Bücher über Literatur - News - Tratsch - Gerüchte - Realität

Was man weiß, was man wissen oder wieder vergessen sollte...

Poesie und Politik Szenen einer riskanten Beziehung

Die erste Szene im Buch führt sofort auf die politische Bühne der Hauptdarsteller von Politik und Poesie. Da steht der Handke mit seinen heftig umstrittenen Äußerungen zum Kosovokrieg und der serbischen Bürgerkriegspolitik. 


Autor Hörisch stellt eingangs die 


Kernfrage 1: Diskreditieren abwegige, gar schockierende politische Äußerungen eines Autors dessen Werk?


Frage 2: Wie steht es um die politische Kompetenz der Dichter und der Dichtung? Und sind deren Urteile gewichtiger als die von Journalisten, Historikern und Politikwissenschaftlern? 


Ergebnis: “Dichterische Sätze sind fiktionale Sätze, die sich nicht auf Fakten fokussieren.“ Theaterstücke oder Romane müssen in sich stimmend und poetisch überzeugend sein. Da sind Fakten irrelevant. 
Vielmehr zählen pointierte Monologe oder Dialoge, stimmige Leitmotivik, andere Sichtweisen. Warum gibt es aber den Zwang für Dichter, sich politisch zu äußern? Einfache These des Autors: Weil Dichter auch Menschen sind, somit politische Subjekte, sie sind der Sphäre der Politik nahe. 


Hörisch erstellt eine Liste von Autoren, die sich aufs politische Glatteis begeben haben, gute Figur machten oder eben auch heftig ausrutschten. 


Luise Rinser hatte eine Schwäche für starke Führer und den Nationalsozialismus, Cesare Pavese war Mussolini-Fan, Johannes R. Becher ließ sich von Stalin empfangen. Hörisch sieht also Anlässe zum Fremdschämen: „Die Bereitschaft ihrer Verfasser, Diktatoren und Massenmördern zuzujubeln, lässt an ihrer Kompetenz nicht nur zweifeln, sondern an ihrer grotesken Inkompetenz verzweifeln.“ Rilke, Hoffmannsthal und Thomas Mann begrüßten den ersten Weltkrieg und wecken Zweifel an ihrer politikdiagnostischen Kompetenz. 


Autoren, so der Befund, haben kein überdurchschnittliches Urteilsvermögen. „Ihnen ist daran gelegen, so unverwechselbar zu sein wie ihre Werke.“ 


Ob Christa Wolf oder Heiner Müller, Gorki oder Pasternak, Hornby oder Houellebecq, Brecht oder Böll, sie alle haben politische Meinungen, Optionen, Präferenzen. Ob Martin Walser und seine Friedenspreisrede oder das Strauß-Essay „Anschwellender Bocksgesang“ (Dazu hätte man gerne mehr gelesen). Goethe oder Zola, es ist nicht immer klug, was Autoren politisch äußern. 


Goethe hatte politische Ämter und Zola schrieb Anklageschriften. Walther von der Vogelweide polemisierte gegen die Macht- und Geldgier der Päpste, Shakespeare fand, dass etwas faul ist im Staate Dänemark. Ob Büchner, Stendhal, Dickens oder Hugo, Dostojewski oder Tolstoi, den Typus des Dichters, der sich auchpolitisch äußert, findet Hörisch durch die Epochen und Jahrhunderte. 

 

Hochhuths „Eine Liebe in Deutschland“ fehlt als Beispiel auch nicht. Trotz all der politischen Einlassungen konstatiert der Autor: „Zwischen der politischen Durchschlagskraft eines Werkes und seiner ästhetischen Qualität gibt es keine verlässliche Korrelation.“
Am Ende ist jedoch Politikern und Autoren gemeinsam, dass beide auf Zustimmung angewiesen sind. Und das ist nun auch wieder einfach nur menschlich.


Eine anregende, zuweilen in der Wortwahl germanistisch-wissenschaftlich formulierte Szenenfolge über eine riskante Politik-Poesie-Beziehung.


Fazit: Dichter haben keine spezifischen Kompetenznachweise für politische Äußerungen. 


Ob es dann da Sinn macht, einen Parlamentspoeten zu bestellen, was neuerdings auch in Deutschland diskutiert wurde, wird am Ende des Polit-Literatur-Szenischen leider nur kurz erwähnt, ausgeführt wird es nicht. Wir müssen uns als Leser da also selbst einen Reim darauf machen. Wir haben aber derzeit andere Sorgen.  

 

Jochen Hörisch Poesie und Politik Szenen einer riskanten Beziehung HANSER

 

Jochen Hörisch, Jahrgang 1951, war Professor für Neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim. Er ist Mitglied mehrerer Akademien und lebt in der Nähe von Mannheim.

Briefe an junge Autoren/Leser


Die kleine Investition kann sich lohnen. Die „Briefe an junge Autoren“, die der noch gar nicht so alte irische Autor Colum McCann („Zoli“) für 12 Euro gebündelt versendet, könnten sich auszahlen. Das „Porto“ ist in jeder Buchhandlung zu entrichten, Übergewicht ist nicht zu befürchten. Für Autoren wie für andere Leser dieser weisen, von Erfahrung und Wohlwollen gegenüber den anonymen Empfängern durchdrungenen Briefe geht es um den Entstehungs- und Vermarktungsprozess von Literatur. Ratgeber und Handreichungen gibt es massenhaft, in vielen Biografie ist von der Liebe Lust und Leid der Autoren zu ihren Erzeugnissen die Rede, Interviews, Befragungen auf Lesungen, Debatten in Diskussionszirkeln können jungen Autoren Mut und auch Verzagen bieten. Nichts hilft wirklich.


Der Briefschreiber fängt mit einem Rilke-Zitat aus dessen über hundert Jahre alte „Briefen an einen jungen Dichter“ an: „Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich.“ McCann gibt Rilke recht – was soll er sonst auch tun? Und der heute in New York lebende Absender zitiert Rilke noch weiter: „Dieses vor allem fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: Muss ich schreiben?“  Alle „Briefe an junge Autoren“ helfen nicht über diese Frage hinweg. Wer von den Empfängern sie mit einem „Ja!“ beantwortet, findet Anfeuerungsrufe und Durchhalteparolen, vielleicht auch mal einen praktischen Ratschlag und viel Reflexion über die ganz spezielle condition humaine eines Autors. Wer sie alle befolgt, hat noch keine gute Zeile geschrieben, noch längst kein Buch verfasst, geschweige denn veröffentlicht. Das weiß und sagt auch Colum McCann. Wozu das Ganze also?


Bei der Lektüre dieses ja nicht an ein Publikum ohne Schriftsteller-Ambitionen gerichteten Briefwerks schleicht sich der Verdacht ein, dass es der Absender gar nicht auf die „jungen Autoren“ abgesehen hat, sondern auf die viel größere Schar der Leser von Büchern. So unterhaltsam sind die Briefe geschrieben, voller Ironie und gut gespieltem Weltschmerz, so erquickend ist der Blick durchs Schlüsselloch von Schreibzimmern, dass sich das Buch eigentlich eher an Leser aller Altersgruppen wendet.

 

Mit einer erstaunlichen Folge: Der nächste Roman, den sie zur Hand nehmen, erscheint im Lichte seiner „Produktionsbedingungen“, von denen man konkret zwar nichts weiß, die aber in den Bereich der Vorstellung gerückt sind. En passant fallen dabei schön formulierte Erkenntnisse anthropologischer Art ab, wenn dort z.B. im Zusammenhang mit dem Ratschlag an die jungen Autoren, sich den eigenen Text laut vorzulesen, steht: „Ihr Partner, Ihr Mitbewohner, Ihre Freundin, Ihr Kind mögen Sie für verrückt halten, aber das ist völlig in Ordnung – geistige Gesundheit wird ohnehin überschätzt.“ Oder – wiederum an den Leser, nicht an den Autor gewandt: „Wenn etwas wirklich gut geschrieben ist, horchen wir auf und freuen uns darüber, dass wir – wie kurz auch immer – am Leben sind.“ Und dann wendet er sich – scheinbar – wieder an die jungen Autoren: „Vertrauen Sie dem Leser. Erlauben Sie ihm, seine eigenen Entdeckungen zu machen. Sie sind ihm ein Führer durch ein fremdes Land. Seien Sie nett zu ihm, aber nicht zu nett.“ Wer das beherzigt, wird vielleicht ein besserer Autor. Aber wer das liest, wird sicher ein besserer Leser.
Harald Loch
 
 
Colum McCann: Briefe an junge Autoren. Mit praktischen und philosophischen Ratschlägen
Aus dem Englischn von Thomas Überhoff.
Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 2017   185 Seiten  12 Euro

 

Lyrisches Talent

 

Impressionen zum Georg-Büchner-Preis an Jan Wagner
 
Poesiefestival in Berlin. In der Akademie der Künste, dem schönen Bau im Tiergarten, geben sich jedes Jahr Lyriker aus aller Welt die Klinke in die Hand. Während insgesamt neun Tagen läuft ein reichhaltiges Programm. Gestern (am 20.6.) war Jan Wagner Gastgeber und Lesender vor den Klassenstufen 8 bis 12 verschiedener Berliner Oberschulen. 200 Jugendliche mit ihren Lehrern waren trotz drohender tropischer Temperaturen nicht im Schwimmbad gelandet sondern zu Jan Wagners Lesung: „Pasteten, Pitbulls & Piraten“ gekommen. Um 10 Uhr ging’s los und um 9:30 hatte Jan Wagner erfahren, dass ihm in diesem Jahr der wertvollste deutsche Literaturpreis zuerkannt wurde. Für die Schüler wurde die begeistert aufgenommene Lesung zu einem ganz besonderen Ereignis und der schon morgens aufgebaute Büchertisch war im Nu geleert. Eine der jungen Damen aus Marzahn schwankte noch, ob sie ihr schon zur Neige gegangenes Monatsbudget für ein Buch von Jan Wagner ganz ausschöpfen sollte – sie tat es und ließ sich die „Regentonnenvariationen“ von Jan Wagner signieren. Die Lehrkräfte waren beglückt, dass ihnen der eher  unterrichtsbegleitend gedachte Ausflug so zum Großereignis gelungen war. „Quelle coïncidence!“ – Was für ein Zufall! – hat Beckett einmal geschrieben, als er hier in der Berliner Akademie der Künste wohnte, um die Uraufführungen seiner Stücke im Schiller-Theater zu betreuen.


Der Georg-Büchner-Preis wird jährlich von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. In der Begründung für die Preisverleihung schrieb sie:


 „Jan Wagners Gedichte verbinden spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung, musikalische Sinnlichkeit und intellektuelle Prägnanz. Entstanden im Dialog mit großen lyrischen Traditionen, sind sie doch ganz und gar gegenwärtig. Seine Gedichte erschließen eine Wirklichkeit, zu der Naturphänomene ebenso gehören wie Kunstwerke, Sujets der Lebens- wie der Weltgeschichte, erste Fragen und letzte Dinge. Aus neugierigen, sensiblen Erkundungen des Kleinen und Einzelnen, mit einem Gespür für untergründige Zusammenhänge und mit einer unerschöpflichen Phantasie lassen sie Augenblicke entstehen, in denen sich die Welt zeigt, als sähe man sie zum ersten Mal.“ 


Das erlebten am Dienstag 200 Schülerinnen und Schüler und applaudierten dem Autor, der sie blendend für Lyrik – ein in der Schule meist wenig geliebtes Genre der Literatur – begeisterte. Er selbst trat wohlgelaunt aus dem Bad in der Menge und wird am Freitag dieser Woche eine ganztägige Lehrerfortbildung halten – wieder unter dem Motto „Pasteten, Pitbulls & Piraten“ abhalten: Glückliche Lehrer werden  glückliche Schüler unterrichten.


Das alles wird veranstaltet vom Berliner HAUS FÜR POESIE – wie die ehemalige Literaturwerkstatt seit einem Jahr heißt. Jedes Jahr wird im Rahmen des sommerlichen Poesiefestivals eine Berliner Rede zur Poesie gehalten – in diesem Jahr von dem schottischen Lyriker und Romancier John Burnside. Sie hatte den Titel „Wo die Exekutive ihre Finger einzieht? Wie die Poesie im Zeitalter des Kultur-Totalitarismus überdauert.“ Lesenswert! Erschienen im Wallstein Verlag. Kostenpunkt 13,90 Euro.


Harald Loch

 

Schreiben - Lesen - Übersetzen

Friedhelm Kemp: Gesellige Einsamkeit. Ausgewählte Essays zur Literatur


Wer einen „homme de lettre“, also einen Menschen der Schrift in den Elfenbeinturm der Literatur verbannt, verkennt seine Wirksamkeit weit in die gebildete Gesellschaft hinein. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat ihrem früheren Mitglied Friedhelm Kemp (1914 – 2011) mit einer zweibändigen Auswahl seiner Essays zur Literatur jetzt ein Denkmal gesetzt, das den Gelehrten als Kritiker, Übersetzer, Literaturwissenschaftler der Nachwelt erhält. Über hundert Artikel, Analysen, Zusammenfassungen -jede einzelne ein Essay – stehen in zwei kostbaren Leinenbänden einem Publikum zur Verfügung, das nur staunen kann. Über Abgelegenes wie die frühe deutsche Barockdichtung wie über Dichter wie Goethe, über die alles gesagt scheint, über ganze Gattungen wie Fabeln und vor allem über Lyrik, über französische Literatur unterschiedlicher Epochen, über Else Lasker Schüler, deren Werke er herausgab oder über Baudelaire, den er übersetzte – diese Vielfalt der versammelten Texte ist überwältigend. In jedem setzt Kemp stilistische Ausrufezeichen, in jedem steckt der Entdecker im Leser, die meisten Beiträge sind in guten Tageszeitungen veröffentlicht, wenden sich also an ein breiteres Feuilletonpublikum.


Der erste Band ist „Von Poesie bewegt“ überschrieben, enthält Auseinandersetzungen mit halb oder ganz vergessenen Dichtern wie Ewald von Kleist und leitet zu Entdeckungen, wie dem von ihm verehrten Peter Gan. In der kritischen Anmerkung zu einer Interpretation von Celans „Aschenglorie“ führt er sein Publikum weg von der Lektüre aller Celan-Gedichte im Lichte der „Todesfuge“ und lädt zu einer Lesart mit Hervorhebung des sinnlichen Gehalts der „Aschenfuge“ ein: „Ambiguität ist allenthalben zu befürchten. Aber ermächtigt uns das, alles sinnlich Konkrete bei ihm (Celan, HL) sogleich sich selbst zu entwenden. Höherem zuliebe?“ Bei Nietzsche macht Kemp halt, bei Stefan George, bei Gertrud Kolmar und Ludwig Greve. Wer das Glück hatte, ihn bei Vorträgen oder in seinen Münchner Komparatistik-Vorlesungen zu erleben, wird sich an das literarische Engagement Kemps voller Bewunderung erinnern.
Im Zweiten Band, „Vom Vergnügen des Übersetzens“, geht es zunächst vor allem um französische Literatur, auch hier vorwiegend um Poesie. Die umfassende Kenntnis auch der frühen Epochen wie der Dichter aus der zweiten Reihe erlaubt ihm qualifizierte Beurteilungen verschiedener, in Frankreich erschienener Anthologien. Er ist im Lob so überzeugend wie in der vernichtenden Kritik. Stets begeistert die sprachliche Finesse, mit der er seine Zeitungsartikel zu Kostbarkeiten schreibt, deren Erhalt für die Nachwelt in dieser schönen Ausgabe gar nicht genug gelobt werden kann.


Ein längerer Text enthält seine „Lebenserinnerungen 1914 bis 1945“. Ein schöner Essay beschäftigt sich mit „Wandlungen der Widmung“. Das beste „Plädoyer für das Lesen“ ist die Lektüre seines gleichnamigen Aufrufs und „Vom Vergnügen des Übersetzens“ zu schreiben, fällt Friedhelm Kemp umso leichter, als er sich schon früh, als Fünfzehnjähriger, an einer Übersetzung der „Fleurs du mal“ versuchte, um dreißig Jahre später noch einmal Gelegenheit zu haben, Baudelaire zu übertragen.
Der Schriftsteller und Übersetzer Joachim Kalka hat die zweibändige Auswahl herausgegeben. Sein kluges, reichhaltiges Nachwort ist ein schönes Portal, das Einlass zu dem überwältigenden Kosmos des Friedhelm Kemp gewährt.


Harald Loch


Friedhelm Kemp: Gesellige Einsamkeit. Ausgewählte Essays zur Literatur
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Joachim Kalka
Wallstein, Göttingen 2017  2 Bände, Leinen   39,90 Euro
Bd. 1: Von Poesie bewegt   350 Seiten
Bd. 2: Vom Vergnügen des Übersetzens   516 Seiten
 

 

Eine europäische VERLEGER-Bilanz

Von Lojze Wieser

 

http://www.wieser-verlag.com/wp-content/uploads/2013/02/lojze2.jpg

 

Als wir vor achtundzwanzig Jahren begonnen haben, Literatur aus dem europäischen Osten zu verlegen, als wir begonnen haben, den vielen Literaturen dieses Raumes ein Gesicht zu geben, als wir die slowenische, kroatische, serbische, albanische, bulgarische, rumänische, ungarische, tschechische, slowakische und polnische Literatur herauszugeben begannen, war die Sowjetunion noch nicht Vergangenheit, Jugoslawien noch nicht von einem Krieg zerstückelt und die Europäische Union in der heutigen Form unerreichbar. Da haben wir das Hoffen gelernt und die Ahnung einer vielstimmigen Welt im Sinn gehabt, von der uns die Autorinnen und Autoren in ihren Büchern, ihren Versen, ihren Erzählungen und ihren Träumen berichteten und die uns deren Übersetzerinnen und Übersetzer ins Deutsche herüberbrachten.

Seit achtundzwanzig Jahre existiert der Verlag. In diesen achtundzwanzig Jahren haben wir knapp 1.200 Bücher verlegt. Einige davon haben wir aus diesem Grund in ein neues Gewand gesteckt. Aus jedem Jahr des Bestehens des Verlages haben wir zumindest eines ausgewählt und legen es der wohlwollenden Leserschaft ans Herz. Wir haben sie im Preis vereinheitlicht, doch die Inhalte sind wie eh und je kontroversiell, spiegeln die verschiedenen Stilrichtungen und Herangehensweisen wider und vermitteln uns Bilder und Tonalitäten aus unterschiedlichsten geografischen und kulturellen Räumen. Wir sind stolz auf jedes einzelne Buch und sind froh, diese Bücher gefunden und verlegt zu haben. Bücher haben nicht nur eine Saison. Viele reifen mit den Jahren.

 

Viele der von uns verlegten Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer sind über unseren Verlag erstmals im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht worden. Sie fanden in renommierten Zeitungen und Zeitschriften Möglichkeiten, ihre Texte zu publizieren, Interviews zu geben, wurden vom SPIEGEL, der FAZ und der NZZ abwärts besprochen und die Tür in den Westen öffnete sich ihnen. Es erschloss sich ihnen ein neuer Kreis von Leserinnen und Lesern und sie wurden von diesen zunehmend geschätzt. Sie gingen von da an erfolgreich ihren Weg. Viele sind heute anerkannte und gern gelesene Autorinnen und Autoren.

Wir konnten auch den Medien helfen, insbesondere in den ersten Jahren, wo es noch kaum Rezensenten und Kritikerinnen gab, die sich in der Literatur des europäischen Ostens auskannten, und dieser Bereich noch gerne als Orchideenfach  bezeichnet wurde. Wir durften bei der ZEIT und dem SPIEGEL, dem STANDARD und der PRESSE vermitteln, wir konnten Verbindungen herstellen, weil sie auf der Suche nach Kritikerinnen und Kritikern waren und wir potenzielle kannten, No-Names sozusagen, damit diese wissensreich über den blinden Fleck Europas zu berichten beginnen konnten. Wir waren (sind) das Bindeglied zwischen Autorenschaft, Medien und Verlag und konnten der Literatur des europäischen Ostens die gebührende Öffentlichkeit verschaffen.

 

Nicht zuletzt haben wir den zum Exil gezwungenen Autorinnen und Autoren in der Zeit des aufkommenden Krieges in Jugoslawien geholfen, sich im Exil zurechtzufinden, Stipendien und Wohnungen zu erhalten und zu bezahlen, um weiterschreiben zu können, bei Lesungen ihre Literatur vorzutragen und über ihr Leben zu berichten. Nicht wenige von ihnen sind heute angesehen, gern gesehen und mit namhaften Preisen ausgezeichnet und haben sich im hiesigen Literaturbetrieb zurechtgefunden. Von unserer Arbeit konnten uns auch Briefbomben und Attrappen, Morddrohungen und Prozesse nicht abhalten.

 

Im Literarischen, beim literarischen Schmuggel, zogen wir gemeinsam durch die Lande, seit Jahren. Auch im ersten Jahrzehnt des eigenen Verlages zogen wir, der Wortlandstreicher Ludwig Hartinger und ich, der Verleger, gemeinsam aus. Unterwegs trafen wir einen noch etwas leuteund mikrofonscheuen, doch liebenswürdigen Kerl (wenn einer Tiroler Gröstl zubereiten kann, dann er!), den Kritiker und Essayisten Karl-Markus Gauß. Als Kumpanen machten wir uns auf den Weg, der Ignoranz den Kampf anzusagen. Waren die ersten beiden slowenischen Bücher des neu gegründeten Verlages »ritce mimogrede und Proπnji dan von Florjan Lipuπ, die wir in Ljubljana am 16. 11. 1987 der staunenden Öffentlichkeit präsentierten, so war das erste Buch im deutschsprachigen Programm die Sammlung von Porträts Tinte ist bitter aus der Feder von Karl-Markus Gauß. Mit diesen drei Büchern haben wir die gesamte Breite des Programms skizziert. Von unseren Träumen, jeden Monat am selben Tag ein bestimmtes Buch in allen europäischen Sprachen zu präsentieren, also von einer europäischen Austauschbibliothek, sind wir auch heute noch weit entfernt, aber einiges hat sich in der Zwischenzeit ja doch bewegt. Ein wenig der einstigen Träume hat sich verwirklichen lassen. Immer wieder ergänzen wir uns. Auch noch heute, jeder an seinem Platz vielleicht dadurch noch wirksamer.

 

Einer, der am Anfang auch prägend wirkte, war der eigenwillige, exzellente slowenische Grafiker Matjaæ Vipotnik. Mit ihm konnten wir das Manko, kein Werbekapital zu haben, durch schön gestaltete Bücher wettmachen. So haben wir jene Grundlagen gelegt, auf denen wir auch die schwersten Zeiten des Verlages übertauchen konnten.

Der Wieser Verlag ist ein Projekt von Vielen für Viele. Hartinger, Gauß und Vipotnik stehen hier stellvertretend für alle, denen Ehre und mein Dank gebührt. Was wir gemeinsam begonnen haben, ist der erste systematische Versuch, dem europäischen Osten in seiner sprachlichen und kulturellen Vielfalt im europäischen Westen auf gleicher Augenhöhe eine Öffentlichkeit und Gehör zu verschaffen. Es ist der nachhaltige kulturelle Versuch, die europäische Integration mit neuen sprachlichen Melodien zu entfalten, durchs Lesen und Übersetzen sich kennenzulernen und mit Kultur und Literatur die europäische Vielfalt zu meistern.

In diesen 28 Jahren haben wir 1.200 Bücher verlegt. Wir haben die Reihe ≈Europa erlesen« begründet, in der wir alleine knapp 10.000 Texte von 4.000 Autorinnen und Autoren abgedruckt haben, wovon ein Drittel von Übersetzerinnen und Übersetzern aus über 50 Sprachen ins Deutsche übertragen wurden.

 

Mittlerweile haben die Reihe ≈Europa erlesen« und die ≈Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens« Kultstatus erreicht, die Autorinnen und Autoren sind flügge geworden und wir ziehen weiter unseren Weg. Den nächsten zwanzig Jahren entgegen. Trotz alledem. Oder: gerade deswegen!

 

30 Jahre Wieser Verlag

 

 

Pr’ moj duš! Bei meiner Seel’! Was sind schon dreißig Jahre? Immerhin sind es knapp die Hälfte meiner Jahre. Und was sagte der legendäre Programmchef des Verlags Gallimard François Erval zu mir vor dreieinhalb Jahrzehnten: „Sie müssen einen langen Atem haben, so an die fünfundzwanzig, dreißig Jahre!“

Den Atem hatten wir, lieber Herr Erval, nur hätten wir uns sicher manches leichter vorgestellt.

 

Und nun eine Zwischenbilanz: Was ist geblieben von dem, was wir in den vergangenen dreißig Jahren gemacht haben? Immerhin lag noch zu Beginn der Achtzigerjahre kein Buch aus meiner Sprache in deutscher Übersetzung auf den Ladentischen, die zahllosen anderen Sprachen und Kulturen Südosteuropas waren oft heimatlos, unterdrückt und warteten darauf, einer breiteren Leserschaft bekannt zu werden.

Die Grenze eines Staates ist nicht die Grenze einer Sprache, geschweige denn Kultur.

 

Das haben wir versucht, der Dank waren Morddrohungen und eine Briefbombe. Soll ich mich darüber grämen oder einfach sagen: zu viel der Ehre?

 

Gab es je Momente, wo die Leidenschaft des Büchermachens durch Zweifel ins Wanken gekommen wäre? Was hätten wir besser machen können, welche Fehler haben wir gemacht, in welche Fettnäpfchen sind wir nicht getreten? Was soll’s! Die Freude an der Vielstimmigkeit der Literaturen, das Vermitteln von Kulturen, die es zu entdecken gilt, dieser Kosmos von Wundern, an dem ich teilhaben darf – was kann einem Schöneres beschert werden?

Unverdrossen werden wir weitermachen, ein wenig stolz auf das Erreichte und neugierig auf das, was noch kommen mag.

 

Lojze Wieser

30 Jahre Wieser Verlag

http://oe1.orf.at/programm/460682

Der Debatten-Stifter: Frank Schirrmacher

Kritik

 

Titel Frank Schirrmacher Ungeheuerliche Neuigkeiten. Texte aus den Jahren 1990 bis 2014. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Jakob Augstein. Blessing

 

Herausgeber Jakob Augstein, Journalist, Buchautor und Verleger studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Theaterwissenschaft. Er schrieb für die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT und ist herausgeberisch der Verleger der Wochenzeitung DER FREITAG.

 

Autor Frank Schirrmacher, 1959 geboren, studierte in Heidelberg und Cambridge. Seit 1994 war er einer der Herausgeber der FAZ. Frank Schirrmacher verstarb sehr früh am 12. Juni 2014 in Frankfurt am Main.

 

Cover sachliches Grau als Hintergrundfarbe für lange Buch-Überschriften

 

Zitat aus dem Buch: „Gier ist schlecht, aber menschlich...Die Krise verändert nicht nur die Welt. Sie verändert das Denken.“

 

Inhalt Die wichtigsten journalistischen Texte des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher

 

Gestaltung: 335 Seiten, Vorwort von Jakob Augstein, sieben Einzelkapitel und Register, Hauptthemen Technik und Mensch, die überalterte Gesellschaft, die Krise des Kapitalismus, deutsche Befindlichkeiten, Kultur-und Literaturfragen, die Rolle der literarischen Kritik in Deutschland.

 

Meinung Man hätte keinen besseren Herausgeber als Jakob Augstein finden können, dem es in seiner journalistischen Rolle sonst auch sehr gut gelingt, Politik und Kultur in einen Zusammenhang zu bringen. In einem lesenswerten und spannenden Vorwort beschreibt er Schirrmacher als rasenden Zeit-GEIST, der den Wandel der Welt erfasst hat, die Automatisierung und Digitalisierung der Gesellschaft, das krisenhafte am Kapitalismus, die Aufhebung des Links-Rechts-Schemas, Augstein beschreibt Schirrmacher als einen Journalisten, der vom humanistischen Standpunkt aus argumentiert aber zugleich den Menschen Angst macht, und beweist, wie lebendig Journalismus sein kann. Man hätte gerne noch ein paar Zeilen mehr von Augstein im Vorwort gelesen.

 

Die Zusammenstellung der Texte ist klug, ausgewogen, die wichtigsten Debatten zusammenfassend, sei es nun der Beitrag Schirrmachers zur ALTERS-Debatte, der Vergreisung in Deutschland, zum aufkommenden Terrorismus, zur Unordnung, die der Kapitalismus schafft, zur deutschen Vergangenheit und Walser-Bubis-Debatte, zu den Schriftstellern Walser, Grass, Reich-Ranicki, zur Sprache der Erinnerung, zu Franz Kafka und zum Abschied von der Literatur der Bundesrepublik, als die Deutsche Einheit kommt. Ein Buch, dem es gelingt, aufzuzeigen, wie Schirrmachers „Kerze“ von zwei Seiten her brennt, weil er unaufhaltsam das Öffentliche zu seiner eigenen Sache gemacht hat und seine Themen zu Öffentlichen.

 

Leser FAZ und SZ-Leser, Literaturinteressierte, Kommentatoren, Moderatoren, Fernsehschaffende, Studierende und Studierte, Schirrmacher- und Augsteinfans und Politiker jeglicher Couleur.  

 

Rezensionen

 

"Er polarisierte, er machte Kampagnen, er überzog; langweilig war’s nie." Hans-Jürgen Jakobs, Handelsblatt (08.05.2015)

 

"Der Band zeigt aber auch, was die eigentliche Qualität seiner Technologiekritik ausmacht. Durch sämtliche Texte zieht sich ein tiefer Humanismus." Andrian Kreye, Süddeutsche Zeitung (20.05.2015)

 

"Texte, die ... einen Sog entwickelten, sofort mitreden, eingreifen zu wollen: Das wünschte er sich auch von seinen Lesern." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (17.05.2015)

 

 

 

Buchstaben-Sex  -  Schreiben über Höhepunkte

 

Titel Rainer Moritz Wer hat den schlechtesten Sex? Eine literarische Stellensuche. DVA

 

Autor Rainer Moritz, 1958 in Heilbronn geboren, leitet das Literaturhaus Hamburg. Er ist Literaturkritiker und Autor zahlreicher Publikationen. Seit er als Jugendlicher Hermann Hesses "Narziss und Goldmund" durchforstete, ist er an erotisch eindeutiger Literatur interessiert.

 

Cover Geschwungener Schriftzug Sex in Pink, keine Nacktfotos

 

Gestaltung Hardcover, 240 Seiten, 15 Kapitel, Anhang, Dank, Literaturverzeichnis, Namensregister

 

Zitat aus dem Buch: „Dass alle Welt Höhepunkte mit einem ‚Oh, ja‘ begleitet, stimmt ohnehin nicht. Sehr häufig ist auch ein ‚Oh, nein‘ zu vernehmen, das das Unglaubliche, bislang Unbekannte eines Vorgangs ausdrücken soll.“

 

Inhalt Eine literarische „Berührung“ (Petting) der „Potenz-Probleme“ deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller beim Schreiben über das Thema Sex. Das Buch sammelt die schönsten und schlechtesten Buch-Stellen und kommentiert sie.

 

Meinung Ja, da kommen plötzlich eigene Pubertätserfahrungen hoch. Man fragte sich an der Schwelle zum Erwachsenwerden: Ist Ben Hur wirklich eine Hure? War die Mutzenbacherin ein Luder? Ist Decamerone eine Geschlechtskrankheit? Kann man mit  Kamasutra verhüten? Gibt es auch Bibelstellen, die mit Sex zu tun haben? Aufgeklärt wurde man auf der Straße, die Zeiten waren in den 1950er und Anfang 1960ern so: prüde, unaufgeklärt, verklemmt, gleichgeschlechtlicher Sex verpönt. Daran erinnert Moritz im Einleitungskapitel. Dann folgen in einem „Reigen“ (war Schnitzlers Werk auch irgendwie sexbesessen?)  Definitorisches also auch Theoretisches und Praktisches, Was ist Sex, was ist Pornographie, was ist Erotik? Warum ist es schwierig über Erotik zu schreiben? (...weil das Thema immer noch schambesetzt ist), Sex botanisch, Entkleidungsfragen, Sex in Zeiten von WWW.

Schriftsteller verharren beim Beschreiben von Sex in einer „Defensivposition“, ihre Literatur darf nicht schamlos sein, der Anmachfaktor muss vermieden werden, etwa durch Ironisierung oder Intellektualisieren: “Bessere Literatur ist das deshalb noch lange nicht“, schreibt Moritz. Max Frisch kam beim Schreiben „nicht an seine eigenen Erfahrungen heran“,  Lenz sexuell „scheu“, stöhnend dagegen kommen neben vielen anderen  Elfriede Jelinek, Clemens J. Setz, Peter Härtling, Sibylle Berg, Martin Walser, Michael Kleeberg, Andreas Altmann und Karen Duve zu Wort, aber auch Harold Brodkey, Samuel Beckett, Casanova und Cocteau, Sigmund Freud und Peter Frankenfeld, Catherine Millet, Marcel Proust, Adalbert Stifter und Feridun Zaimoglu, um nur einige zu nennen.

 

“Tiefer“, „Tiefer“, „Tiefer!“, „feste Brüste“, „Feuchtgebiete“ „Schoßgebete“ „Sie begann ihren Kitzler zu reiben“, „Sie rissen sich die Kleider vom Leib“, das ist das Sexvokabular auch moderner Autoren des 21.Jahrhunderts. Der Leser oder die Leserin kann einen vorzeitigen Orgasmus vermeiden, indem er/sie an Abwasch denken, an Ursula von der Leyen oder Pfefferminzschokolade, empfiehlt der stets humorvolle Moritz, dessen Sprache pfiffig, prägnant, witzig, ironisch, kurz und klar ist, dessen  Stellensuche fasziniert ist, dessen Tour d’horizon durch die Literatur literarisch up to date ist, also auch die aktuellsten Werke berücksichtigt.

 

Ab und zu wirft Moritz auf sein zweites Fachgebiet, das deutsche Schlagerwesen und seine Titel („Veronika der Lenz ist da“) einen Seitenblick, man möchte dem Leiter des Literaturhauses Hamburg zurufen: Tausend mal berührt tausend Mal ist nichts passiert... Am Ende des Buches bietet Moritz eine Liste der zehn „Favoriten“, und zugleich resümiert Moritz vorher auch die Lage des Buchmarktes allgemein, angesichts von Smartphones, Kindles, Apps „Wo zu viel gedruckt wird, ist es ein Segen zu erfahren, welche Titel man mühelos ad acta legen darf.“

 

Nein, dieses Titel muss man in die Hand nehmen und eben wie weiland in den frühen Tagen der Republik die schönsten Stellen und Stellungen heraussuchen und zur  Vermeidung  des Ejaculatio praecox (bitte im Brockhaus nachschlagen!) empfiehlt Prof. Rainer Moritz das Buch die Anthologie Sex ist eigentlich nicht so mein Ding und Früchtetee.

 

Leser Männer, Frauen, Sexbesessene, Enthaltsame, Literaturkenner und Buch-Abstinente, rtl-Zuschauer, Autoren, die Schreibkurse veranstalten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pornobranche

 

Verlag: dva

 

Pressestimmen: Deutschlandfunk

 

Video http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=49984

 

Interview http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/mdr/senudng-vom-15032015-100.html

Kann Literatur Aufklärungsarbeit leisten?

 

Welche Aufklärung meinen Sie? Bei der sexuellen waren "Stellen" in meiner Jugend wichtig, wie die "Bravo" und fortgeschrittenere Mitschüler. Im Internetzeitalter hat das wohl nachgelassen.

 

Warum tun sich Schriftsteller beim Thema Sex so schwer?

 

Weil es erst seit vierzig Jahren ungefähr angesagt ist, sexuell Eindeutiges zu schildern, und die Autoren deswegen viel weniger Vergleichsmaterial aus der Literaturgeschichte haben. Bei Sonnenuntergängen ist das anders.

 

Sollen Autoren bei der Darstellung von Sexszenen eher literarisch behutsam oder drastisch nach dem Motto „Gib’s mir!“ vorgehen?

 

Beides kann schief gehen. Die Behutsamkeit, die sich in Sätzen wie "Am Morgen danach" spiegelt, hat aber durchaus wieder Konjunktur. Das Grauen der "Shades of Grey" verlangt nach Gegenmaßnahmen.

 

Wie lange haben Sie gebraucht, um alle Textstellen zu finden und wie sind sie ganz praktisch vorgegangen?

 

Seit Jahren sammele ich, mache mir Notizen, lese literaturwissenschaftliche Studien zum Thema und beachte die Hinweise von viel lesenden Freunden und Kollegen. Da kommt einiges zusammen.

 

Beichten Sie uns doch bitte die schönste und die schlechteste Beschreibung von gutem oder schlechtem Sex!

 

Das steht doch alles in meinem Buch. So viel zumindest: James Salters Satz "Er kam wie ein trinkendes Pferd" ist - wenn es um männliche Höhepunkte geht - kaum zu übertreffen.

Raddatz/Rowohlt - eine Beziehungsstudie

 

Titel Fritz J. Raddatz. Jahre mit Ledig. Eine Erinnerung. Rowohlt

 

Autor  Fritz J. Raddatz ist der Doyen der linken deutschen Literaturkritik. Fritz J. Raddatz war auch Literaturprofessor, Essayist und Erzähler. Meist geachtet als deutscher Intellektueller seiner Generation, viel gelesen als Feuilletonchef der ZEIT. Umstritten in seinem oft heftigen Urteil: eigensinnig, geistreich, gebildet, streitbar und umstritten schreibt sein Verlag über ihn. Und der Verlag heißt Rowohlt, dessen langjähriger „Zweiter Mann“ er hinter dem Buch-Boss Heinrich Maria Ledig-Rowohlt war.  Geboren 1931 in Berlin, von 1960 bis 1969 also stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlages. Von 1977 bis 1985 Feuilletonchef der ZEIT. Von 1969 bis 2011 war er Vorsitzender der Kurt-Tucholsky-Stiftung, Herausgeber von Tucholskys «Gesammelten Werken», Autor von in viele Sprachen übersetzter Romane und eines umfangreichen essayistischen Werks. Er schrieb mehr als zwei Dutzend Bücher, unter anderem über Georg Lukács, Karl Marx, Heinrich Heine, William Faulkner, Kurt Tucholsky, Gottfried Benn, Rainer Maria Rilke.

 

Cover „Vater“ und „Sohn“ – Verleger und Stellvertreter - des Rowohlt-Verlages sitzen gemeinsam am Coffee-Table, silberne Schrift auf mattgrünem Leinenbändchen

 

Gestaltung Ein handliches kleines Buchformat, schlanke 160 Seiten, eine Hommage an einen Bücher-Menschen von einem Bücher-Menschen-Alexander fest gewidmet, großformatig bebildert. Am Ende veröffentlicht Raddatz einen Ausschnitt aus seinem ZEIT-Nachruf nach dem Tod des Rowohlt-Verlegers

 

Zitat aus dem Buch: „Die ineinandergeschichteten Widersprüche formten den Charakter dieses Mannes, der zu unvergesslichen Gesten fähig war.“ Und „Er war allein. Niemand in dem vielflurigen weißen Haus auf der Reinbecker Wiese war ein Vertrauter, niemandem vertraute er.“

 

Inhalt Ein einfühlsames, mitteilsames, sehr persönliches Erzähl-Porträt über einen bedeutenden Verleger der Nachkriegszeit

 

Meinung Raddatz ist ein Kritiker der klaren Worte, er schwurbselt nicht, wie manch andere Feuilletongrößen, er neigt zwar zum Wort-Narzissmus, gefällt sich ein bisschen in der GESTERN-WAR-ALLES-BESSER-Pose, aber er hat ja recht: Ob Nabokov oder Genet, Jelinek oder Updike, Hochhuth oder Kempowski, das Verlegergespann ebnet den  mitunter Weltgeltenden der Literatur den deutschen und auch internationalen Weg.

Raddatz plaudert aus dem Verlagsnähkästchen, spart nicht an Kritik und Selbstkritik, weiht uns in intime Details der Beziehungen und Nicht-Beziehungen in der Buchwelt ein und es gelingt ihm einmal wieder, dass man sein Büchlein von der ersten bis zur letzten Seite „frisst“ ohne am Ende „Verdauungsprobleme“ zu haben. Nichts Menschliches ist dem Autor und seinem „Gegenstand“ fremd, irgendwie hat alles mit der Liebe und Schaffenskraft von zwei Menschen zueinander zu tun, die dennoch voneinander lassen müssen, denn sie scheitern in ihrem seelischen Geflecht und in ihren gegenseitigen Abhängigkeiten, sie finden wieder zueinander und dennoch sind sie nicht mehr bei sich. Raddatz sah sich nicht als Ideenlieferant sondern als „Teil der Idee Rowohlt.“ Das Buch ist ein spannendes und lehrreiches Stück Verlagsgeschichte der Bundesrepublik und seiner Interna. Raddatz bezichtigt sich selbst „pfauenhaft eitel“ und „dumm genug“ gewesen zu sein, um die Selbstzweifel und Zweifel Ledigs an seiner Person  zu spüren. So ist diese Geschichte auch eine von Macht- und Ohnmacht. Raddatz der Unruhestifter in der Beziehungskiste Rowohlt. Und dieses Buch sein Abschiedsbuch als Liebeserklärung an einen Verlag und Verleger, der ihn rausgeschmissen hat.

 

Leser Rowohlt-Fans und rororo-Leser, Literaturbegeisterte, Raddatz-Jünger und Feuilleton-Chefs, Sensible und Unsensible im Literaturbetrieb, Autorinnen, Autoren und deren Leser-Gefolgschaft

 

Verlag: Rowohlt

 

Pressestimmen

http://www.fr-online.de/literatur/fritz-j--raddatz-im-interview--ich-war-eine-sehr-schnelle-ratte-,1472266,29709404.html

Die Antwort auf AMAZON

Titel Petra Hartlieb Meine wundervolle Buchhandlung DUMONT

 

Inhalt Seit 2004 betreibt die Autorin eine Buchhandlung in Wien und beschreibt auf 208 Seiten ihren Buchhändler-Alltag zwischen Experiment, Ambition und Kommerz.

 

Autor Petra Hartlieb wurde 1967 in München geboren und wuchs in Oberösterreich auf. Studium der Psychologie und Geschichte in Wien. Sie arbeitete zunächst als Pressereferentin und Literaturkritikerin. 2004 gab sie ihren Job auf und übernahm gemeinsam mit ihrem Mann die Buchhandlung in Wien.

 

Lesart selbstreflektorische, abenteuerliche Geschichte eines Berufsexperimentes. Pfiffig beschrieben, amüsant zu lesen, ein Buch gegen den Amazon-Wahn und ein liebevolles Porträt für die Buchhandlung um die Ecke, die kundenorientiert Service liefern kann.

 

Cover Die Überschrift in Schreibschrift und dazu eine witzige Zeichnung über den chaotischen Alltag in einer kleinen Buchhandlung.

 

Gestaltung handliches leserfreundliches Buchformat , Druckschrift DANTE, sehr leserfreundlich

 

Zitat: „Wir haben eine Buchhandlung gekauft“. „Weitermachen, weil uns nichts anderes übrig bleibt.“

 

 

Meinung Petra Hartlieb gelingt eine wunderbare Liebeserklärung für ihre wundervolle Buchhandlung. Sie beschreibt ihren Alltag lebensnah, genau, nachvollziehbar und bietet dem Leser einen guten Blick hinter die Kulissen einer ehemaligen Traditionsbuchhandlung. Wie kann eine Buchhandlung angesichts des Internetwahnsinns überleben? Kann eine Stammkundschaft herangezogen werden? Lohnt sich der Einsatz – auch finanziell? Sind die Dauererschöpfungszustände bei vollem Einsatz überwindbar? Ist Umsatzsteigerung machbar? Wann können die Buchhändler sich einen Urlaub leisten? Fazit: Totgesagte Buchhandlungen leben länger.

 

 

Leser AMAZON-Beschäftigte, Amazon-Kunden, Mitglieder des Börsenvereins, Buchfreunde, Smartphone-Fans, Bibliothekare, Risikofreudige, Jobsuchende, Lesefans, alle Menschen, die im Buchgewerbe beschäftigt sind.