rumänien, originäre Bauern-Vielfalt an Obst und Gemüse ohne EU-Norm sonnengereift auf dem innerstädtischen Markt, genauso besuchenswert wie ein wunderschönes Dorfmuseum mit 170 Exponaten malerischen Häusern, gediegenen Gehöften, Monster-Mühlen und Maispeichern, reichen Vorratskammern, edlen Pferdegespannen und geduckten Fischerhäusern mit Holzraddampfer aus dem Donaudelta. Und dem Herrn Dracula sei am Ende gesagt: das Steak in den Restaurants etwas blutig bestellen, es ist sonst zu hart.

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Wertewandel

 

Was meint – was glaubt was denkt was fühlt eine Gesellschaft – an welchen Werten orientiert sie sich. Christliche Glaubenssätze sind aus der Mode gekommen, die Politik gibt in unseren Tagen nicht gerade Vorbilder ab, sondern das genaue Gegenteil. Was waren das noch Zeiten als der Philosoph Immanuel Kant den Satz sagte: Etwas flapsig formuliert, der Mensch muss immer so handeln, daß die Grundsätze seines Handelns zum allgemeinen Gesetz werden könnten. Das würden vielleicht ganz schön kriminelle Gesetzbücher denn nicht nur der Staat auch der Bürger hat sich an manche illegale Praxis gewöhnt. Da kommt nun Norbert Schreiber gewissermaßen als Moralapostel daher und hält ein etwas dünneres Büchel in der Hand: Titel WERTEWANDEL Aufbruch ins Chaos oder neue Wege. Von Rolf Heiderich und Gerhart Rohr. Was wird gewertet – was wird gewandelt.

Schreiber: Herr Witt ich mach das mal wie ein Politiker antworte erst mal nicht auf die Frage, so ist das ja nun in diesen Tagen angesichts des Spendenskandals auch– viele Fragen wenig Antwort und so ist dann nicht verwunderlich, daß in einer demoskopischen Umfrage des Hessischen Rundfunks herauskommt: 70 Prozent der Befragten sehen ihr Vertrauen in die Politik erschüttert insgesamt, für 57 Prozent ist der Spendenskandal eine Krise des gesamten Parteiensystems.

Aber nun zu Ihrer Frage was wandelt sich:

Die materiellen Lebensverhältnisse, die Ausweitung des Wissens, die politischen Herrschaftsverhältnisse, fremde Kulturen wirken auf uns ein, die Medien natürlich und dann haben wir noch den Individualisierungstrend – heisst auf Deutsch, nur was mir gut tut interessiert mich -alles andere kann mir gestohlen bleiben.

Apropos stehlen, die Erziehung wandelt sich: die Zuwachsraten bei Kinderkriminalität liegen Zwischen 45 Prozent in Hessen und 406 Prozent in Brandenburg.

Der WERTEABAU IST ÜBERALL STATISTISCH ZU BELEGEN:

Nur noch 36 Prozent der Menschen glauben an Gott nur noch 26 an ein Leben nach dem Tod.

44 Prozent meinen der Glaube ist nicht so wichtig. Sich nicht unterkriegen lassen wird für wichtiger genommen als sich tolerant zu verhalten. Individualismus wird das Maß aller Dinge.

Also kann sich der Politiker oder die Politikerin auch am Bürger kein Vorbild nehmen.

Schreiber: und auch wieder umgekehrt. Zum Beispiel halten die Bundesbürger von Ihren Abgeordneten nicht besonders viel: 59 Prozent sind der Meinung, es bedürfe keiner besonderen Fähigkeiten Bundestagsabgeordneter zu werden. 85 Prozent der Wahlbevölkerung haben wenig oder nicht so großes Vertrauen zu Ihren Parlamentariern. Die Zahlen sind von Mitte bis Ende der 90er Jahre erhoben, sie sehen also, nicht erst seit der Parteispendenaffäre sind die Bürger von Politik enttäuscht. Nur noch jeder fünfte hat eine gute Meinung von Politikern, sie rangieren übrigens in der Berufsimageskala auf Platz 12, dem letzten Platz, Platz 1, 2, 3 Arzt Lehrer Architekt.

Was sind denn die Gründe für den herben Verlust des Ansehens von Politikern in der Öffentlichkeit:

SCHREIBER: Bei der Parteienfinanzierung kann man diese politische Schizophrenie ja auch beobachten: gegen organisierte Kriminalität vorgehen sich selbst aber geldwäscherisch verhalten. Für eine neue Parteienfinanzierzung eintreten, aber deswegen Geld ins Ausland schaffen, für volle Aufklärung sein, die Wahrheit aber nur scheibchenweise ans Licht kommen lassen.

Wasser predigen Wein trinken 80 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen erregen sich über diese Doppelmoral. Vor Kriminalität und Beamtenärger ist diese Doppelzüngigkeit auf der Chartliste des Bürgerärgers das, was die meisten am meisten erregt.

Das ist nun ein komplexes Zahlenwerk, gibt es auch sachliche Anhaltspunkte warum sich die Politik von den Werten entfernt:


SCHREIBER: Sachkometenz ist bei Politikerkarrieren wenig gefragt, Berufspolitikerkarrieren häufen sich. Medienkompetenz und Anpassung an den Zeitgeist bestimmen Politikerprofile, politische Seilschaften sind wichtig, es gibt ein Kartell der Postenverteilung, undurchsichtige Privilegiensysteme, die sogenannte Vorteilsnahme – das sehen wir ja gerade – nimmt zu, das alles gipfelt dann in dem Satz DIE GEKAUFTE REPUBLIK.

Nocheinmal zum Buch selbst, wie ist es gegliedert, was bietet es dem Leser?


SCHREIBER: Zunächst ist es ein Zahlenwerk mit viel statistischem Material über Wertvorstellungen, Glaube, Familie, Beruf, es geht um die Erziehung und den schwindenden Einfluss der Eltern, beschreibt die Sucht nach Selbstverwirklichung, beschreibt den Wandel bei Sexualität.

Über Politik und Moral haben wir gesprochen. Wie die Medien auf uns wirken und was Multukulti mit unseren Wertvorstellungen anstellt – das ist Thema dieses sehr informativen Büchleins, das eine Materialsammlung für den darstellt, der sich mit Moral, Wertvorstellungen und vielleicht auch Tugenden, unserer Tage auseinandersetzen will. Es wär ja mal wieder an der Zeit – damit unsere Gesellschaft sich neue Wege sucht und nicht den Aufbruch ins Chaos anzettelt wie der Untertitel anreißt.

Was ist denn Ihre Lieblingstugend?

SCHREIBER: Eine aus der Bewegung der Aufklärung: auf sie gemünzt: Herr Witt ich bin nicht Ihrer Meinung, aber ich werde die Freiheit Ihre Meinung zu sagen immer verteidigen. Ist ein bißchen ein Grundprinzip der Demokratie, könnte auch mal wieder in Talkshows Anwendung finden, dann würden sich die Politiker nämlich auch wieder mal ausreden lassen.

Heiderich, Rolf und Gerhart Rohr:
Wertewandel: Aufbruch ins Chaos oder neue Wege?
München: Olzog, 1999

 

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 Das Gesicht Europas


Angesichts des TEURO, der Streitereien um die europäische Verfassung, der Diskussion um das Europa der zwei Geschwindigkeiten ist es ja mutig von den Verlagen Europabücher auf den Markt zu bringen – aber wenn sie denn je eine Chance haben sollen, dann natürlich nur in dieser jetzigen Zeit, positioniert vor dem Erweiterungsprozess, denn zum 1.Mai werden zehn weitere Länder der Europäischen Union beitreten. Norbert Schreiber ist ins Studio gekommen. Er stellt uns nun folgendes Buch vor:

Norbert Schreiber auf dem Buchtitel sind auf der Europakarte keine Grenzen mehr vorhanden!

Ja etwas voreilig, denn von Norwegen wissen wir ja langfristig noch nicht, ob es endgültig dabei sein will. Das ist ja insgesamt ein höchst seltsamer Prozess, Staaten ziehen lieber Grenzen, als dass sie sie aufgeben, Europas Prozess des Zusammenwachsens ist aber eben das genaue Gegenteil der nationalstaatlichen AB-GREN-ZUNG. Weitere Grenzen werden fallen. Wenn man nur einen Profit aus diesem Buch von Dirk Schümer ziehen kann, dann ist es der, dass man argumentativ sehr schnell begreift: Europa ist ein Prozess und jede Defintion WAS IST EUROPA, geografisch politisch oder kulturell stösst sehr schnell – an GRENZEN.

Das Gesicht Europas – wie sieht es denn aus in dem Buch, hübsch, hässlich, geschminkt ohne Makeup

Erst einmal gar nicht so schön anzusehen, denn der Einstieg in das Buch, es ist die Taschenbuchausgabe eines bereits erschienen Hardcover-Titels ist negativ, so dass man zuerst glaubt, hier ist ein Antieuropäer der FAZ am Werk, Schümer ist ja Europa-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - er lebt in Venedig. Im Vorwort spricht er vom Moloch Europa, vom Großmarkt, also die EU eine Art politischer ALDI, ein machtloser Riese, ein Agrarshop, von babylonischem Sprachengewirr umgeben, ein Gebilde das zwar positive Bilanzen schreibt, uns aber mit dem EUROTEURO einen erheblichen Kaufkraftverlust beschert hat, und Europa ist politisch wie es vor wie im Irakkrieg bewiesen hatzersplittert und nun steht auch noch die gigantische Osterweiterung an.

Eine schwieriges Geschäft also?

Ja man muss zudem berücksichtigen: hier mischen sich Monarchien, Uraltdemokratien, Ministaaten wie Zypern und Malta, ehemalige Faschistenregimes mit alten Demokratien- dennoch meint der Autor ist die Osterweiterung erst recht moralisch verbindlich. Der Autor wirft einen Blick zurück und sagt sehr eindrücklich, der jetzt vorhandene Friede sei ja gar nicht so selbstverständlich, es könnten ja noch kriegerische Auseinandersetzungen auch mitten in Europa herrschen und „Die Baracken der Konzentrationslager sind noch lange nicht verrottet, die Ruinen der Sowjetkasernen noch nicht von Pflanzen überwuchert.“

Ja, aber uns umgeben doch heftige Krisen, wo nimmt der Autor seinen Optimismus die Notwendigkeit der Einigung immer wieder zu betonen her

Er ist offenbar schon überzeugter Europäer, langfristig sieht er die USA in politischen Schwierigkeiten begriffen, die EU würden zur Großmacht anwachsen mit einem Riesenabsatzmarkt Russlands, der Emirate und auch Chinas. Wir müssten aber eben auch den Wert der Arbeit, die Kaufkraft neu bewerten, der Prozess der Modernisierung gehe eben nicht ohne Brüche und Perspektivenwechsel ab und die Bürger dieser europäischen Union müssen ja einmal zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen fast siebzig Prozent aller Entscheidungen nicht mehr auf der nationalen, sondern auf der europäischen Ebene getroffen werden.

Was gefällt Ihnen an dem Buch?

Es hat ein schönes Cover – Europas Landkarte als Puzzle – aber eben auch einen interessanten Inhalt, teilweise reportagehaft geht Schümer die Europathemen journalistisch an, indem er die Europathemen konkret werden lässt - ohne die historischen Dimensionen zu vernachlässigen – er besucht Serbien und schildert die europäischen OUTCASTS, er benennt Auschwitz als Nullpunkt Europas, er wühlt in Brüssels europäischem Sumpf der Bürokraten, schildert in Frankfurt die kreative Zerstörungskraft des Geldes, Straßburg-Luxemburg Maastricht sind selbstverständlich, aber Kreta, Rom, Aachen als historische Wurzel-Regionen dieses Europas benennt er auch, ohne zum Beispiel die armen verwandten Europas in Bukarest zu vergessen. Auch Schümer weist darauf hin, dass Polen, Ungarn Tschechien ja nicht in Europa ankommen müssen, sie waren schon immer Europa, das vergessen wir nur allzu leicht.


Das ist alles politisch argumentiert – streift Schümer auch das Thema Kultur?

Er streift es nicht nur, er hält es für eminent wichtig, er beklagt die Kleckerei hier mal eine Kirchenfassade zu schützen, dort mal Geld für ein Übersetzungsprojekt zu geben. Er macht kulturpolitisch interessante Vorschläge:

Einen europäischen Literaturpreis zu vergeben, der dem Nobelpreis gleichkommt. Förderprogramme für junge Europäer, die in Nachbarländer geschickt werden, eine europäische Übersetzer Akademie, eine mobile europäische Oper, die die Metropolen tournusmässig bespielt, , Denkmalschutzprogramme, ein Wasserwirtschaftsprojekt für Venedig, ein Sanierungsprojekt für die Stadtkerne von Bukarest, und Altstadtrenovierung in Prag, also sie sehen dem Autor fehlt es nicht an Ideen. Es geht also nicht nur um die Entwicklung einer gemeinsamen Außenpolitik, sondern auch europäischen Kulturpolitik.

Enzensberger hat einmal gesagt, es könne an Geräuschen und Gerüchen erkennen ob er sich in Europa befindet. Und vieles riecht bei uns eben auch schon nach USA.


DIRK Schümer Das Gesicht Europas Ein Kontinent wächst zusammen Deutscher Taschenbuch Verlag

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Interview mit Ralf Dahrendorf (2006)

Politische Tugendlehre

 

Sie sprechen in Ihrem Buch von der Tugendlehre, welche Lehrsätze hat ihre Tugendlehre?

Mein Gott, Lehrsätze, das klingt in ihrer Frage, als ob ich eine ganze mittelalterliche Philosophie entwickelt hätte, die von allen gelernt werden muss. Es ist ein leicht ironischer Begriff dafür, dass diejenigen, die immun sind oder sein wollen gegen die großen Anfechtungen des Totalitarismus bestimmte Tugenden brauchen. Mit einigen beschäftige ich mich ja ausgiebig. Man muss zum Beispiel in der Lage sein, die eigenen Positionen auch dann klar und mutig zu vertreten, wenn ringsherum nur andere Positionen vertreten werden, Vielleicht auch gegensätzliche und dann spielt eine wesentliche Rolle bei mir diese merkwürdige Eigenschaft ein engagierter Mensch zu sein in den Fragen der Zeit und doch Beobachter zu bleiben. Also nicht Hineinzugehen ins Getümmel also nicht Mitzukämpfen. Und irgendwo steckt dahinter immer eine Vorstellung, dass Vernunft auch mit Leidenschaft betrieben werden kann. Dass Vernunft also nicht nur abgehoben ist. Dass das Durchhalten von Vernunft auch eine derjenigen Tugenden ist, um die es geht. Ob das nun das Wort Lehre verdient, darüber möchte ich jetzt nicht spekulieren.

Die Vermittlung von Tugenden ist ein Erziehungsprozess, da spielen Eltern, Bildungseinrichtungen Schule Universitäten rein und Vorbilder, denn Tugenden will man ja auch erfahrbar machen.

Wie könnte ein Rekonstruktionsprozess von Tugenden aussehen, denn wir haben doch Tugenden verloren.

Völlig richtig und zugleich bin ich im Laufe meines Lebens ein bisschen skeptisch geworden was die Möglichkeit angeht Tugenden bewusst zu vermitteln durch solche Instanzen, es gibt kaum Wichtigeres als Vorbilder und vor allem sichtbare Vorbilder und einer meiner Zwecke des Buches ist es an Personen zu zeigen welche Unterschiede es da durchaus gibt. Es gibt da ja keine Einheitspersonen, sondern Raymond Aron und Isaiah Berlin, Bobiu, Hannah Arendt und andere sind sehr unterschiedlich und doch haben sie gemeinsame Vorstellungen. Ich vertraue auf Vorbilder.

Sie sprechen in ihrem Buch auch über die Intellektuellen, über ihre Erfolge und ihr Scheitern, können Sie dafür ein paar Beispiele nennen.

Für mich als erfolgreicher Mensch ist an erster Stelle der Philosoph, Soziologe und Essayist und Journalist Raymond Aron zu nennen, man kann aber auch Berlin, Popper und andere hinzufügen. Aber die meisten anderen sind im 20.Jahrhundert gescheitert. Und ich wollte ja in meinem Buch mal nicht den Akzent auf das Scheitern legen, habe aber trotzdem ein paar Beispiele geschildert. Intellektuelle sind eben auch versuchbar und jemand wie Jean Paul Sartre ist sozusagen auch auf jede Mode reingefallen, die gerade gängig war und ist dann von ihr auch wieder abgefallen. Selbst ein Mann wie Heidegger, der 1933 und 1934 schreckliche Nazi-Reden gehalten hat hat sich dann in eine stillere Welt zurückgezogen und war plötzlich nicht mehr Protagonist einer neuen Ideologie. Aber das sind Beispiele des Scheiterns und dafür gibt es leider nur zu viele. Mein Interesse gilt aber denen, die nicht gescheitert sind.


Beck Verlag zu diesem Buch

Warum sind so viele Intellektuelle des 20. Jahrhunderts Faschismus und Kommunismus in die Arme gelaufen? Das Spektrum der Antworten auf diese oft gestellte Frage reicht von Opportunismus und Karrierestreben bis zum Idealismus der Überzeugungstäter. Doch läßt sich die Frage auch umkehren: Warum haben manche allen Versuchungen der Unfreiheit widerstanden? Was war ihnen eigen, das den Idealisten und Opportunisten abging?Ralf Dahrendorf lotet in seinem neuen Buch eine Fülle von beispielhaften Biographien aus, um die Ursachen für die Unversuchbarkeit des liberalen Geistes freizulegen: Karl Popper, Isaiah Berlin, Raymond Aron und Norberto Bobbio, Hannah Arendt, Theodor W. Adorno und George Orwell treten auf – aber auch kontrastierende Persönlichkeiten wie Martin Heidegger und Ernst Jünger, Jean-Paul Sartre, Manès Sperber, Arthur Koestler oder Georg Lukács.

Das Resultat ist eine Tugendlehre der Freiheit, die über die Zeiten hinaus Gültigkeit beanspruchen kann. Erasmus von Rotterdam ist gleichsam der Prototyp dieser „Erasmus-Menschen“, einer Geisteshaltung, die weder innere Emigration erlaubt noch zum Widerstandskämpfer tauglich macht, aber mit der Besonnenheit der „engagierten Beobachtung“ und der Weisheit der leidenschaftlichen Vernunft über einen Kompaß verfügt, der die Erasmier auch durch solche Zeiten navigiert, in denen andere Geister häufig Schiffbruch erleiden. Dahrendorf wäre nicht Dahrendorf, wenn dabei nicht mehr herauskäme als eine historische Betrachtung. Seine brillante Anamnese des „liberal mind“ ist zugleich eine politische Ethik – nicht nur für Intellektuelle.

Ralf Dahrendorf Versuchungen der Unfreiheit Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfu 2. Auflage 2006. 239 S.: mit 15 Abbildungen. In Leinen

 

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Zur Person Klaus Harpprecht

Leidenschaft für das Wort.

Leidenschaft zur Wahrhaftigkeit.

Journalismus ist die Chance, viele Leben zu leben, sagt und er hat dieses Lebensmotto vielfältig umgesetzt, und das savoire vivre, die Lebensart, besitzt er sowieso. Zumal sie sich an der Cote D Azur wo Harpprecht wohnt, blendend ausleben lässt. Harpprecht, ein Wortwerker, gar Wortgewaltiger, der in Zeiten von Studentenunruhen in Deutschland gerne als Schöngeist und Schönschreiber beschimpft wurde. Weil er wegen eines körperlichen Gebrechens, die Finger nicht lang genug, das Ohr nicht talentiert, kein Musiker werden konnte, was er unbedingt wollte, widmete er sich seiner zweiten Leidenschaft: der Literatur.

Bei CHRIST und WELT entwickelte er als Volontär und Redakteur seine ersten Weltbilder. Bei Rias, SFB und WDR kommentierte er, war er Korrespondent oder Bonner Büroleiter. Reportagen für DIE WINDROSE, Amerika-Korrespondent fürs ZDF schlossen sich an. Harpprecht wechselte oft die Positionen, übte sich und vervollkommnte sich in ihnen: als Leiter des SFischer-Verlages, als Herausgeber der Intelligenzzeitschrift DER MONAT. Vom evangelisch-theologischen Seminar in Tübingen geprägt, ist Klaus Harpprecht der klassisch Intellektuelle der frühen Jahre dieser Republik und vor allem der Brandt-Ära. Seine Freundschaft zu ihm als Außenminister brachte ihn zur sozialdemokratischen Partei. Er wird Leiter des Schreibbüros von Kanzler Willy Brandt, auf den er Einfluss hat: Er war schon SPINDOCTOR, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Berater für internationale Fragen, was Amerika, Westeuropa und insbesondere Israel angeht. Harpprecht rät Willy Brandt bei seinem Polenbesuch das Ghetto zu besuchen. Brandt tut es und findet selbst seine Geste: den KNIEFALL. Schreibspiele nennt Harpprecht zum Beispiel seine Bemerkungen zur Literatur, er will mehr als Texten, mehr als Schreiben, er will FormulierungsKUNST-Kunst unterstrichen. WORTSCHÖPFUNG.

Erst im Jahr 2000 erscheint das Buch „IM KANZLERAMT“ ein sehr persönliches Porträt des Kanzlers, dessen Rücktritt nach der Guillaumeaffäre Harpprecht heute noch als nicht nötig betrachtet:

In der späteren Zeit seines Wirkens entstehen 50 Interviewfilme im Dialog für das ZDF, hunderte von Radiosendungen, Biografien, literarische Features, eine Doppel CD zu Erich Kästner. Zwischenzeitlich übernahm er auch die Chefredaktion der Zeitschrift GEO für zwei Jahre. DIE ZEIT, die SÜDDEUTSCHE, die NEW YORK TIMES und die WASHINGTON POST beschäftigen ihn als Autor. Zur Zeit ist er Mitherausgeber von NEUE GESELLSCHAFT/Frankfurter Hefte und der ANDEREN BIBLIOTHEK bei Eichborn. Naturellement, selbstverständlich ist er ein Freund der französischen Küche bekennt der schwäbelndnäselnde Harpprecht und schmunzelt dabei vielsagend, aber es wäre nicht Harpprecht würde nicht auch ein Gegensatz dazu passen, die asiatische liebt er auch. Und so sehr er kommentierend auf der Höhe der Zeit ist: literarische Vergangenheit und Größe der Literatur ist bei ihm ebenso aktuell.

 

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Urban Priol – der Kabarett-Derwisch

Der Trend ist wechselseitig fruchtbar: Buchverlage entdecken Kabarettisten als Bestsellerautoren – Fernsehkabarettisten finden wieder die kleinen Bühnen mit direktem Publikumskontakt attraktiv und Kabarettisten lernen das Büchermachen. Der Kabarett-Derwisch Urban Priol zieht in seinem Pointen-Kaleidoskop eine Zehn-Jahresbilanz. Da darf auch Lady Di im Rückblick nicht fehlen. Priol wechselt die Schauplätze, die Themen, die Imitationsstimmen so furiosfarbig wie seine knallbunten Hemden und bei den Spitzen, Witzen, Kalauern und dem Stimmengewirr seiner Figuren könnten einem am Ende bei all dem Politwahnsinn die die eigenen Haare so zu Berge stehen wie sie das bei ihm tun...es stoibertmerkeltkohltundhubertbecksteinig durchs Politgeröll. Auf der Bühne beim Vorlesen – wie im Buch: Im Münchner Arri-Studio wird die ZDF Erfolgssendung „Die Anstalt live ausgestrahlt, das Publikum steht Schlange, schlägt sich um die Eintrittskarten. Urbon Priol freut sich. Auf 270 Seiten breitet Priol in seinem Buch geistreiche Szenarios aus, bei Hirn ist aus ist Hirn drin, ganz gleich ob er uns auf das SPD-Traumschiff entführt, mit Miles und Moreprogrammen die Flugangst bekämpft oder ein Vaterunser für dowjones-dax-bluechips-hedgefonds und Kommunalobligationen betet. Die Materialfülle nahm er aus seinen Textaktenordner seit 1997 und sie war so groß, dass der Lektor des Blessingverlages, der alle Kabarettisten von Dieter Hildebrandt bis Georg Schramm, von Ottfried Fischer bis Bruno Jonas betreut, Rolf Cyriax kräftig streichen musste. Dieter Hildebrandt war der erste, der mit Lesetouren sich als wahrer Publikumsmagnet entpuppte.

Auch Fernsehstars wie Ottfried Fischer, die aus der Kabarettszene kamen, wollen wieder dorthin auf die kleine Bühne zurück, wo der Publikumskontakt am engsten ist. Der Bulle von Tölz, von der Parkinsonkrankheit geplagt, wird demnächst auf Kleinkunstbühnen zu sehen und mit einem neuen Buch zu lesen sein.

 

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Die Magie des Taktstocks

Aus einem Taktstock ist noch nie ein Ton herausgekommen, schreibt Wolfgang Schreiber, und dennoch bewegt dieses kleine Stöckchen die Musikwelt, vorausgesetzt es passiert dabei, was Dirigenten damit beabsichtigen Ordnung schaffen wie Sergiu Celibidache sagt, damit Musik entstehen kann. Durch Werkanalyse, Klangstrukturierung, die Kraft der Persönlichkeit des Dirigenten und durch sein Charisma. Das tut der Maestro am Dirigentenpult, der auch Konzertmeister, Kapellmeister, von Canetti sogar „Führer“ genannt wird. Wolfgang Schreiber beantwortet all diese Fragen und versammelt in dem Buch die „Magier des Taktstocks - die „Dirigentenlegenden“ wie Toscanini, Furtwängler, Klemperer, Karajan und Celibidache, aber auch „die Aktuellen“ wie Abbado, Nagano, Barenboim oder Rattle. Und wie unterscheiden sich die Maestros? Sie sind Notenanalytiker, Verführer, Formarchitekten, Klangmagier, Perfektionisten, Exzentriker, Kommunikationsgenies. Nach einem Vorwort von Sir Peter Jonas folgt die Einleitung von Wolfgang Schreiber - neben Joachim Kaiser einer der renomiertesten Musikkritiker Deutschlands, freier Publizist inzwischen - bis 2002 Feuilletonredakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Was lernen wir aus der Einleitung? Ein Maestro-Dirigent braucht ausdrucksvolle Hände, ein hoch entwickeltes Gehör für Harmonie und Timbre, bildhaftes Denken, künstlerische Willenskraft, Hartnäckigkeit, Tempogefühl. Die „Größe“ eines Dirigenten, nicht in Zentimetern gemessen sondern in Bedeutung, sie ist nur ein Argument für Marketing und Werbung. Heute sind die Maestros global players mit Instinkt fürs Musikgeschäft, sie besitzen Medientalent und Agenturerfahrung. Schreiber gesteht ein, dass sein umfangreiches 532-Seiten-Buch nur dem Prinzip der Subjektivität gehorchen kann; dabei legt er in der Auswahl der Dirigentenporträts Wert auf folgende Kriterien: Kreativität, Dichte, Universalität des musikalischen Wirkens und das Gewicht der historischen Rolle in der jeweiligen Epoche des Dirigenten. Ob Komponisten-Dirigenten wie Richard Strauß oder zeitgenössische wie Pierre Boulez, Altvordere wie Toscanini und Klemperer, „Show-Figuren“ wie Karajan oder Bernstein, Europäer wie Muti, Sinpoli, Chailly oder Fricsay, „eigenwillige“ wie Masur oder Celibidache, Traditionalisten wie Harnoncourt oder Gardiner - das Dirigentenpanorama ist wirklich breit und wird ergänzt durch Kurzporträts weniger bekannter oder bedeutender Dirigenten. Die Texe sind auch für den Musiklaien verständlich, nachvollziehbar, ungeheuer informativ und prägnant. Wir erfahren biographische Daten der Dirigenten, etwa über ihre Wirkungsstätten, ihre Karrierehöhepunkte und ihre Handschrift beim Dirigieren. Fotos lassen zusätzlich ein Bild des Dirigenten entstehen, das als Leservorstellung bereits im Text entstanden ist. Schauen wir in einzelne Kapitel: Karajan ist Musik aus „Instinkt und Intellektualimus“ heraus, nach Adorno ein Genius des Wirtschaftswunders, der als medien-omnipräsenter Dirigent mit Starnimbus eine halbe Milliarde gescheffelt haben soll. Ein Kritiker sagt über ihn: Jede Note blüht auf. Der erfolgreichste Dirigent aller Zeiten, der allein dreimal mit den Berliner Philharmonikern die Beethoven-Symphonien eingespielt hat. Sein Widerpart Lenny Bernstein, der 1000 Konzerte dirigiert hat, mit elementarer innerer Spannung, Chrisma und tanzendem Dirigierhabitus. Mit allen Fasern seiner Existenz involviert. Der populäre Charismatiker der Musik. Den ich in München kennenlernte und interviewte. Oder der geheimnisumwitterte Sergiu Celibidache, der aus Rumänien stammt und die Münchner Philharmoniker formte. Für ihn war wichtig, dass Musik unter Livebedingungen entsteht, er hasste CD- und Schallproduktionen, und dennoch ließ er es zu, dass ich als Radiomann bei einem Dirigierkurs ihn und seine Studenten, während er mit ihnen arbeitete, interviewen durfte - Voraussetzung war l i v e. Er liebte das Radio. Die Spontaneität des Entstehens von Wort und Musik. Das Buch von Wolfgang Schreiber über die Großen Dirigenten ist für jeden Musik- und Klassikfreund empfehlenswert, es schult unser Gehör, ist auch zum Nachschlagen gut geeignet. Das Klingen und Verschwinden im Raum ist das Schicksal der Musik, und Celibidache sagt: Das Orchester bleibt ein Mysterium; das der Dirigenten hat Wolfgang Schreiber aufgehellt.

Norbert Schreiber hr 2 (2005) Wolfgang Schreiber Große Dirigenten Piper 2005

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Ein Europa-Kommentar

Freiheit, Frieden, Wohlstand und Demokratie. Für diese Werte steht Europa. Für den Bürger heißt Europa: Bürokratie in Brüssel, Entscheidungswirrwar, Normierungswut. Das zweifache Nein zum Verfassungsentwurf war die Quittung dafür Europa zu lange als bürokratisches Elite-Projekt und nicht als eines der Bürgergesellschaft zu betrachten. Neuerdings wird das Begriffspaar Krise und Europa in aller Munde geführt. Dabei hat die Europäische Union doch Erfolge, der europäische Binnenmarkt eine starke Marktmacht, die demokratische Entwicklung hat politische Systeme weggefegt, die dem Freiheitsgedanken nicht Rechnung getragen haben. Sind wir nicht alle im Reisen quer durch Europa EuropaMEISTER, wenn nicht sogar WELTmeister. Wir haben die deutsche Weinerlichkeit auf Europa übertragen und wundern uns, daß die Europastimmung immer schlechter wird. Kein Wunder, wir haben ja auch die dritte Garnitur der Politik nach Straßburg und Brüssel geschickt und rätseln jetzt über das negative Ergebnis. Der Europagedanke wird eben schlecht kommuniziert, ein paar Vierfarbbroschüren, Einladungen nach Brüssel und Europaaktionstage reichen halt nicht aus. Aber seien wir doch erst einmal dankbar, daß in Europa für lange Zeit Frieden geherrscht hat und nur der Balkankrieg uns klarmachte, wie fragil die Sicherheitszone Europa noch sein kann. Europa braucht eine neue politische Energie wie Mark Leonhard in seinem neuesten Buch „Warum Europa die Zukunft gehört“ fordert. Dazu gehört, ein Verfassungsdialog mit dem Bürger, eine Reform der Union an Haupt und Gliedern, eine Überprüfung der Kommunikationsstrategien, Reformbemühungen in den Volkswirtschaften, um die Märkte für die globalen Herausforderungen fit zu machen. Wann endlich wird der europäische Außenminister eine einzige Telefonnummer haben, damit der amerikanische oder russische Präsident ihn anrufen kann? Zuwanderung muss geregelt werden, es fehlt ein überzeugendes gemeinsames Konzept im Kampf gegen den Klimawandel. Auch eine Debatte um Größe und Grenzen der Europäischen Union tut not. Wie definieren wir das Verhältnis zum wiedererstarkten „Global Player“ Russland. Und ist es uns Recht wenn George W. Bush in Europa Raketen stationiert um seine Definition von Freiheit zu verteidigen. Wenn wir den „europäischen Traum“ verschlafen, wird es ein böses Erwachen geben. Im Osten geht die Sonne früher auf. (2007)

 

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Interview mit Eduard Schewardnadse

Ich treffe den ehmaligen sowjetischen Aussenminister Eduard Schewardnadse unprotokollarisch locker in seinem Hotelzimmer in Frankfurt am Main in Buchmesse-Nähe, allerdings unter den kritischen Augen eines schwergewichtigen Bodyguard-Athleten. Schewardnadse hat drei Attentate überlebt, das macht ihn naturgemäß vorsichtig. Hans-Dietrich Genscher nennt ihn im Geleitwort des Memoirenbandes einen georgischen Patrioten, der die ganze Welt zum Besseren verändert habe. Und einen verlässlichen Freund dazu. Mit den Zweiplusvier-Verhandlungen haben beide den Eisernen Vorhang zerrissen und den Kalten Krieg beendet. In seinen Erinnerungen ist ein Hauptkapitel der deutschen Wiedervereinigung gewidmet, in dem er Genschers Verhandlungsführung, Tatkraft, Zeitempfinden und das große Arbeitsvermögen lobt. Schewarnadse weist auch darauf hin, daß es auch der Zurückhaltung des sowjetischen Militärapparates zu danken war, daß die Wende unblutig verlief.

Zuspielung


Auch die Vorbehalte der Engländer und Franzosen gegenüber einem großen Deutschland wurden ausgeräumt. Die Kritik auf russischer Seite musste vor allem Schewardnadse selbst einstecken. Er schreibt, „die schwere Bürde der Kritik lag ganz allein auf meinen Schultern.“ Und die Soldaten, sie zogen ab:

Zuspielung


Der mit Schwarzweiß- und Farbfotos reich bebilderte Erinnerungsband mit dem Geleitwort von Hans-Dietrich Genscher schlägt einen weiten Bogen vom Rücktritt als georgischer Ministerpräsident, über den Wandel in der sowjetischen Aussenpolitik der Entideologisierung, die er selbst mit Gorbatschow einleitete, bis hin zum Niedergang der Sowjetunion, deren Ursachen er auch im persönlichen Verhältnis zwischen Boris Jelzin und Michail Gorbatschow verortet.

Zuspielung


Mit seinem spannenden Buch, das in manchen Teilen jedoch etwas ungenau bleibt und dem Personenkult huldigt, will Eduard Schewardnadse zukünftige Führungspersönlichkeiten seines Landes zum Nachdenken anregen. Die Menschheit nähere sich jener Grenze, hinter der eine Weltkatastrophe lauere, nämlich die der Gefahr der Anwendung von Atom- und biologischen Waffen. Im aggressiven Separatismus sieht er den Nährboden für aktiven Terrorismus – besteht die Gefahr eines neuen „Kalten Krieges“?

Zuspielung


Schewardnadse würdigt die historischen Leistungen Michail Gorbatschows, zeigt aber auch seine Fehler auf, er betrachtet die eigene georgische Rolle selbstkritisch, zelebriert auch manche Politikereitelkeit, in dem die weltweiten persönlichen Kontakte zu den Berühmtheiten der Politikereliten hervorgehoben werden. Mit Richard Nixon, Ajatollah Khomeini, Saddam Hussein und Fidel Castro, sind es eben auch die bösen Buben der Weltgeschichte. Apropos, wie ließe sich denn nun der Raketenstreit zwischen den USA und Russland aus der Welt schaffen, frage ich den Perestroika-Außenminister Eduard Schewardnadse, der Europa eine wichtige Rolle dabei zuschreibt:

Zuspielung


Georgien setzte schon unter Schewardnadse auf die Anbindung an den Westen, und dieses Land befindet sich nun auch im offenen Streit mit Russland. In der Amtszeit Schewardnadses ist der Ostblock zusammengebrochen, die Wiedervereinigung erreicht, der Afghanistankrieg beendet worden, im eigenen Land hat der Georgier mit seinem Rücktritt auch einen drohenden Bürgerkrieg verhindert. Wie sieht er den Gorbatschow-Nachfolger Wladimir Putin und dessen bevorstehendes Amtsende :


Zuspielung

Der Georgier Stalin hatte Deutschland geteilt, der Georgier Schewardnadse hat es geeint. Was aber wird aus Georgien? Die von Russland unabhängige Existenz ist ungewisser denn je zwischen derzeitigem Ausnahmezustand und Präsidentschaftswahlen am 6. Januar.